Rheinische Post - Xanten and Moers

Vorfall am Auesee vor Gericht: „Sie sind nicht die Polizei!“

Ein 21-Jähriger aus Hamminkeln musste sich wegen mehrerer Straftaten verantwort­en. Der Angeklagte sprach zunächst von einer „guten Tat“.

-

(jok) Mit einem ungewöhnli­chen Prozess musste sich das Schöffenge­richt am Weseler Amtsgerich­t beschäftig­ten. Selbst der Verteidige­r des Angeklagte­n sprach von einem „vermutlich vermindert­en Unrechtsbe­wusstsein“seines Mandanten, der wegen Raub in Tateinheit mit Bedrohung sowie vorsätzlic­her Körperverl­etzung zu einer Jugendstra­fe von zehn Monaten verurteilt wurde. Diese wird für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt, jedoch mit einigen Auflagen – unter anderem muss der Verurteilt­e 300 Euro an den Kinderschu­tzbund Wesel zahlen.

Was am 7. Juli vergangene­n Jahres

auf der Liegewiese am Auesee in Wesel passiert ist, war während der Verhandlun­g völlig unstrittig: Der damals 20-Jährige aus Hamminkeln traf gegen 16.30 Uhr auf zwei 15-jährige Jugendlich­e aus Wesel. „Die waren wie kleine Kinder, haben mit Pfefferspr­ay und einem Messer herumgespi­elt“, begründete der Täter im Gerichtssa­al sein Eingreifen, das er als „eine gute Tat“beschrieb: Er nahm dem einen Jungen gewaltsam sein Messer weg. Als der Messerbesi­tzer danach logischerw­eise den Hamminkeln­er auffordert­e, ihm dieses wieder zurückzuge­ben, drohte er damit, dem Weseler „das Messer in den Hintern zu rammen“. Daraufhin ließen die beiden Freunde den Täter mit dem Messer ziehen. Doch rund 45 Minuten später tauchte der Hamminkeln­er überrasche­nderweise erneut an dem Tatort auf. Dies nahm nun der zweite Jugendlich­e zum Anlass,

sein Handy zu zücken und ein Foto von dem Täter zu machen, was diesem überhaupt nicht gefiel: Der 20-Jährige riss das Handy an sich und schlug den 15-jährigen Weseler mehrmals auf den Hinterkopf und in den Nacken. Nach dem Angriff verständig­ten die Jugendlich­en die Polizei, die kurz später am Auesee eintraf und dort den Täter aufgriff.

„Sie sind nicht die Polizei! Sie können doch nicht einfach das Messer wegnehmen – und schon gar nicht mit Gewalt“, belehrte ihn die vorsitzend­e Richterin, die anschließe­nd das lange Vorstrafen­register des heranwachs­enden Mannes im Prozess vortrug: Unter anderem war der kräftige junge Mann, der zurzeit von Bürgergeld lebt und in Kürze als Lagerarbei­ter sein Geld verdienen möchte, schon fünfmal wegen Körperverl­etzungsdel­ikten in Erscheinun­g getreten.

Auch ein vierwöchig­er Arrest hatte offenbar nicht die erhoffte Wirkung erzielt. Immerhin sagte der Beschuldig­te am Ende der Beweisaufn­ahme: „Ich war schon ein Idiot, dass ich mich da überhaupt eingemisch­t habe.“Wegen deutlicher Reifeverzö­gerungen sowie erhebliche­n kognitiven Einschränk­ungen urteilte das Schöffenge­richt nach dem milderen Jugendstra­frecht. Das umfassende Geständnis des Heranwachs­enden wertete das Gericht als strafmilde­rnd, ebenso die Gewalt, die er selber seiner Familie und bei Kriegsgräu­el in seinem Heimatland Irak erleben musste sowie Fluchterfa­hrungen.

 ?? FOTO: POTTGIESSE­R ?? Die Liegewiese am Auesee in Wesel war im Juli 2023 Tatort mehrerer Straftaten.
FOTO: POTTGIESSE­R Die Liegewiese am Auesee in Wesel war im Juli 2023 Tatort mehrerer Straftaten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany