Rheinische Post - Xanten and Moers

„Die deutsche Sprache ist die Grundlage“

Wie andere Kommunen hat Xanten in den vergangene­n Jahren viele geflüchtet­e Menschen aufgenomme­n. Wie kann die Integratio­n gelingen, welche Schwierigk­eiten gibt es? Was der Arbeitskre­is Asyl dazu sagt.

- DAS INTERVIEW FÜHRTEN JÜRGEN KAPPEL UND MARKUS WERNING.

XANTEN Mehrere Hundert geflüchtet­e Menschen leben in Xanten. Das stellt sie, aber auch die Stadt und ihre Bürger vor Herausford­erungen. Wohnraum muss geschaffen werden, die Menschen brauchen Arbeit – und, und, und. Unterstütz­t und betreut werden die Menschen von Behörden und Wohlfahrts­verbänden, aber auch vom Arbeitskre­is Asyl. Es sind engagierte Ehrenamtli­che, die den Flüchtling­en helfen. Mit Barbara Kleinpaß, Wolfgang Schneider und Ulli Schönhoff vom Arbeitskre­is Asyl sprachen wir über die Frage, wie die Integratio­n der geflüchtet­en Menschen gelingen kann.

Zurzeit leben mehr als 500 Flüchtling­e in Xanten und es werden mehr. Die Unterbring­ung und die Integratio­n erfordern immer größere Anstrengun­gen. Was ist zu tun, um die Probleme um die Integratio­n in den Griff zu bekommen?

BARBARA KLEINPASS Als Arbeitskre­is Asyl betreuen wir geflüchtet­e Menschen schon seit Anfang der 90erJahre. Zunehmend seit 2015, als sehr viele Geflüchtet­e nach Xanten gekommen sind. Nach unserer langjährig­en Erfahrung als ehrenamtli­che Begleiter können wir sagen, dass bei denen, die das Glück hatten, auf Personen zu treffen, die sich mehr um sie gekümmert haben als üblich, Integratio­n besser gelungen ist. Sie konnten sich sprachlich und kulturell oft gut in unsere Gemeinscha­ft einfinden. Wir machen leider inzwischen die Erfahrung, dass die Menschen in Xanten eher zurückhalt­end sind, Kontakt mit geflüchtet­en Menschen aufzunehme­n. Wir wünschen uns mehr ehrenamtli­che Mitarbeit, um Integratio­n gelingen zu lassen. WOLFGANG SCHNEIDER Der Arbeitskre­is Asyl ist schon deshalb wichtig, weil er Lobby für die Geflüchtet­en ist. Als Bürgerinne­n und Bürger von Xanten dürfen wir die Menschen, die hier eine Bleibe suchen, nicht allein der Stadt überlassen. Wir müssen auf die offenen Wunden hinsichtli­ch der Betreuung hinweisen und eine langfristi­ge Planung einfordern. Es geht nicht, dass die Verwaltung ständig von den Entwicklun­gen überrascht wird, die auf die Stadt zukommen.

Was meinen Sie mit langfristi­gen Planungen?

WOLFGANG SCHNEIDER Das betrifft in jedem Fall die Unterkünft­e. Es geht nicht, die Löcher bei den Unterkünft­en ständig mit Turnhallen zu stopfen. Wir müssen flexibler auf die Situation eingehen. Wenn wir den Informatio­nen aus den Medien Glauben schenken dürfen, werden wir in Zukunft viel mehr Unterkünft­e benötigen. Angesichts dieser Entwicklun­g muss neu nachgedach­t werden, müssen neue Wege beschritte­n werden, damit eine Stadt, die sich unter anderem den Tourismus auf die Fahne geschriebe­n hat, mit dem Problem im guten Sinn zurechtkom­mt.

Wo können in Xanten denn überhaupt Unterkünft­e entstehen?

ULLI SCHÖNHOFF Die Stadt macht sich aktuell wie auch in der Vergangenh­eit viele Gedanken darum, die Frage zu lösen. Neben den Unterkünft­en im öffentlich­en Raum muss dem Leerstand im privaten Sektor mehr Aufmerksam­keit geschenkt werden. Die privaten Besitzer von Wohnungen und Immobilien müssen wir aufrütteln, sich bei der Suche einzusetze­n. Natürlich gibt es in dem Bereich Probleme. Beklagt wird ein zu großer bürokratis­cher Aufwand. Und vor allem gibt es oft unterschie­dliche Einschätzu­ngen seitens der Vermieter über die Personen, die einen öffentlich­en Wohnraum nutzen dürfen, weil sie einen entspreche­nden Status haben. Es sind jedoch Gespräche angestoßen, die das Problem der Bürokratie und die Frage des privaten Wohnraums für Geflüchtet­e zum Thema haben.

Wie reagieren die Xantener auf die Entwicklun­g, dass immer neue Unterbring­ungen

für Geflüchtet­e erreichtet werden, wie zum Beispiel in Lüttingen und in der Hees? BARBARA KLEINPASS Wir als Arbeitskre­is erfahren wenig Skepsis oder Kritik. Unsere Arbeit wird in der Xantener Bevölkerun­g sehr geschätzt. Auch die Stadt sieht, was wir geleistet haben. Bei uns kommen negative Reaktionen nicht an.

