Rheinische Post - Xanten and Moers

Die Helfer für einen sicheren Schulweg

- VON BEATE WYGLENDA

Schülerlot­sen sind im Kreis Wesel selten geworden. Nur noch sechs Schulen bieten den Dienst an. Die Private Realschule Sonsbeck hat das Ehrenamt jüngst initiiert. Wir haben die Jugendlich­en einen Morgen begleitet.

SONSBECK Ab 7.30 Uhr ist auf der Hochstraße in Sonsbeck Rush Hour angesagt. An der Ecke an der Alten Post herrscht Hochbetrie­b. Hier halten Busse, die eilig ihre Fahrgäste entlassen. Ein Müllwagen quetscht sich laut ratternd an der Querungsin­sel vorbei. Im Sekundenta­kt schlängelt sich ein Auto nach dem anderen durch den Morgenverk­ehr. Wer verpennt hat, gibt an der kleinen Kreuzung nicht selten Gas. Dabei sind hier mitten im Getümmel auch die ganz Kleinen unterwegs. Manche noch schlaftrun­ken, manche im Gespräch mit den Freunden vertieft, einige übermütig, andere vor der übermächti­gen Blechlawin­e ängstlich. Um für sie den Schulweg etwas sicherer zu machen, hat die Private Realschule den Schülerlot­sendienst wieder ins Leben gerufen. Jeden Morgen stehen zwei Achtklässl­er vor Unterricht­sbeginn für eine halbe Stunde an der Hochstraße auf Höhe des Alttorplat­zes, um den Grundschül­ern den Weg durch die Lawine zu bahnen. Ein Bürgerdien­st, der im Kreis Wesel selten geworden ist. Insgesamt nur noch sechs Schulen übernehmen diese Aufgabe. In Sonsbeck will man den Schülerlot­sendienst hingegen noch ausweiten und auch weitere, gefährlich­e Stellen besetzen. Die Bereitscha­ft unter den Jugendlich­en ist groß.

Klar, hätte sich Leander Heekeren auch gut vorstellen können, noch eine halbe Stunde länger im Bett liegen bleiben zu können, wie er sagt. „Aber ich finde es wichtig, den Kindern zu helfen, sicher über die Straße zu kommen“, betont der 13-Jährige im gleichen Atemzug. Viel Zeit zum Quatschen hat er nicht. Es ist 7.45 Uhr. Stoßzeit der Grundschul­kinder. Wieder nähert sich eine kleine Gruppe der Querungshi­lfe. Leander Heekeren wirft seinem Kumpel Sebastian Schoofs (14) auf der gegenüberl­iegenden Straßensei­te einen kurzen Blick zu. Die beiden Jungs in neongelben Warnwesten sind ein eingespiel­tes Team. Ein VW wird noch eben durchgelas­sen. Die Jugendlich­en achten darauf, dass die Autos, die sie anhalten wollen, auch den Bremsweg von 40 Metern einhalten können. Dann treten sie auf die Straße, die rote Kelle mit der Aufschrift „Halt“, „Stop“gut sichtbar in die Höhe hebend. Und plötzlich kommt die scheinbar unaufhalts­ame Lawine zum Stillstand. Kurz darauf tapst der kleine Pulk kleiner Menschen vom Gehwegrand los.

„Die meisten sind nett und halten schon an, wenn sie uns und die Kinder am Straßenran­d sehen“, sagt der 14-Jährige. Einige Autofahrer grüßten sogar. Aber die Schülerlot­sen erlebten auch schon brenzlige Situatione­n. „Heute kam ein BMW erst einen Meter vor mir zum Halten“, erzählt Leander Heekeren. „Das ist

dann schon ein beklemmend­es Gefühl.“Samantha Dommershau­sen und David Elbers ärgern sich noch immer, wenige Tage zuvor nicht das Kennzeiche­n eines richtig dreisten Fahrers aufgeschri­eben zu haben. „Wir waren schon auf der Straße und ein Mädchen wollte gerade rübergehen“, erzählen die 13-Jährigen. „Da raste ein Auto trotzdem vorbei. Ich musste das Mädchen an der Hand wegziehen“, berichtet David Elbers.

Von dem Autofahrer keine Reaktion. Er sei einfach weiter gefahren.

Bei diesen Schilderun­gen wird Janine van Geldern hellhörig. „Haltet Blickkonta­kt zu den Autofahrer­n. Wenn ihr seht, da pennt einer oder gibt zu viel Gas, lasst ihn durch. Wichtig ist, dass ihr euch nicht selbst in Gefahr bringt“, gibt sie als Ratschlag. Die Verkehrssi­cherheitsb­eraterin der Kreispoliz­ei Wesel hat die acht Freiwillig­en der insgesamt 19 Achtklässl­er

ausgebilde­t, ihnen Verkehrsre­geln und mögliche Gefahrensi­tuation vermittelt und bei praktische­n Übungen die Hemmungen genommen, Autos anzuhalten. Sie freut sich über das Engagement der Realschüle­r, denn der Schülerlot­sendienst ist im Kreis Wesel selten geworden. Rechtsrhei­nisch stelle nur die Gesamtschu­le in Hamminkeln Schülerlot­sen auf, linksrhein­isch neben der Sonsbecker Realschule noch das Moerser Gymnasium

sowie in Kamp-Lintfort die Uneso-Gesamtschu­le, das GeorgForst­er-Gymnasium und die Sekundarsc­hule. An der Sonsbecker Privatschu­le will man dabei bleiben. Die Anfragen für die nächste Generation laufen bereits. Nicht nur, weil Bedarf da ist. „Der Schülerlot­sendienst ist auch ein wichtiger Beitrag zur Werteerzie­hung und Verantwort­ungsüberna­hme“, sagt Schulleite­rin Sonja Laarmanns.

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FOTOS: FISCHER Sebastian Schoofs bringt den Verkehr zum Stehen und sichert die Straße, damit die beiden Grundschül­er mit ihren Rollern passieren können.
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Polizistin Janine van Geldern hat die insgesamt acht Schülerlot­sen der Realschule ausgebilde­t. Hier steht sie mit (v.l.) David Elbers, Sebastian Schoofs, Samantha Dommershau­sen und Leander Heekeren.

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