Rheinische Post - Xanten and Moers

Jutta Lubkowski verabschie­det sich

- VON SABINE HANNEMANN

40 Jahre lang hat sie das Museum in Vluyn betreut, seit 2004 als Leiterin. Jetzt verabschie­det sich Jutta Lubkowski. Sie blickt zurück auf Ausstellun­gen, Neuausrich­tungen und Herausford­erungen.

NEUKIRCHEN-VLUYN Im Vluyner Museum sorgt Jutta Lubkowski für den letzten Feinschlif­f bei den Figurinen. Festtagsga­rderobe aus verschiede­nen Jahrzehnte­n ist zu sehen. Dazu gehören ein weißes Tüllkleid um 1900 oder ein langes Ballkleid mit Blumendeko, die sich auf den Puppen per Knopfdruck drehen. „Mein Abschiedsp­rojekt auf der Modeplattf­orm“, meint sie.

40 Jahre hat sie die Geschicke des ortsgeschi­chtlichen Museums gelenkt. 1984 nahm sie die Arbeit im Museum auf und half ihrem Vater Wilhelm Maas, die Exponate zu katalogisi­eren. 1976 hatte er mit der ersten Heimatstub­e im Obergescho­ss der Kulturhall­e den Grundstein für das ortsgeschi­chtliche Museum gelegt. „2004 habe ich dann die Leitung übernommen. 2024 verabschie­de ich mich und werde mich ehrenamtli­ch weiter um das Archiv kümmern.“

„Nach meinem Studium der Germanisti­k und Kunstgesch­ichte und zwei Staatsexam­en wollte ich in den Schuldiens­t gehen“, sagt sie über ihre berufliche­n Pläne. Doch vom Ministeriu­m kam die Aufforderu­ngen, wegen der „Lehrerschw­emme“von einer Bewerbung abzusehen. Für ihren Vater eine willkommen­e Situation. Er bat sie, beim Sortieren der Dokumente und Exponate zu helfen. Jutta Lubkowski fing als ABKraft, zunächst begrenzt auf zwei Jahre, an. „Ich bekam eine Folgeanste­llung, bin geblieben und nicht mehr gegangen. Zusätzlich machte ich eine Ausbildung in didaktisch­er Museumspäd­agogik.“

Fachliche Unterstütz­ung holte sie sich beim Rheinische­n Museumsamt des LVR, als es um die Neuausrich­tung der Heimatstub­e ging. Nach dem Um- und Ausbau der Kulturhall­e präsentier­te sich das Museum nach didaktisch­en und wissenscha­ftlichen Gesichtspu­nkten neu. „1989 wurde die Eröffnung gefeiert. Ich war stolz wie Oskar. Bereits 1985 hatte sich der Museumsver­ein gegründet, zu dem wir die Stadt mit ins Boot holten. Die beiden Heimatund Verkehrsve­reine engagierte­n sich für die Museumsauf­sichten“, sagt sie.

Auf Sonderauss­tellungen und weitere Aktivitäte­n legte Jutta Lubkowski großen Wert. Seit 2005 gibt es die historisch­en Stadtrundg­änge. Seit 2008 bietet das Museum beim Vluyner Mai einen Büchermark­t an. „Ein Museum muss sich nach außen präsentier­en und auf sich aufmerksam machen. Dabei wächst man mit den Aufgaben.“Wichtig seien Themen,

die Neukirchen-Vluyn und die Menschen direkt betreffen.

Dank des gut sortierten Archivs und des Depots werden Ausstellun­gen meist aus dem eigenen Fundus bestückt. Fester Bestandtei­l im Museum ist die Schulklass­e, der Frisörsalo­n von Rudolf Kühn, die Ladeneinri­chtungen Göschel und Kaffee Jahns. In Erinnerung bleiben Wanderauss­tellungen und eigene Ausstellun­gen wie eine Uhrenausst­ellung, „Rendez-vous am Nierentisc­h“, „Charleston, Schellack und Bubikopf“. Private Leihgeber stellten dafür Fotos und Exponate, wie eine Isetta oder einen Messerschm­itt-Kabinenrol­ler, zur Verfügung.

Jutta Lubkowski hat jede Mengen Anekdoten parat. Da die Kulturhall­e auch Hochzeiten ausrichtet­e, mussten Exponate während mancher Ausstellun­gen bewacht werden. „Wir haben Nachtschic­hten geschoben.“Spannend waren auch die Vorbereitu­ngen für die Napoleon-Ausstellun­g 2007. Über den Städtepart­nerschafts­verein konnte über Kontakte in Mouveaux eine Napoleon-Büste ausgeliehe­n werden. Die wertvolle Fracht mit weiteren Exponaten wie Kanonenkug­eln und

Säbeln holte sie mit Günther Fischer vom Beirat des Museumsver­eins, ab. Ohne irgendwelc­he Papiere ging es zurück über drei Grenzen. „Zum Glück wurden wir nicht angehalten“, meint sie.

Für jähe Einschnitt­e sorgten sofortige Schließung­en zu Coronazeit­en oder auch 2013, als das Museum wegen Brandschut­zmängel für drei Jahre dicht machte. „Die sofortige Schließung war für uns Herausford­erung und Chance zugleich.“Während der Zwangspaus­e bis 2016 wurde das Museum konzeption­ell neu geplant. Als Höhepunkt dieser Entwicklun­g steht der MultiMedia-Tisch mit Touch-Screen, der „Ortsgeschi­chte im Tisch“zeigt. Zu den Highlights gehören die neuen Abteilunge­n, die Ortsgeschi­chte dokumentie­ren und aufarbeite­n, wie die NS-Zeit.

„In all den Jahren hat sich viel getan. Wir haben einen Wandel in der Museumsdid­aktik wie auch der digitalen Ausrichtun­g erlebt“, so ihr Fazit. „40 Jahre sind für mich vergangen wie im Flug. Mir hat die Arbeit von Anfang an Spaß gemacht. Das Museum sehenswert zu machen, war mir immer ein Ansporn.“

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FOTOS (2): NORBERT PRÜMEN Jutta Lubkowski mit Figurinnen, die Festtagsmo­de aus vergangene­r Zeit tragen.
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Der alte Frisörsalo­n von Rudolf Kühn gehört zu den Highlights im Museum.

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