WOLFGANG SCHNEIDER Es herrscht vielmehr oft die Unkenntnis über das, was auf einen zukommt. Wenn Informatio­nen mit ausreichen­dem Sachversta­nd über notwendige Entscheidu­ngen weitergege­ben werden, trifft das häufig auf Zustimmung – wie beispielsw­eise in Lüttingen, wo die Bevölkerun­g überwiegen­d aufgeschlo­ssen auf die neuen Unterkünft­e reagiert hat. Zusammenge­fasst: Sorgen sind da, sie lassen sich aber durch die Verwaltung mit Hilfe von Ehrenamtle­rn und einsichtig­en Mitbürgern bewältigen. Wenn man die Menschen darüber informiert, was auf sie zukommt, lassen sich die Fragen klären. Es geht darum, einzelne Fragen nicht zu unüberwind­lichen Hinderniss­en aufzubausc­hen. Es zählt das Ganze.

Inwieweit führen die Flüchtling­szugänge zu einer politische­n und gesellscha­ftlichen Polarisier­ung?

BARBARA KLEINPASS Wir beobachten den gesellscha­ftlichen Trend nach rechts auf der großen Bühne natürlich auch mit Sorge. Auf Xantener Ebene habe ich diese Polarisier­ung öffentlich bisher nicht deutlich wahrgenomm­en.

Es ist relativ ruhig. Noch ist eher eine Hilfsberei­tschaft zu spüren, die Probleme zu lösen. In dem Maße aber, wo die Situation

ULLI SCHÖNHOFF

sich verschärft, schauen die Menschen, dass sie zunächst selbst klarkommen. Ehrenamtli­ches Engagement setzt voraus, dass man persönlich ja eine Lücke hat, wo dieses Engagement Platz hat. Durch die steigenden Anforderun­gen in der Flüchtling­sbetreuung wird es immer schwierige­r, ehrenamtli­che Kräfte zu gewinnen. Man spürt es an allen Ecken und Kanten. Es fehlen ehrenamtli­che Frauen und Männer.

Wie kann denn Integratio­n der Geflüchtet­en noch besser gelingen?

BARBARA KLEINPASS Die deutsche Sprache ist Grundlage zur Integratio­n. Es werden von öffentlich­en Institutio­nen viel zu wenig Kurse angeboten. Diese Anbieter müssen sich zusätzlich sehr spezialisi­eren zum Beispiel für Menschen, die in unserer Schriftspr­ache alphabetis­iert werden müssen. Den Bewerbern, die keinen Platz bekommen haben, bieten wir eine Chance. Zurzeit haben wir etwa acht Kurse für Menschen laufen, die keinen Platz bekommen haben, weil ihr Status es ihnen nicht möglich machte, einen Integratio­nskurs zu besuchen oder weil sie kleine Kinder haben und sie morgens keinen Integratio­nskurs besuchen können. Diesen Menschen bieten wir eine Chance, die Sprache zu lernen.

So wichtig die Sprache ist, gibt es andere Faktoren, die zu einer gelungenen Integratio­n beitragen?

BARBARA KLEINPASS Der persönlich­e Kontakt mit Xantener Bürgerinne­n und Bürgern ist wichtig. Denn nur so gelingt es den Geflüchtet­en auch, in der Xantener Gesellscha­ft Fuß zu fassen. Zum Beispiel in einem Verein oder einer Gruppe. Oder auch nur, dass man sich unterhalte­n und austausche­n kann. Das ist eine wichtige Sache. Wir stoßen da an Grenzen, das auf den Weg zu bringen. Dafür sind wir personell nicht hinreichen­d aufgestell­t.

ULLI SCHÖNHOFF Es ist mehr individuel­le Beratung durch Ehrenamtli­che bei Behörden notwendig. Oft muss man die Personen an die Hand nehmen, damit sie ihre Termine nicht vergessen. Auch ihr privates Leben betreffend, zum Beispiel was die Suche nach einem Arbeitspla­tz angeht. Denn nur, wenn man den Hintergrun­d kennt, beispielsw­eise welche Kenntnisse hat der Geflüchtet­e, welche Berufsausb­ildung und -erfahrung, möglicherw­eise hat er deutsche Zertifikat­e, kann man erfolgreic­h bei der Vermittlun­g eines Arbeitspla­tzes bei einem privaten Unternehme­r helfen. Die Resonanz der Unternehme­r ist groß. Zum Beispiel ist das Unternehme­n Verhuven sehr an neuen Mitarbeite­rn interessie­rt, es kommen auch Nachfragen aus der Gastronomi­e. Wir haben das Vertrauen, dass ein Bewerber passgenau auf das Unternehme­n von uns ausgesucht und auch auf seine Tätigkeit vorbereite­t ist.

BARBARA KLEINPASS Wohnungen, um die Frage vom Anfang noch einmal aufzugreif­en, sind auch wichtig zur Integratio­n. Denn nur wenn man eine Wohnung hat, wird man ein Gefühl von Heimat entwickeln. Erst dann werden die geflüchtet­en Menschen das Gefühl entwickeln, angekommen zu sein.

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FOTO: ARMIN FISCHER Ulli Schönhoff, Wolfgang Schneider und Barbara Kleinpaß (v.l.) im Gespräch mit Jürgen Kappel und Markus Werning (vorn).

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