Rheinische Post - Xanten and Moers
48 Stunden lang leben wie ein Vasall
Gut zwei Wochen nach dem Brand konnten am Wochenende die Ritterspiele auf Schloss Lauersfort stattfinden. Das Programm umfasste Handwerkskunst und Gauklerdarbietungen. Was die Gäste mit der Zeit verbinden.
Ritter hoch zu Ross, bärtige Mönche in filzigen Kutten und edle Frauen mit dekorativen Zopffrisuren – das alles gehört zum Mittelalterspektakel, das am 27. und 28. April auf dem Lauersforter Schlossgelände in Moers-Kapellen stattfand. Bei glücklicherweise wenig regnerischem Wetter lockte das Ereignis an beiden Tagen zahlreiche Besucher an. Bereits zum Start am Samstag um elf Uhr bildeten sich an der Kasse am Eingang die ersten Schlangen. Wenig später stellten
„Wir haben hier weder Strom noch fließendes Wasser. Aber genau das entschleunigt uns“Kati Thüringer Moerser Mittelalterverein
sich alle für das Gelingen des Festes zuständigen Akteure ihrem Publikum mit einem sogenannten „Morgengeplänkel“vor. Das war der Auftakt zu einem an beiden Tagen dargebotenen Programm aus mittelalterlicher Handwerkskunst, Musik, Ritterspielen und Gauklerdarbietungen.
Natürlich gab es auch viele kulinarische Genüsse der damaligen Zeit, die nichts zu wünschen übrig ließen. „Ich gehe – so oft ich kann – zu solchen mittelalterlichen Festen“, erklärte ein Besucher. Er war am Samstag gerade dabei, an einem der textilen Verkaufsstände eine braune Mönchskutte zu erstehen, um, wie er erklärte, damit „das Vergnügen zu erleben, sich, wenn auch nur kurzzeitig, von einem ganz normalen Westeuropäer in einen mittelalterlichen Kirchenmann zu verwandeln“.
Ein anderer Besucher bevorzugte dagegen eher die Rolle eines düsteren Meuchelmörders, der früher oft nicht nur von weltlichen Fürsten angeheuert wurde. „Das waren damals oft Lepra-Kranke, die sowieso nichts mehr zu verlieren hatten“, erklärte er sachkundig. Mit seiner schwarzen Lederkluft, seinem gewaltigen Bart und seinen stahlblau glitzernden
Kontaktlinsen wirkte er allerdings alles andere als leprakrank, sondern eher etwas beängstigend. Ähnlich wirkte auch seine mit einem buntgeschmückten Totenkopfstab als Hexe auftretende „Clan-Gefährtin“, was offenbar auch ihre Absicht war. „Manchmal hake ich mich von hinten bei den männlichen Besuchern ein und genieße die erschrockenen Gesichter ihrer Frauen“, berichtete sie lächelnd.
Weniger als Hexe, denn als Zauberin sah sich dagegen die sechsjährige Fia. Ihr Vater hatte an einem der zahlreichen Verkaufsstände, die es an diesem Wochenende gab, eine kleine, tönerne Flöte für sie erstanden, mit der sie Vogelstimmen nachahmen konnte. Ihr zwei Jahre jüngerer Bruder Luka wollte dagegen
lieber ein Ritter sein und versuchte sich dazu an einem anderen Verkaufsstand als Schütze an einer kindersicheren Armbrust.
Mit einer Armbrust zu schießen, war nicht die einzige Fähigkeit, die ein Ritter in der damaligen Zeit beherrschen musste, wie Luka wenig später auf der großen Wiese hinter dem Schloss erfahren konnte. Hier maßen sich vier Reiterinnen und Reiter vor einem begeisterten Publikum in allerlei mittelalterlichen Geschicklichkeitsspielen. Dabei galt es zum Beispiel im Galopp mit einer Lanze einen auf der Erde liegenden Krug aufzuheben oder eine behelmte Ritterattrappe so gewaltig anzustoßen, dass sie sich möglichst oft um ihren Stellstab drehte.
Zuvor hatten auf der anderen
Seite des Schlosses zwei von einer neugierigen Menschenmenge umringten Gaukler ihre FeuerschluckKünste gezeigt, und im weiteren Verlauf des Nachmittags sorgten die Spielleute „Seinerzeit“und „Sandsack“auf einer kleinen Bühne links neben dem Schloss für musikalische Unterhaltung. Dazu gab es für diejenigen, die ihre Kehlen zum Mitsingen ölen wollten, gleich nebenan irisches Guinness, Honig- oder Kirschbier zu trinken.
Für alle, die am Samstag bis zum Einbruch der Dunkelheit geblieben oder dann erst gekommen waren, endete der Markt schließlich ab 20.45 Uhr mit einer feurigen Reitshow im Schlosshof. Besonders sehenswert waren neben dem Markttreiben und den diversen Showeinlagen jedoch die an beiden Tagen vor und hinter dem Schloss zeltenden Mittelalter-Vereine und -Gruppen. Sie zelebrierten dort an offenen Feuern für alle Besucher sichtbar das mittelalterliche Alltagsleben. „Uns ist sehr wohl klar, dass das damals kein einfaches Leben war“, erklärte Kati Thüringer vom Moerser Mittelalterverein „Rheinische Rotte“. Wir haben hier weder Strom noch fließendes Wasser. Aber genau das entschleunigt uns.“