Rheinische Post - Xanten and Moers
Kiew braucht die Taurus-Raketen
Bald tobt der Krieg in der Ukraine seit 580 Tagen. Das Land kommt bei seiner erwarteten Sommeroffensive voran. Nicht so deutlich wie von vielen erhofft, aber es kommt voran. In teils verlustreichen Kämpfen gegen einen Gegner, der sich hinter Minenfeldern in seinen Stellungen tief eingegraben hat. Doch der nächste Kriegswinter naht. Es wird für die ukrainischen Streitkräfte schwerer, von den russischen Invasoren besetztes Gebiet zurückzuerobern. Es ist erklärtes Ziel des Westens, die Ukraine so stark wie möglich zu machen – auch mit Blick auf Friedensgespräche, die irgendwann kommen werden.
Die Mittel dazu muss die Ukraine an die Hand bekommen. Nun deutet vieles darauf hin, dass die Vereinigten Staaten der Ukraine wohl auch Raketen vom Typ ATACMS („Army Tactical Missile System“) übergeben. Mit solchen ballistischen Kurzstreckenraketen kann jeder Ort in den besetzten ukrainischen Gebieten getroffen werden. Damit wächst der Druck auf die Bundesregierung, Marschflugkörper vom Typ Taurus freizugeben. Bislang zögert die Ampel-Regierung, hier vor allem Bundeskanzler Olaf Scholz. Die Regierung prüft. Es geht darum, ob die Bundeswehr mit voreingestellten Geodaten Ziele für die Marschflugkörper vorgibt und damit sicherstellt, dass die Ukrainer mit Taurus nicht auch russisches Staatsgebiet beschießen. Und zweitens will die Ampel sehen, wie sie wohl am besten an einem Bundestagsmandat vorbeikommen könnte. Die rote Linie zur Kriegsbeteiligung soll nicht überschritten werden.
Doch für die Lieferung spricht: Damit könnten die ukrainischen Streitkräfte hinter russische Linien reichen und den Nachschub abschneiden. Was also soll der Zauber? Deutschland wird Taurus liefern, es ist nur eine Frage der Zeit. Wenn damit der Krieg verkürzt und vielen Menschen zusätzliches Leid erspart werden kann, ist die Entscheidung ohnehin richtig.