Rheinische Post - Xanten and Moers
Neuer Vorschlag für Wahlrechtsreform
Die Union hat den Entwurf der Ampel gekontert. Weg zu einem kleineren Parlament bleibt umstritten.
BERLIN Seit nunmehr zehn Jahren wird im Bundestag um eine Wahlrechtsreform gerungen, die eine Verkleinerung des Parlaments zum Ergebnis haben soll. Schon jetzt ist er mit 736 Mandaten das weltweit größte frei gewählte Parlament. Nach den Ampel-Fraktionen hat nun auch die Union Vorschläge für Änderungen vorgelegt. Die Fronten sind massiv verhärtet, ein Kompromiss scheint nicht in Sicht. Eine Gegenüberstellung der Konzepte:
Überhangmandate Ein wesentlicher Grund für das starke Wachstum des Bundestags sind die Überhangmandate und damit verbundene Ausgleichsmandate. Um das Parlament zu verkleinern, wollen die AmpelFraktionen diese Mandate deshalb abschaffen. Die Wahl eines Abgeordneten in einem Wahlkreis hat dann nicht mehr einen zwangsläufigen Einzug in den Bundestag zur Folge. Stattdessen würden die Direktkandidaten mit dem niedrigsten Erststimmenanteil in einem Bundesland leer ausgehen. Damit wird die gesetzlich vorgesehene Größe von 598 Abgeordneten garantiert. Eine komplette Abschaffung lehnen CDU/CSU ab. Ihr Kompromissvorschlag: Bis zu 15 Überhangmandate könnten unausgeglichen bleiben, um damit weniger Ausgleichsmandate für alle Parteien zu schaffen. Überhänge blieben jedoch grundsätzlich möglich.
Wahlkreise Die Union schlägt zudem eine Reduzierung und den neuen Zuschnitt von Wahlkreisen vor. Damit würde sich die Zahl der Wahlkreise von 299 auf beispielsweise 270 reduzieren, was weniger Mandate zur Folge hätte. Im Gesetzentwurf der Ampel-Fraktionen sollen die bisherigen Wahlkreise unverändert bleiben.
Grundmandatsklausel Auch an der Grundmandatsklausel wollen FDP, SPD und Grüne nichts verändern. Diese ermöglicht es den Parteien, auch ohne Erreichen der Fünfprozenthürde ins Parlament einzuziehen. Dafür müssen sie derzeit mindestens drei Direktmandate erzielen. Die Union schlägt nun vor, dass kleine Parteien dafür mindestens fünf Direktmandate gewinnen müssten, um weitere „Überhangeffekte“zu reduzieren.
Stimmenverteilung Bei der Sitzverteilung im Bundestag kommt es auf ganze Zahlen an, die im Verhältniswahlrecht aber nicht automatisch erzielt werden. Deshalb muss das Sitzkontingent im ersten Schritt auf die Länder im Verhältnis ihres Bevölkerungsanteils verteilt und im zweiten Schritt im jeweiligen Bundesland auf die Parteien verteilt werden, sodass es ihrem Zweitstimmenanteil im Bundesland entspricht. Beim ersten Schritt sieht die Union noch Optimierungsbedarf.
Weiteres Vorgehen Da die Konzepte nicht miteinander vereinbar sind, soll es in den kommenden Tagen weitere Gespräche auf Ebene der Fraktionsvorsitzenden geben. Kommt es zu keiner Einigung, könnten die Fraktionen von Grünen und FDP die Pläne am Dienstag verabschieden, um danach das parlamentarische Verfahren zu starten. Die Union behält sich für diesen Fall Klage vor dem Bundesverfassungsgericht vor.