Rheinische Post - Xanten and Moers

Weltstars im Pott

Der neue Ruhrtrienn­ale-Chef Ivo Van Hove bringt Sandra Hüller und Isabelle Huppert, Musik von Herbert Grönemeyer und Inszenieru­ngen von Castellucc­i und Serebrenni­kov.

- VON MAX FLORIAN KÜHLEM

Beim Kulturfest­ival Ruhrtrienn­ale ist etwas Erstaunlic­hes passiert: Der belgische Regisseur Ivo van Hove wirkt von der ersten Sekunde an, in der er sein erstes Saisonprog­ramm vorstellt, wie die bestmöglic­he Besetzung für die Rolle des neuen Intendante­n. „Ich habe eine starke Verbindung zum Festival seit den Anfängen mit Gerard Mortier“, sagt er. Sein erstes Programm, das er in einem kürzeren Zeitraum als sonst in nur drei Ruhrgebiet­sstädten verdichtet – vom 16. August bis 15. September in Bochum, Essen und Duisburg – liest sich grandios: einerseits wie eine eigene, sehr internatio­nale Handschrif­t mit neuen Ansätzen und großen Namen, anderersei­ts aber auch wie ein Bestof der Vorjahre. Hier ein Überblick über die wichtigste­n Produktion­en.

Eröffnung Schon die Eröffnung, die van Hove selbst inszeniert, hat das Potenzial zu einer Sensation. In der Uraufführu­ng „I Want Absolute Beauty“bringt er den britischen Popstar PJ Harvey mit Oscar-Gewinnerin Sandra Hüller zusammen. PJ Harvey ist zwar nicht direkt beteiligt, aber es ist eine Auswahl ihrer Songs, mit deren Hilfe Sandra Hüller und die französisc­hen Tänzer von (La) Horde, die schon für Madonna choreograf­iert haben, die Geschichte

einer Frau, ihres Wegs und ihrer Entscheidu­ngen erzählen. Die Zuschauer folgen den Versuchen der Protagonis­tin, sich selbst zu verwirklic­hen und soziale Rollen und Erwartunge­n zu überschrei­ten. In jeder Begegnung, jeder Beziehung, jeder Stadt erfindet sie sich neu. Van Hove zeigt mit dieser Produktion, dass er offen für populäre Genres und Grenzgänge ist.

Musiktheat­er

Herz des Festivals ist und bleibt das Musiktheat­er. Noch am Eröffnungs­wochenende gibt es als Deutsche Erstauffüh­rung „The Faggots and Their Friends Between Revolution­s“zu erleben, ein wildes Musikspekt­akel, das Philip Venables und Ted Huffman auf der Grundlage von Larry Mitchells Kultroman aus den späten 1970er-Jahren geschaffen haben.

Ein verrückter Höhepunkt in diesem Genre wird aber sicher das als Slapstick-Operetten-Musical bezeichnet­e „Pferd frisst Hut“, für das zwei berühmte Herberts zusammenar­beiteten: Theatermac­her Herbert Fritsch und Musiker Herbert Grönemeyer, der 16 neue Titel dafür schrieb. Ursprüngli­ch mal als Produktion für das Schauspiel­haus Bochum geplant, kam das Projekt – warum auch immer – dann am Theater Basel zustande und feiert jetzt seine deutsche Erstauffüh­rung im Landschaft­spark Duisburg-Nord.

Schauspiel Ja, wirklich: Isabelle Huppert kommt ins Ruhrgebiet. Frei inspiriert von Jean Racines „Bérénice“bringt Regiestar Romeo Castellucc­i eine Adaption dieser klassische­n Tragödie in Form eines Monologs mit der internatio­nalen Schauspiel­ikone in den Landschaft­spark Duisburg-Nord. Begleitet wird sie beim Spiel um die Liebe als Theater der Grausamkei­t auf der Bühne nur von zwei Tänzern und Statisten.

Sergey Paradjanov, ein sowjetisch­er Filmregiss­eur armenische­r Herkunft, ist im Westen nahezu unbekannt. Popstars wie Lady Gaga allerdings verehren sein avantgardi­stisches Werk. „Er hat uns gezeigt, wie vielfältig die Kaukasus-Region ist, uns die Kulturen Aserbaidsc­hans und Armeniens näher gebracht“, sagt van Hove. Mit dem Stück „Legende“ehrt ihn nun der bekannte Regisseur Kirill Serebrenni­kov, der auch die aufwendige Gestaltung von Bühne und Kostümen übernimmt.

Tanz Besucher früherer Ruhrtrienn­alen werden sich freuen: Anne Teresa De Keersmaeke­r ist wieder dabei und choreograf­iert das Stück „Y“im Folkwang-Museum Essen als Uraufführu­ng und lässt sich dafür von Kunstwerke­n aus der Sammlung inspiriere­n. Um den Umgang mit der Natur geht es im Stück „Futur Proche“, das der Choreograf Jan Martens mit dem Opera Ballet Vlaanderen und einer Cembalisti­n umsetzt.

Konzert Auch im Konzertpro­gramm wird die Ruhrtrienn­ale reicher bestückt als noch in den Vorjahren: Mit Nils Frahm kommt am 30. August ein Star der beliebten Neoklassik, also des minimalist­ischen, popaffinen Klavierspi­els, in den Landschaft­spark Duisburg-Nord und nennt sein Programm „Music for Ruhr“. Am 7. September ist am selben Ort dann die ukrainisch­e Rapperin Alyona Alyona zu Gast, die von Fans wie Experten als „Naturgewal­t auf der Bühne“beschriebe­n wird.

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FOTO: CHRIS PIZZELLO/DPA Sandra Hüller wirkt bei der Ruhrtrienn­ale schon in der Eröffnungs­produktion mit.

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