Rheinische Post - Xanten and Moers
Ein Weltklasse-Pianist in der Stadthalle
Der Konzertabend mit dem Hamburger Pianisten Alexander Krichel in der Rheinberger Stadthalle setzte in jeder Hinsicht Maßstäbe. Das Publikum war absolut begeistert. Eingeladen hatte die Musikalische Gesellschaft.
RHEINBERG Vielleicht war es schon der musikalische Höhepunkt dieser Konzert-Saison, auch wenn erst am 21. April das renommierte „Minguet Quartett“die Spielzeit der Musikalischen Gesellschaft beschließen wird. Mit jenem Konzertabend der Extraklasse mit Kompositionen von Chopin und Rachmaninoff glänzte der von Starallüren freie AusnahmePianist Alexander Krichel auf ganzer Linie. Eingefädelt hat das bravouröse Gastspiel die ehemalige MGRVorsitzende Lore Rabe, die Krichel 2009 zu seinem ersten Konzert nach Rheinberg eingeladen hatte und ihn danach weitere dreimal an den Niederrhein holte.
Krichel ist Hamburger und hat seinen Lebensmittelpunkt in der Hansestadt. Beruflich ist er international unterwegs. Eine herausgehobene musikalische Beziehung verbindet ihn mit Sergei Rachmaninoff (1873-1943). Zwei Alben seiner mittlerweile acht erschienenen hat der 35-Jährige Starpianist dem russischen Komponisten gewidmet. Und auch der zweite Teil des Konzertabends galt Rachmaninoff, indem er dessen „Moments musicaux op. 16“ungemein emotional und technisch brillant darbot.
Rachmaninow sei nie lauwarm, sondern immer kochend heiß oder eisig kalt, sagte Krichel zu Beginn des sechsteiligen Werkes. „Extrem emotional und eine wahre Achterbahn der Gefühle.“Der erste „Moment“ist wie von Nebel aufsteigender Melancholie geprägt. Das zweite Stück dagegen ist voller Unruhe. Im dritten Satz dann wird es dramatisch: Denn zu hören gibt es den Versuch eines Trauermarsches. Eine Besonderheit hierbei sei es, mit Stille, Pausen und nicht gespielten
Töne zu hantieren.
Der virtuose Höhepunkt der Komposition vollzieht sich aber in der vierten Miniatur, von der eine ungebändigte Leidenschaft ausgeht. Ohne Unterbrechungen rasen die Läufe dahin: turbulent dramatisch bis wellenartig ozeanisch. Pastoralisch friedlich wiederum und fast schon meditativ gestaltet sich der fünfte Satz. Den Abschluss des Zyklus’ bildet ein erneut laut aufwühlendes sechstes „Moment“.
Den ersten Teil seines von ihm fein moderierten Konzertes gestaltete Krichel mit drei Werken von Frédéric Chopin (1810-1849). Kein anderer Komponist sei ihm so nah wie Chopin, zitierte Krichel Rachmaninoff und stellte damit den Zusammenhang seiner Konzertdramaturgie des Abends her. Zunächst erklang Chopins „Nocturne Des-Dur op. 27 Nr. 2“, dann dessen „Ballade Nr. 2 F-Dur“. Krichel spielte notenfrei, hochkonzentriert eintauchend in die musikalische Stimmung des jeweiligen Werkes, teils mit Gestik und Mimik diese und seine eigene Gefühlswelt kommentierend. Ein Hochgenuss. Beim dritten ChopinWerk vor der Pause steigerte sich der Seh- und Hörgenuss noch bis ins Theatralische: Bei der „Sonate Nr. 2 b-Moll“im berühmten dritten Satz, dem „Marche funèbre: Lento“, dem allbekannten Trauermarsch, saß Krichel am Konzertflügel teils mit gebeugtem Kopf über der Tastatur, fast verneigend vor dem in diesem Satz zu ehrenden Toten. Am Ende der Klaviersonate brauchte es und er nachvollziehbar seine Zeit, bis Krichel wieder zurück in der Welt der Stadthalle angekommen war.
Mit Standing Ovations und BravoRufen sowie einem nicht enden wollenden Schlussapplaus bedankte sich das Publikum. Als Zugabe spielte Krichel – wie schon 2009 bei seinem Debüt in Rheinberg – Chopins „Nocturne Nr. 20 cis-Moll“.