Rheinische Post - Xanten and Moers
Kommando Vorfreude
Während Kiel nach dem 1:1 gegen Fortuna den ersten Bundesliga-Aufstieg feiert, sind die Mienen der Düsseldorfer betreten. Nur einer blickt schon zuversichtlich Richtung Relegation.
Im Holstein-Stadion und in dessen naher Umgebung ist die Hölle los. Feiernde Kiel-Fans bevölkern gemeinsam mit ihrer Mannschaft den Rasen, immer wieder steigen Feuerwerksraketen in den schleswig-holsteinischen Nachthimmel auf, und an jeder Ecke läuft die Vereinshymne der „Störche“. Währenddessen verschwindet der Mannschaftsbus von Fortuna ziemlich genau eine Stunde nach dem Abpfiff heimlich, still, leise und voller enttäuschter Gesichter aus dem Herzen der blau-weiß-roten Party. Der Frust sitzt tief nach dem 1:1 bei den Norddeutschen, das die Hausherren in die Bundesliga gebracht und den Rheinländern ihren Traum vom direkten Aufstieg zerstört hat.
Nur ein Protagonist des Tabellendritten fällt aus diesem Muster heraus: Trainer Daniel Thioune. Der 49-Jährige hockt auf der Lehne eines falsch herum stehenden Stuhles und macht alles, nur kein betretenes Gesicht. „Wir waren beim Tabellenführer zu Gast, und tendenziell sah es eher bei uns so aus, als würden wir ganz oben stehen“, sagt der Coach und ergänzt: „Trotzdem mein Glückwunsch an Holstein Kiel. Der Aufstieg ist mehr als verdient, sie haben eine wunderbare Saison gespielt, auch wenn sie mit dem Unentschieden gegen uns glücklich bedient sind.“
Nicht nur, weil die „Störche“lediglich zwei tatsächliche Torchancen besessen und die erste davon schon nach zwei Minuten genutzt haben, sondern auch, weil Schiedsrichter Sven Jablonski den Düsseldorfern vier Zeigerumdrehungen später einen klaren Handelfmeter verweigert und Patrick Erras nicht die eigentlich zwingende Rote Karte gezeigt
hat. „Man konnte sehen“, betont Thioune, „dass meine Mannschaft dieses Spiel mit aller Macht drehen und gewinnen wollte. Das einzige, was gefehlt hat, war Präzision in unseren Abschlüssen.“
Allein Christos Tzolis ist es in der zweiten Hälfte gelungen, den Ball im Kieler Tor unterzubringen; diesmal
tatsächlich per Strafstoß, den Jablonski jedoch erst nach neuerlichem Videostudium des klaren Fouls an Jona Niemiec gegeben hat. „Wenn man so viele Standardsituationen bekommt wie wir, dann weiß man, dass relativ viel davon rausgeköpft wird“, analysiert Thioune auf der Rückenlehne des Stuhls. „Dann muss man vielleicht ein bisschen kreativer sein, andere Räume bespielen und eine Ecke vielleicht auch mal kurz ausführen. Es war trotzdem ein unfassbar gutes Spiel von uns. Wir haben beim Tabellenführer gespielt – und nur wir haben gespielt, das hat wohl jeder gesehen.“
Den verdienten Ertrag in Form eines Sieges bringt Fortuna ihre starke Leistung dennoch nicht ein, sodass sie vom Partycrasher zum ungewollten Gast der historischen Kieler Aufstiegsfeier wird und den Weg über die Relegation gehen muss, um den „Störchen“ins Oberhaus des deutschen Fußballs zu folgen. Für Thioune ist das in all seiner Gelassenheit jedoch kein Problem. „Wir haben jetzt zwei Bonusspiele, und wenn sich einer richtig darauf freut, dann bin ich das“, sagt der Trainer. „Das ist dann die richtige Crunchtime, und die haben wir uns verdient und erarbeitet.“
Besonders wegen der eindrucksvollen Serie, die Thioune und seine Schützlinge nach der konfusen 3:4-Niederlage beim SC Paderborn vor vielen Monaten gestartet haben: Keines der 13 zurückliegenden Ligaspiele haben die Düsseldorfer verloren, das Remis in Kiel schon inbegriffen. Die Partie am letzten Spieltag gegen den 1. FC Magdeburg (Sonntag, 15.30 Uhr, Arena) kann Fortuna nun als Vorlauf für die Relegation nutzen, in der wahrscheinlich entweder der FSV Mainz 05 oder Union Berlin warten.
Das alles ist durchaus eine beachtliche Leistung, die Fortuna im Vorfeld der Saison und auch noch zu Beginn der Rückrunde nur wenige Beobachter zugetraut haben. Und trotzdem kann Thioune in der Nacht von Samstag auf Sonntag den Frust seiner Mannschaft verstehen, selbst wenn seine Gemütslage anders aussieht. „Die Jungs sind enttäuscht. Sie sind angetreten, um am nächsten Wochenende ein Endspiel zu haben“, sagt er mit Blick auf die dramatische Fernduell-Konstellation, zu der ein rot-weißer Sieg im Holstein-Stadion geführt hätte.
Ansonsten will der Trainer nicht zu viele negative Emotionen zulassen. „Wir haben eine unfassbar gute Saison gespielt, es gibt jetzt gar nichts mehr zu verlieren“, betont er. „Und außer des Ergebnisses sowie der zwei Minuten zu Spielbeginn gibt es auch nichts Negatives aus Kiel mitzunehmen.“In der Tat, denn wenn sich Fortuna ihre Stabilität und Formstärke bewahrt, muss ihr vor der Relegation nicht angst und bange sein.