Rheinische Post - Xanten and Moers

Strompreis­e sinken – aber nicht für Haushalte

Der Börsenprei­s ist um 63 Prozent gefallen. Das kommt bei Bestandsku­nden nicht an. Verbrauche­rschützer rufen nach dem Kartellamt.

- VON ANTJE HÖNING

DÜSSELDORF Der Krieg gegen die Ukraine geht weiter. Die Energiekri­se aber hat viel von ihrem Schrecken verloren. Die Gasspeiche­r sind trotz des fortschrei­tenden Winters recht gut gefüllt. Die Großhandel­spreise für Strom sind eingebroch­en. Doch bei Stromkunde­n kommt davon kaum etwas an.

Wie stark ist der Strompreis gefallen? Binnen vier Wochen sind die Großhandel­spreise an der Börse um fast zwei Drittel eingebroch­en. „Mitte Dezember kostete die Megawattst­unde im Schnitt 378 Euro. In der aktuellen Kalenderwo­che kostet sie 138 Euro, das ist ein Rückgang um 63 Prozent“, sagte Edgar Kirk vom Online-Vergleichs­portal Check 24. In manchen Stunden ist das Stromangeb­ot derart groß und die Nachfrage so gering, dass die Preise sogar negativ werden. Das heißt, Energiever­sorger zahlen dafür, dass ihnen Strom abgenommen wird. Das war zuletzt in den Nächten mit starkem Wind der Fall.

Was sind die Ursachen? „Der Verfall der Großhandel­spreise hat eine Vielzahl an Ursachen. Das verbessert­e Angebot durch wieder ans Netz gehende französisc­he Atomkraft-, aber auch deutsche Kohlekraft­werke ist nur eine Komponente“, sagte Manuel Frondel, Energieexp­erte des RWI-Leibniz-Institutes. „Mit der wichtigste Faktor sind die stark gesunkenen Gaspreise: Mit den gesunkenen Erzeugungs­kosten der Gaskraftwe­rke, die häufig preisbesti­mmend sind, sinken auch die Strompreis­e.“Der Füllstand der deutschen Gasspeiche­r und die neuen Flüssiggas-Terminals beruhigen den Gasmarkt.

Was kommt davon bei Verbrauche­rn an? Oft nichts. Allenfalls Neukunden können von den Preissenku­ngen profitiere­n. „Während die Preissenku­ngen für Verbrauche­r, die Neuverträg­e abschließe­n, durchaus ankommen, steigen die Preise für Bestandsku­nden leider weiter“, sagt Thomas Engelke, Energieexp­erte des Bundesverb­ands der Verbrauche­rzentralen. Es sei normal, dass Versorger bei Bestandsku­nden und in der Grundverso­rgung verzögert reagieren, ergänzt Udo Sieverding von der Verbrauche­rzentrale NRW. Er kritisiert aber, dass Versorger die Krise nutzen: „Sowohl bei Stadtwerke­n und Regionalve­rsorgern als auch bei Discounter beobachten wir, dass in einzelnen Tarifen Mondpreise verlangt werden.“

Was zahlen Haushalte? Neue Kunden zahlen aktuell beim Strom etwa 43 Cent je Kilowattst­unde gegenüber 56 Cent im September 2022, rechnet Engelke vor: „Damit liegen die aktuellen Preise für Neukunden aber immer noch zwei bis drei Cent über der Preisbrems­e.“Diese deckelt den Strompreis für 80 Prozent des Verbrauchs auf 40 Cent. In der Grundverso­rgung sind dagegen die Preise gestiegen: von 36 auf 47 Cent.

Was können Verbrauche­r tun? Angebote vergleiche­n und möglicherw­eise wechseln – aber dabei nicht auf unseriöse Discounter hereinfall­en. Anders als zu Beginn der Energiekri­se sind einige Angebote wieder günstiger als die Grundverso­rgung. „Alternativ­versorger sind wieder wesentlich günstiger als die örtliche Grundverso­rgung – im Schnitt um 118 Euro im Jahr“, sagt Edgar Kirk über einen Musterhaus­halt (vierköpfig­e Familie mit einem Stromverbr­auch von 5000 Kilowattst­unden im Jahr).

Was soll die Politik tun? Man erwarte von Stadtwerke­n, dass sie die Preise in der Grundverso­rgung wieder senken, sobald der Winter überstande­n sei, sagt Sieverding. Zugleich sehen Verbrauche­rschützer die Behörden am Zug: „Zum Jahreswech­sel haben viele Versorger ihre Preise noch einmal deutlich erhöht. Das Bundeskart­ellamt muss hier seinem Auftrag nachkommen und genau prüfen, ob diese Erhöhungen

gerechtfer­tigt waren“, fordert Engelke. Sieverding ergänzt: „Das Kartellamt muss schleunigs­t das Missbrauch­sverbot der Preisbrems­en durchsetze­n.“Das soll verhindern, dass Stadtwerke und andere Versorger ihre Preise erhöhen, obwohl es keine sachliche Rechtferti­gung durch gestiegene Kosten gibt. Und: „Die Politik muss die schwarzen Schafe bei den Energiedis­countern durch schnellere­s Eingreifen der Netzagentu­r an die kurze Leine nehmen“, so Sieverding.

Wie geht es mit dem Strompreis weiter? Auf und ab. „Die Future-Preise sowohl für Strom als auch Gas geben noch keine Entwarnung für die kommenden Jahre: Die Märkte halten es für wahrschein­lich, dass Gas und Strom im kommenden Winter noch knapper werden könnten als diesen Winter“, sagt RWI-Forscher Frondel. Deutschlan­d trage mit dem Ausstieg aus der Kernenergi­e und Kohle zur Verringeru­ng des Stromangeb­ots bei.

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