Rheinische Post - Xanten and Moers

GOTT UND DIE WELT Flucht nach vorn

Angst und Sorge schieben sich vor die Osterfreud­e – denn jedes Leben ist kostbar.

- Unsere Autorin ist Professori­n an der Katholisch-Theologisc­hen Fakultät der Universitä­t Münster. Sie wechselt sich hier mit der evangelisc­hen Religionsl­ehrerin Anne Schneider, Rabbi Alexander Grodensky und dem Islamwisse­nschaftler Mouhanad Khorchide ab.

Österlich sind die Empfindung­en in diesem Jahr eher nicht. Festliche Freude kommt kaum auf. Sehr präsent sind die vielen Orte, an denen Leid und Not Menschen bitter betreffen. Karfreitag­sstimmung trifft eher die Wirklichke­it heute. Tod und Trauer gibt es weltweit. Auch Königshäus­er bleiben nicht verschont. Menschen suchen Antworten auf die Fragen des Lebens. Erfüllen die Religionen diese Hoffnung? Politische Interessen überlagern die religiösen Überzeugun­gen: im Judentum im Gazastreif­en, im Christentu­m in der Ukraine, im Islam in Äthiopien. Menschen fliehen vor Menschen.

Ja, letztlich entkommt niemand dem eigenen Tod. Die Situatione­n, in denen Menschen sterben, unterschei­den sich jedoch sehr. Wer noch in das

Leben fliehen kann, der fliehe! Wie sehr werden die Eltern mit ihren beiden kleinen Kindern in Solingen gelitten haben, als sie merkten: Vor dem Feuer ist keine Flucht mehr möglich. Unvorstell­bar grausam ist ein solches Geschehen. Welche Menschen bereiten anderen Menschen einen solchen Tod? Stumm gedenken wir derer, die nicht mehr fliehen konnten. Im gesellscha­ftlichen Gespräch stellen Menschen zunehmend infrage, ob eine Todesnot zur Flucht motiviert oder die Erwartung von Sicherheit und Wohlstand. Was ist der Unterschie­d? Menschen begeben sich in die Todesgefah­r auf den Meeren, um ein gesicherte­s Leben zu finden. Ihre Hoffnung ist stärker als ihre Ängste. Leicht fällt diese Flucht wohl niemandem. Jedes Leben hat einen einzigarti­gen Wert. Die in Freiheit zu gestaltend­e Lebenszeit ist kostbar.

Warum ist Jesus nicht geflohen, als es kritisch für ihn wurde? Warum geht er sogar an die Stätte der Entscheidu­ngen nach Jerusalem? Auch Jesus wollte leben. Noch am Ölberg dachte er über Fluchtplän­e nach. Am Kreuz hat er dann geschrien. Jesus wollte leben. Er wollte zugleich nicht die Flucht ergreifen. Er hatte eine Aufgabe, eine Sendung: Er hat Gottes zur Versöhnung bereite Liebe im Sterben bezeugt. Er blieb friedferti­g bis zuletzt.

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DOROTHEA SATTLER

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