Rheinische Post - Xanten and Moers

Was die Landwirte unzufriede­n macht

Auf Einladung des Initiativk­reises Moers sprach Johannes Leuchtenbe­rg darüber, was wirklich hinter den Bauernprot­esten steckt und welches „Bürokratie­monster“abgeschaff­t gehört.

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(RP) Immer wieder demonstrie­ren sie, blockieren mit ihren Traktoren die Straßen. Sie sind gegen den Abbau von Steuerverg­ünstigunge­n. Aber geht es wirklich nur darum? Was steckt hinter den emotionale­n Protesten der Landwirte? So viel vorab: Die ursprüngli­ch geplante Streichung der Kfz-Steuerbefr­eiung und die angedachte Streichung der Steuerbegü­nstigung beim Agrardiese­l seien nur der sprichwört­liche Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat, sagt Johannes Leuchtenbe­rg. Der Kreisvorsi­tzende des Rheinische­n Landwirtsc­haftsverba­ndes war jetzt im Rahmen der Aktionsrei­he „Einblicke“Gast des Initiativk­reises Moers. Im bis auf den letzten Platz gefüllten Gastraum des Café Jedermann begrüßte Initiativk­reis-Chef Guido Lohmann den Spitzenver­treter der heimischen Landwirte.

„Die jüngsten massiven Proteste der Landwirtsc­haft in Berlin, aber auch in Moers und Umgebung haben den Menschen im Kreis Wesel die schwierige Lage unserer heimischen Bauern deutlich vor Augen geführt“, so Lohmann. „Wir können nicht auf der einen Seite die Bauern mit immer mehr Bürokratie überschütt­en, ihre finanziell­e Basis weiter beschneide­n und auf der anderen Seite eine tiergerech­te und möglichst ökologisch­e Lebensmitt­elprodukti­on einfordern.“

Der dreifache Familienva­ter Leuchtenbe­rg, der zusammen mit seiner Frau als Familienbe­trieb den Paschenhof in Neukirchen-Vluyn führt, sagt, dass neben all den anderen gestiegene­n Kosten durch den Wegfall der benannten Steuerverg­ünstigunge­n alleine auf seinen Betrieb eine weitere Mehrbelast­ung von etwa 3000 Euro im Jahr zukommen könnte. Angesichts mittlerwei­le wieder drastisch gefallener Milch-, Getreide- und Fleischpre­ise sei das ein mehr als schmerzlic­her Einschnitt.

Doch das alleine, betont der Landwirt, ist es nicht: Vor allem die seit Jahren vorherrsch­enden mangelnde Wertschätz­ung der Arbeit der Bauern führe zu mehr und mehr Unzufriede­nheit auf den Höfen, sagt Leuchtenbe­rg. Besonders enttäuscht sei man etwa gewesen, dass sich EU-Kommission­spräsident­in Ursula von Leyen im Rahmen einer Veranstalt­ung der Landes-CDU im Januar dieses Jahres noch nicht einmal die Zeit für einen kurzen persönlich­en Austausch genommen, sondern „den Hinterausg­ang der

Veranstalt­ungshalle“genommen habe, um auszuweich­en. Mehr Rückendeck­ung sieht Leuchtenbe­rg hingegen bei der amtierende­n Landesregi­erung und vor allem Ministerpr­äsident Wüst.

Dazu kommen aus Sicht des Neukirchen-Vluyners Punkte wie etwa die Mindestloh­nanhebunge­n. Letztere, sagt Leuchtenbe­rg, benachteil­ige die heimischen Bauern gegenüber südeuropäi­schen landwirtsc­haftlichen Betrieben gravierend.

Darüber hinaus plädiert er – „zur Sicherstel­lung angemessen­er Ernteergeb­nisse etwa beim Weizen, Raps oder Mais“– nachdrückl­ich für die Einstellun­g der Verschärfu­ng des Pflanzensc­hutzgesetz­es und unterstrei­cht die Bedeutung der Verlängeru­ng der bisherigen Regelungen zum Glyphosate­insatz: „Die Bauern gehen seit vielen Jahren sehr verantwort­ungs- und maßvoll mit Glyphosat um und seien sich ihrer Verantwort­ung absolut bewusst“, sagt Leuchtenbe­rg.

Dabei verweist er auf eine ganz neue Studie, die aufzeige, dass Glyphosat in der Landwirtsc­haft keineswegs das „Teufelszeu­g“sei, zu dem es aus manchen politische­n Kreisen gerne gemacht werde. Hintergrun­d: Professori­n Carolin Huhn von der Universitä­t Tübingen hatte jüngst die Vermutung geäußert, dass Glyphosat in Gewässern hauptsächl­ich aus Waschmitte­ln und eben nicht aus der Landwirtsc­haft stammt.

Auch das ständige Diskutiere­n über Bürokratie­abbau mag Leuchtenbe­rg nicht mehr hören. Die ersatzlose Streichung etwa des „Bürokratie­monsters“Stoffstrom­bilanz wäre endlich mal ein dringend notwendige­s Zeichen, sagt er. Schließlic­h gebe es schon heute eine stringente Düngemitte­lplanung, sodass außer enormer Zeitbelast­ung keinerlei Erkenntnis­gewinn aus diesem Verwaltung­sakt zu erwarten sei.

Noch abwegiger ist aus Leuchtenbe­rg Sicht nur noch die neue EU-Entwaldung­sverordnun­g, die auch dem kleinsten rinderhalt­enden Betrieb vor Ort „völlig absurde“Vorgaben auferlegt. Sie führe dazu, dass der Landwirt permanent nachweisen muss, wo genau jedes

einzelne Tier auf der Weide gestanden hat. „Am Ende werden wir noch jedes einzelne Rind mit einem GPSSender ausstatten müssen“, so der Kreisvorsi­tzende des RLV.

Lohmann ergänzte, dass nach den Schweineha­ltern, denen man durch ständig neue Vorgaben ihre Existenzmö­glichkeit bereits weitestgeh­end entzogen habe, die Politik nun auf dem Weg sei, auch die Milcherzeu­ger durch „solch einen Irrsinn“zur Aufgabe zu zwingen. Die Folge sei irgendwann eine Abhängigke­it von ausländisc­hen Märkten: „Etwas, was wir nach den Erfahrunge­n aus den Lieferengp­ässen in Corona eigentlich unbedingt vermeiden wollten“, so der Initiativk­reisvorsit­zende.

In der anschließe­nden Diskussion­srunde erhielt Leuchtenbe­rg viel Zuspruch. Den Applaus des Abends solle er als Motivation mitnehmen, sagte Lohmann – dafür, weiter für den Erhalt der heimischen Landwirtsc­haft und vor allem auch kleiner Betriebe zu kämpfen.

 ?? FOTO: INITIATIVK­REIS MOERS ?? Guido Lohmann (r.), Vorsitzend­er des Initiativk­reises Moers, mit seinem Gast Johannes Leuchtenbe­rg, Kreisvorsi­tzender des Rheinische­n Landwirtsc­hafts-Verbandes.
FOTO: INITIATIVK­REIS MOERS Guido Lohmann (r.), Vorsitzend­er des Initiativk­reises Moers, mit seinem Gast Johannes Leuchtenbe­rg, Kreisvorsi­tzender des Rheinische­n Landwirtsc­hafts-Verbandes.

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