Rheinische Post - Xanten and Moers
Das Ende einer Institution
Im Dezember starb Margret Hartmann, Inhaberin des Modehauses Stepken. Wie es mit dem traditionsreichen Geschäft in der Moerser Innenstadt jetzt weitergeht und warum es in seiner Art einmalig ist.
Auf der Steinstraße in der Moerser Innenstadt endet eine Ära. Margret Hartmann, Inhaberin des Modehauses Stepken, ist im Dezember verstorben. Aktuell geht der Verkauf weiter.
„Wir haben volle Lager“, sagt ihr Bruder Werner Schulte, der gemeinsam mit den langjährigen Mitarbeiterinnen die letzte Phase des Traditionshauses organisiert. „Leider haben wir niemanden, der das Geschäft weiterführen könnte“, so Werner Schulte. Der Ausverkauf sei die Konsequenz. Bis Ende November soll das Warenlager geräumt sein. Dazu sind in Abständen verschiedene Verkaufsaktionen geplant. Schon jetzt gibt es Rabatte von bis zu 30 Prozent.
Das Modehaus Stepken befindet sich im Familienbesitz, und so soll es auch bleiben. „Wir werden in Ruhe über alle dann anstehenden Entscheidungen nachdenken“, sagt Werner Schulte.
Stepken ist in seiner Art einmalig und vielleicht ein bisschen aus der Zeit gefallen. Die Zeit scheint buchstäblich dort stehengeblieben zu sein. Schon beim Betreten des Ladens ist mit den alten, verblichenen Teppichen Nostalgie angesagt. Ans Aufgeben hat Margret Hartmann nie gedacht. „So lange es geht“, war ihre Prämisse.
So kam die 89-Jährige auch im vergangenen Jahr noch regelmäßig ins Geschäft. Ihre langjährigen Mitarbeiterinnen, von denen einige sogar im Modehaus Stepken ihre Ausbildung gemacht haben, kümmern sich um die überwiegend weibliche Kundschaft.
Unterwäsche, Schlafanzüge, Bademäntel und Kinderbekleidung füllen die Eichenholzvitrinen und Schubladen oder stapeln sich, geschützt in festen Plastikhüllen, bis unter die Decke: ein ausgeklügeltes und platzsparendes System, wie sich schnell herausstellt. Alles ist fein säuberlich nach Größen sortiert und entsprechend mit handgeschriebenen Papierschildern gekennzeichnet. Da braucht es oftmals nur einen Griff, um der Kundschaft den gewünschten Artikel in allen Variationen auf dem langen Ladentisch vorzulegen. Die auf Maß angefertigte, beinahe zeitlose Einrichtung stammte aus der Tischlerei des Großvaters Stepken,
die in Utfort ansässig war.
Über die mit dickem, grünem Velourteppich ausgelegten Treppenstufen gelangen die Kunden über die imposante Holztreppe in die erste Etage – dorthin, wo Markenware wie Bademode, Wäsche, Strumpfhosen inklusive Stützstrümpfen und Miederwaren, auch in Übergrößen, zu finden sind. Auch ein Laufmaschendienst wurde damals angeboten.
Stepken war über Jahre die Adresse am Niederrhein, „wo es Sachen gibt, die man woanders nicht findet“, freute sich die Inhaberin stets, wenn sie aus einer ihren vielen Schubladen das Gewünschte, wie etwa einen separaten Halskragen, den leichten Unterrock oder ein Bettjäckchen hervorzauberte. „Wir haben gerade noch von einer Kundin die vorsorgliche Anfrage für zwei Korsetts mit Strumpfbändern bekommen, die natürlich im Lager waren“, sagt Werner Schulte.
Der Schatz des Modehauses Stepken ist die Abteilung mit Kurzwaren wie Reißverschlüssen, besondere Stoffe, Meterware an Bändern, Nähgarnen und anderem Nähzubehör. Stepken lieferte meterweise für den
Handarbeitsunterricht an Schulen das sogenannte Schülertuch, das mit verschiedensten Stickmustern verziert wurde.
Wer echte Perlmuttknöpfe brauchte, tauchte mit Margret Hartmann in den Keller ab. Dorthin, wo in einem separaten Raum tausende Knöpfe unterschiedlicher Formen, Farben und Größen in verschiedenen Schubladen, alle mit sogenannten Musterknopfkarten gekennzeichnet, aufbewahrt werden. „Meine Schwester war mit Leib und Seele mit ihrem Geschäft verbunden, eine Tatsache, die ihre Kundschaft
immer zu schätzen wusste“, sagt Werner Schulte.
Stepken wurde schon in der Nachkriegszeit zur Institution, als Moers als Kreisstadt und Wirtschaftsstandort aufblühte. Den Grundstein für das Modehaus legte Hartmanns Mutter Elisabeth Schulte, geborene Stepken, bereits Ende der 1920erJahre – allerdings auf der anderen Straßenseite, Ecke Burgstraße, zur Miete, wo sich heute ein Schuhgeschäft befindet. Nach dem Krieg baute sie auf dem gegenüberliegenden Grundstück, Steinstraße 26, das Geschäftshaus.
„Das war damals ein Trümmergrundstück“, erzählt Werner Schulte über die Anfänge. „Für unsere Mutter war als junge Kriegerwitwe mit fünf Kindern der Anfang nicht einfach. Unser Vater war Chemiker und ist aus der russischen Gefangenschaft nicht zurückgekommen.“
Schwester Margret wurde im Geschäft sozusagen groß und stieg ab 1960 nach der Schule und dem Besuch der Höheren Handelsschule allmählich ein. „Nach dem Tod unserer Mutter 1985 übernahm sie die alleinige Geschäftsleitung. Sie war die Seele des Geschäftes“, so Werner Schulte.