Rheinische Post - Xanten and Moers
„Die deutsche Sprache ist die Grundlage“
Wie andere Kommunen hat Xanten in den vergangenen Jahren viele geflüchtete Menschen aufgenommen. Wie kann die Integration gelingen, welche Schwierigkeiten gibt es? Was der Arbeitskreis Asyl dazu sagt.
XANTEN Mehrere Hundert geflüchtete Menschen leben in Xanten. Das stellt sie, aber auch die Stadt und ihre Bürger vor Herausforderungen. Wohnraum muss geschaffen werden, die Menschen brauchen Arbeit – und, und, und. Unterstützt und betreut werden die Menschen von Behörden und Wohlfahrtsverbänden, aber auch vom Arbeitskreis Asyl. Es sind engagierte Ehrenamtliche, die den Flüchtlingen helfen. Mit Barbara Kleinpaß, Wolfgang Schneider und Ulli Schönhoff vom Arbeitskreis Asyl sprachen wir über die Frage, wie die Integration der geflüchteten Menschen gelingen kann.
Zurzeit leben mehr als 500 Flüchtlinge in Xanten und es werden mehr. Die Unterbringung und die Integration erfordern immer größere Anstrengungen. Was ist zu tun, um die Probleme um die Integration in den Griff zu bekommen?
BARBARA KLEINPASS Als Arbeitskreis Asyl betreuen wir geflüchtete Menschen schon seit Anfang der 90erJahre. Zunehmend seit 2015, als sehr viele Geflüchtete nach Xanten gekommen sind. Nach unserer langjährigen Erfahrung als ehrenamtliche Begleiter können wir sagen, dass bei denen, die das Glück hatten, auf Personen zu treffen, die sich mehr um sie gekümmert haben als üblich, Integration besser gelungen ist. Sie konnten sich sprachlich und kulturell oft gut in unsere Gemeinschaft einfinden. Wir machen leider inzwischen die Erfahrung, dass die Menschen in Xanten eher zurückhaltend sind, Kontakt mit geflüchteten Menschen aufzunehmen. Wir wünschen uns mehr ehrenamtliche Mitarbeit, um Integration gelingen zu lassen. WOLFGANG SCHNEIDER Der Arbeitskreis Asyl ist schon deshalb wichtig, weil er Lobby für die Geflüchteten ist. Als Bürgerinnen und Bürger von Xanten dürfen wir die Menschen, die hier eine Bleibe suchen, nicht allein der Stadt überlassen. Wir müssen auf die offenen Wunden hinsichtlich der Betreuung hinweisen und eine langfristige Planung einfordern. Es geht nicht, dass die Verwaltung ständig von den Entwicklungen überrascht wird, die auf die Stadt zukommen.
Was meinen Sie mit langfristigen Planungen?
WOLFGANG SCHNEIDER Das betrifft in jedem Fall die Unterkünfte. Es geht nicht, die Löcher bei den Unterkünften ständig mit Turnhallen zu stopfen. Wir müssen flexibler auf die Situation eingehen. Wenn wir den Informationen aus den Medien Glauben schenken dürfen, werden wir in Zukunft viel mehr Unterkünfte benötigen. Angesichts dieser Entwicklung muss neu nachgedacht werden, müssen neue Wege beschritten werden, damit eine Stadt, die sich unter anderem den Tourismus auf die Fahne geschrieben hat, mit dem Problem im guten Sinn zurechtkommt.
Wo können in Xanten denn überhaupt Unterkünfte entstehen?
ULLI SCHÖNHOFF Die Stadt macht sich aktuell wie auch in der Vergangenheit viele Gedanken darum, die Frage zu lösen. Neben den Unterkünften im öffentlichen Raum muss dem Leerstand im privaten Sektor mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Die privaten Besitzer von Wohnungen und Immobilien müssen wir aufrütteln, sich bei der Suche einzusetzen. Natürlich gibt es in dem Bereich Probleme. Beklagt wird ein zu großer bürokratischer Aufwand. Und vor allem gibt es oft unterschiedliche Einschätzungen seitens der Vermieter über die Personen, die einen öffentlichen Wohnraum nutzen dürfen, weil sie einen entsprechenden Status haben. Es sind jedoch Gespräche angestoßen, die das Problem der Bürokratie und die Frage des privaten Wohnraums für Geflüchtete zum Thema haben.
Wie reagieren die Xantener auf die Entwicklung, dass immer neue Unterbringungen
für Geflüchtete erreichtet werden, wie zum Beispiel in Lüttingen und in der Hees? BARBARA KLEINPASS Wir als Arbeitskreis erfahren wenig Skepsis oder Kritik. Unsere Arbeit wird in der Xantener Bevölkerung sehr geschätzt. Auch die Stadt sieht, was wir geleistet haben. Bei uns kommen negative Reaktionen nicht an.
