Rheinische Post - Xanten and Moers
Nerven behalten
Religion heißt „Rückbindung“, sich rückbinden braucht einen Anker zum Rückbinden. Gibt es einen religiösen Nerv zum Rückbinden, der immer dann anspringt, wenn wir nach festem Halt für unser Leben fragen? Ich denke, es ist in uns angelegt, dass wir uns gern an Menschen mit „guten Nerven“orientieren. Denn sie bringt nichts so schnell aus der Ruhe, sie behalten den Überblick und geben in unsicheren Zeiten Rückhalt und Sicherheit.
Das können Eltern und Geschwister sein, Lehrer und Lehrerinnen, Großeltern, Ausbilder und mehr. Sie alle prägen uns, dass wir die Nerven behalten.
Allerdings beobachte ich in meinem engeren und weiteren Umfeld, dass viele, zu viele keine Nerven mehr haben. Von einer Sekunde zu anderen kippt die Stimmung, und es wird nach Herzenslust herum krakelt und gepöbelt, was das Zeug hält. Bei der Parkplatzsuche oder in der Verkaufsschlange fängt es an, und hört in der politischen Auseinandersetzung nicht auf. Wenn nur das eigene Ich zählt, scheint jede Grenzüberschreitung möglich.
Es ist schwer, sich diesem alltäglichen Phänomen zu stellen. Denn der Brutale scheint der Stärkere zu sein. Aber dann springt mein religiöser Nerv an und befragt mich nach meinem Mut, destruktivem Verhalten Einhalt zu gebieten. Die Stimme muss fest werden, die Körpersprache eindeutig. Was respektvoll ist, muss herausgestellt werden. Was egoistisch ist, darf nicht gewinnen.
So bin ich christlich erzogen worden, und das behalte ich bei. Denn in mir klingen Worte nach wie: „Ich habe Dich je und je geliebt, darum habe ich Dich zu mir gezogen aus lauter Güte.“( Jer. 31,3). Wer das für sich gehört hat, lebt anders.