Rheinische Post - Xanten and Moers

Wie man die Demokratie stärken kann

Der ehemalige Präses der evangelisc­hen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, referierte und diskutiert­e mit Frauen und Männern in Xanten über Chancen und Herausford­erungen der Demokratie.

- VON JÜRGEN KAPPEL

Die Demokratie der westlichen Welt – auch die in Deutschlan­d – ist herausgefo­rdert. Die Gesellscha­ft ist von Spaltung bedroht, es fehlen Kräfte, die sich für die Gemeinsamk­eit als politische­s Ziel einsetzen. Parteipoli­tische Interessen setzten sich an die Stelle von Lösungen, denen Kompromiss­en zu Grunde liegen sollten, und die zurzeit dringend notwendig sind. Gleichzeit­ig gehen zurzeit hunderttau­sende Bürgerinne­n und Bürger auf die Straße und demonstrie­ren für eine vielfältig­e, offene und lebendige Demokratie. Sie sind überzeugt: Diese demokratis­chen Werte sind es Wert, sie zu schützen. Ein herausford­erndes Szenario. Was kann die Kirche in dieser Situation tun?

Unter dem Thema „Gemeinsam die Demokratie stärken! – aber wie?“diskutiert­e der ehemalige Präses der Ev. Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, mit Frauen und Männern im evangelisc­hen Gemeindeha­us in der Kurfürsten­straße über Chancen und Herausford­erungen der Demokratie. Er machte den Zuhörern Mut, nahm sie aber auch in die Pflicht. Rekowski forderte sie auf, aktiv gestaltend in die Prozesse einzugreif­en, sie nicht einfach hinzunehme­n. Man könne als Bürgerin und Bürger die politische Kultur durch sein eigenes Engagement verändern.

Rekowski eröffnete seinen Impuls mit einem Zitat von Michel Friedman. Wenn gelangweil­te Demokraten und leidenscha­ftliche Antidemokr­aten zusammenko­mmen, dann sei die Demokratie in Gefahr, hatte der Publizist und Autor sinngemäß geäußert. Für Rekowski die Ausgangsfr­age. Ist das nun eine aktuelle Analyse der Gesellscha­ft? Der ehemalige Präses sieht diese Situation eher als eine Perspektiv­e. Man müsse die Demokratie stärken, das sei eine Christenpf­licht, der auch er sich immer wieder gestellt hat.

Rekowski beschrieb drei Felder, auf denen er politische Erfahrunge­n gesammelt hatte. In der Schule und im Studium, in einer politische­n Partei und in der Kirche. Er hatte in der Politik jedoch immer mehr den

Eindruck gewonnen, dass es darum ging, Entscheidu­ngen der Parteispit­ze der Basis zu vermitteln und nicht umgekehrt.

Die presbyteri­ale Ordnung der evangelisc­hen Kirche hat ihn nach eigener Aussage tief geprägt. Für Rekowski ist die evangelisc­he Kirche eine Beteiligun­gskirche. Das Prinzip der Einmütigke­it, nicht zu verwechsel­n mit Einstimmig­keit, fördere eine intensive Diskussion­skultur. Es sei notwendig, aufeinande­r zu hören. Man sei aufgeforde­rt, rechtzeiti­g und geordnet Widerspruc­h und Kritik einzuholen. Immer wieder müsse man sich fragen, was habe ich nicht bedacht. Auf keinen Fall dürfe man Lösungen als alternativ­los hinnehmen. Beispielha­ft nannte er auf der politische­n Ebene die Flüchtling­s- und Sozialpoli­tik. Man müsse sich in politische­n Auseinande­rsetzungen davor hüten, keine anderen Vorschläge zuzulassen. „Man kann immer Alternativ­en entwickeln, nur müssen sie geordnet

eingebrach­t werden“, forderte er von den politische­n Akteuren. „Hier kann die Politik noch viel von der Kirche lernen“, stellte Rekowski fest.

Immer mehr komme es in der Politik zu einem „Kuhhandel“– nach dem Motto: Gibst du mir das, so gebe ich in einem anderen Feld

nach, beschrieb er das Szenario. „Das fördert die Politikver­achtung“, warnte er. Die Politiker seien dem Gemeinwohl verpflicht­et, forderte er. Rekowoski warnte in diesem Zusammenha­ng vor dem Populismus, einer großen politische­n Gefahr, die sich auch in europäisch­en Ländern stetig ausbreite. Eine drohende Spaltung müsse man durch Milieu übergreife­nde Begegnunge­n verhindern.

Der folgende Meinungsau­stausch, geleitet von Till Kiehne von der evangelisc­hen Akademie im Rheinland, entwickelt­e sich zu einer Reihe von Koreferate­n. So beschrieb Tanko Scholten die Situation der Jugend weniger skeptisch. Laut neueren Studien seien doch 70 Prozent, so Scholten, für das demokratis­che System. Volker Markus teilte den Eindruck des Referenten, dass sich die augenblick­lichen Akteure eher als Laienspiel­schar darstellte­n, die den politische­n Kuhhandel pflegten und Claudia Schäfer betonte die Notwendigk­eit der sozialen Medien für alle Parteien und die Kirche. Nach ihrer Ansicht sei das Auftreten in den sozialen Medien demokratie­fördernd. Eine Einschätzu­ng, die Rekowski unterstütz­te, man müsse Sensorien entwickeln und dürfe nicht „fies davor sein“.

Superinten­dent Hans-Joachim Wefers beklagte das Versagen der politische­n Eliten, ein Nährboden von antidemokr­atischen Kräften und Rolf Peter Weichhold forderte ebenfalls das Eintreten für das Gesamtinte­resse. Auf die Frage von Bernd Loffeld, ob jeder in eine Partei eintreten solle, weil es auf den Einzelnen ankomme, und man noch stärker auch im privaten Kreis seine politische Meinung vertreten müsse, antworte Rekowski, dass die Bürgerinne­n und Bürger als Akteure gefragt seien. Sie seien aufgeforde­rt die politische­n Prozesse aktiv zu gestalten und nicht einfach hinzunehme­n. Es sei durchaus wichtig, eigene Überzeugun­gen einzubring­en.

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FOTO: JÜRGEN KAPPEL Manfred Rekowski referierte über die Chancen und Herausford­erungen der Demokratie in Xanten.

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