WOLFGANG SCHNEIDER Es herrscht vielmehr oft die Unkenntnis über das, was auf einen zukommt. Wenn Informationen mit ausreichendem Sachverstand über notwendige Entscheidungen weitergegeben werden, trifft das häufig auf Zustimmung – wie beispielsweise in Lüttingen, wo die Bevölkerung überwiegend aufgeschlossen auf die neuen Unterkünfte reagiert hat. Zusammengefasst: Sorgen sind da, sie lassen sich aber durch die Verwaltung mit Hilfe von Ehrenamtlern und einsichtigen Mitbürgern bewältigen. Wenn man die Menschen darüber informiert, was auf sie zukommt, lassen sich die Fragen klären. Es geht darum, einzelne Fragen nicht zu unüberwindlichen Hindernissen aufzubauschen. Es zählt das Ganze.
Inwieweit führen die Flüchtlingszugänge zu einer politischen und gesellschaftlichen Polarisierung?
BARBARA KLEINPASS Wir beobachten den gesellschaftlichen Trend nach rechts auf der großen Bühne natürlich auch mit Sorge. Auf Xantener Ebene habe ich diese Polarisierung öffentlich bisher nicht deutlich wahrgenommen.
Es ist relativ ruhig. Noch ist eher eine Hilfsbereitschaft zu spüren, die Probleme zu lösen. In dem Maße aber, wo die Situation
ULLI SCHÖNHOFF
sich verschärft, schauen die Menschen, dass sie zunächst selbst klarkommen. Ehrenamtliches Engagement setzt voraus, dass man persönlich ja eine Lücke hat, wo dieses Engagement Platz hat. Durch die steigenden Anforderungen in der Flüchtlingsbetreuung wird es immer schwieriger, ehrenamtliche Kräfte zu gewinnen. Man spürt es an allen Ecken und Kanten. Es fehlen ehrenamtliche Frauen und Männer.
Wie kann denn Integration der Geflüchteten noch besser gelingen?
BARBARA KLEINPASS Die deutsche Sprache ist Grundlage zur Integration. Es werden von öffentlichen Institutionen viel zu wenig Kurse angeboten. Diese Anbieter müssen sich zusätzlich sehr spezialisieren zum Beispiel für Menschen, die in unserer Schriftsprache alphabetisiert werden müssen. Den Bewerbern, die keinen Platz bekommen haben, bieten wir eine Chance. Zurzeit haben wir etwa acht Kurse für Menschen laufen, die keinen Platz bekommen haben, weil ihr Status es ihnen nicht möglich machte, einen Integrationskurs zu besuchen oder weil sie kleine Kinder haben und sie morgens keinen Integrationskurs besuchen können. Diesen Menschen bieten wir eine Chance, die Sprache zu lernen.
So wichtig die Sprache ist, gibt es andere Faktoren, die zu einer gelungenen Integration beitragen?
BARBARA KLEINPASS Der persönliche Kontakt mit Xantener Bürgerinnen und Bürgern ist wichtig. Denn nur so gelingt es den Geflüchteten auch, in der Xantener Gesellschaft Fuß zu fassen. Zum Beispiel in einem Verein oder einer Gruppe. Oder auch nur, dass man sich unterhalten und austauschen kann. Das ist eine wichtige Sache. Wir stoßen da an Grenzen, das auf den Weg zu bringen. Dafür sind wir personell nicht hinreichend aufgestellt.
ULLI SCHÖNHOFF Es ist mehr individuelle Beratung durch Ehrenamtliche bei Behörden notwendig. Oft muss man die Personen an die Hand nehmen, damit sie ihre Termine nicht vergessen. Auch ihr privates Leben betreffend, zum Beispiel was die Suche nach einem Arbeitsplatz angeht. Denn nur, wenn man den Hintergrund kennt, beispielsweise welche Kenntnisse hat der Geflüchtete, welche Berufsausbildung und -erfahrung, möglicherweise hat er deutsche Zertifikate, kann man erfolgreich bei der Vermittlung eines Arbeitsplatzes bei einem privaten Unternehmer helfen. Die Resonanz der Unternehmer ist groß. Zum Beispiel ist das Unternehmen Verhuven sehr an neuen Mitarbeitern interessiert, es kommen auch Nachfragen aus der Gastronomie. Wir haben das Vertrauen, dass ein Bewerber passgenau auf das Unternehmen von uns ausgesucht und auch auf seine Tätigkeit vorbereitet ist.
BARBARA KLEINPASS Wohnungen, um die Frage vom Anfang noch einmal aufzugreifen, sind auch wichtig zur Integration. Denn nur wenn man eine Wohnung hat, wird man ein Gefühl von Heimat entwickeln. Erst dann werden die geflüchteten Menschen das Gefühl entwickeln, angekommen zu sein.