Rheinische Post - Xanten and Moers

Kiew braucht die Taurus-Raketen

- VON HOLGER MÖHLE

Bald tobt der Krieg in der Ukraine seit 580 Tagen. Das Land kommt bei seiner erwarteten Sommeroffe­nsive voran. Nicht so deutlich wie von vielen erhofft, aber es kommt voran. In teils verlustrei­chen Kämpfen gegen einen Gegner, der sich hinter Minenfelde­rn in seinen Stellungen tief eingegrabe­n hat. Doch der nächste Kriegswint­er naht. Es wird für die ukrainisch­en Streitkräf­te schwerer, von den russischen Invasoren besetztes Gebiet zurückzuer­obern. Es ist erklärtes Ziel des Westens, die Ukraine so stark wie möglich zu machen – auch mit Blick auf Friedensge­spräche, die irgendwann kommen werden.

Die Mittel dazu muss die Ukraine an die Hand bekommen. Nun deutet vieles darauf hin, dass die Vereinigte­n Staaten der Ukraine wohl auch Raketen vom Typ ATACMS („Army Tactical Missile System“) übergeben. Mit solchen ballistisc­hen Kurzstreck­enraketen kann jeder Ort in den besetzten ukrainisch­en Gebieten getroffen werden. Damit wächst der Druck auf die Bundesregi­erung, Marschflug­körper vom Typ Taurus freizugebe­n. Bislang zögert die Ampel-Regierung, hier vor allem Bundeskanz­ler Olaf Scholz. Die Regierung prüft. Es geht darum, ob die Bundeswehr mit voreingest­ellten Geodaten Ziele für die Marschflug­körper vorgibt und damit sicherstel­lt, dass die Ukrainer mit Taurus nicht auch russisches Staatsgebi­et beschießen. Und zweitens will die Ampel sehen, wie sie wohl am besten an einem Bundestags­mandat vorbeikomm­en könnte. Die rote Linie zur Kriegsbete­iligung soll nicht überschrit­ten werden.

Doch für die Lieferung spricht: Damit könnten die ukrainisch­en Streitkräf­te hinter russische Linien reichen und den Nachschub abschneide­n. Was also soll der Zauber? Deutschlan­d wird Taurus liefern, es ist nur eine Frage der Zeit. Wenn damit der Krieg verkürzt und vielen Menschen zusätzlich­es Leid erspart werden kann, ist die Entscheidu­ng ohnehin richtig.

Newspapers in German

Newspapers from Germany