Rheinische Post - Xanten and Moers
Brügge sehen und staunen
In der belgischen Stadt bereichert die Triennale mit Kunst das Unesco-Weltkulturerbe. Die nahe Küste lädt zur Strandpartie mit Ausstellungsstücken im öffentlichen Raum.
Brügge sehen … und sterben?“Der Kultfilm von Martin McDonagh führt auf die falsche Fährte, wenn man einen zutreffenden Eindruck von der belgischen Stadt gewinnen will. Hier herrscht reinste Mittelalter-Idylle. Um dem allzu musealen UnescoWeltkulturerbe eine zeitgenössische Kreativspritze zu verpassen, hat die vierte Ausgabe der Triennale Brügge Künstler und Architekten eingeladen, ortsbezogene Projekte zu realisieren. „Spaces of Possibility“lautet das Motto, das die beiden Kuratorinnen Shendy Gardin und Sevie Tsampalla der bis 1. September laufenden Open-Air-Ausstellung mit auf den Weg gegeben haben. Nichts ist unmöglich – der Slogan beschreibt die Philosophie dieser Triennale, an der einfallsreiche Köpfe aus zehn Ländern mitwirken.
Wie Kunst unsere Seh- und Denkgewohnheiten spielerisch auf den Kopf zu stellen vermag, das macht die Triennale-Installation von Mona Hatoum vor: Im Garten der psychiatrischen Klinik Onzelievevrouw legte die in London lebende libanesische Künstlerin eine Untergrundpassage frei. Schwarze Steine, eingefasst von Metallgittern, kennzeichnen den Ort und führen zu einer schmalen Treppe. Überraschung: Dort erwartet uns eine Schaukel. Doch sie ist
eingeklemmt in den Kellerkorridor, da vergeht einem die Lust auf spielerisches Hin- und Herschwingen. Hatoums Installation „Full Swing“variiert ein Leitmotiv der Künstlerin, die sich wiederholt mit Systemen der Disziplinierung und Kontrolle auseinandergesetzt hat.
Architekturbezogene Interventionen wie jene von Mona Hatoum drücken der Triennale Brügge ihren Stempel auf. Am deutlichsten sichtbar wird das bei dem „Tower of Balance“, den das Bangkok Project Studio in der Nähe des König-Albert-I.-Parks errichtet hat. Seinen aus Holz gezimmerten Glockenturm versteht das Architekturbüro aus Thailand als Hommage an Brügges Belfried – den mittelalterlichen Turm. Zur Architektenzunft zählen auch Shingo Masuda und Katsuhisa Otsubo. Ihr Büro, beheimatet in Tokio, hält es mit „Ockhams Rasiermesser“: Höchstmögliche Sparsamkeit ist Trumpf bei ihren Projekten, deren Ausgangsfrage stets lautet: „Is it truly necessary?“
Léone Drapeaud, Manuel León Fanjul und Johnny Leyadas vom belgischen Architekturtrio Traumnovelle haben den Innenhof der Stadshallen aus dem 13. Jahrhundert mit einem umlaufenden Baugerüst versehen. Die Planen, die ihre Installation „Joyful Apocalypse“umspielen, lassen an Christos Verhüllungsaktionen denken, geben
dieser Bühne, auf der das Publikum zuschauen und selbst agieren kann, aber auch etwas Provisorisches.
Bevorzugte Tatorte der Triennale-Teilnehmer sind die Parks und Gärten der Stadt. Im Garten des ehemaligen Kapuzinerklosters haben Florian Isenburg und Jing Liu vom New Yorker Architekturbüro So-Il die Wege mit einem eleganten Hightech-Gewebe überspannt. Derweil gibt Mariana Castillo Deball im Professor-Dr.-J.-Sebrechts-Park eine Kostprobe des erweiterten Skulpturenbegriffs, dem Joseph Beuys einst zum Durchbruch verhalf. Wie Beuys ist auch die in Berlin lebende mexikanische Künstlerin ein Bienenfan: Für ihr Bienenstock-Plateau holte Deball Imker aus Brügge an Bord.
Wenn „Firesong for the bees, a tree of clay“nach dem Ende der Triennale abgebaut wird, gelangen die Stöcke in ihre Obhut.
Wenn man das Zentrum Brügges verlässt, empfiehlt sich ein Abstecher in den nördlich gelegenen Ortsteil Zeebrugge am Meer zur Beaufort 24, einer weiteren Triennale, die parallel präsentiert wird und die gesamte belgische Nordseeküste umspannt – immerhin eine Strecke von 65 Kilometern.
Am Strand trifft man auf Ivan Morisons „Star of the Sea“. Das Mittelding aus Sandburg und Bunker, bekrönt durch sechs Schornsteine, ist als Gemeinschaftsprojekt beider Triennalen entstanden. Morison verweist mit seinem begehbaren Dachsbau auf die Befestigungsanlagen aus dem Zweiten Weltkrieg.
Ivan Morison ist einer von 18 Künstlern, die Els Wuyts, die diesjährige Beaufort-Kuratorin, zur achten Ausgabe des Open-Air-Events mit Meerblick eingeladen hat. International renommierte Kunstschaffende wie Alexandra Bircken, Richard Deacon und Monika Sosnowska sind ebenso mit von der Partie wie belgische Künstler, die vornehmlich im eigenen Land bekannt sind. Neun Orte formieren sich zum Kunstparcours – von De Panne im Westen bis Knokke-Heist im Osten und praktischerweise verbunden durch die Küsten-Tram.