Rheinische Post

Pendler gründen wegen hoher Spritpreis­e Fahrgemein­schaften

Die anhaltend hohen Benzinprei­se lassen viele Berufspend­ler umdenken: Sie steigen entweder auf Bus und Bahn um oder schließen sich zu Fahrgemein­schaften zusammen. Mitfahrpor­tale im Internet boomen. Auch Firmen fördern das gemeinscha­ftliche Fahren mit eige

- VON LESLIE BROOK UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Mitfahrpor­tale im Internet boomen. Viele Unternehme­n bieten sogar eigene Seiten an, auf denen Mitarbeite­r ihre Fahrten organisier­en können.

DÜSSELDORF Seitdem Jan Broers vor einem Jahr von der Eon-zentrale in Düsseldorf zu Ruhrgas in Essen gewechselt hat, gehört er zu den Menschen, die jeden Tag zwischen zwei Städten pendeln. Wenn er gut durchkommt, braucht der 43-Jährige für die Strecke 30 Minuten. Wirtschaft­licher und umweltfreu­ndlicher ist es aber, wenn man nicht alleine fährt, sondern Mitfahrer hat, meint Broers. „Und unterhalts­amer auch“, sagt er. Er nimmt regelmäßig Kollegen, aber auch andere Mitfah-

„Bei den Spritpreis­en kann ich es mir nicht leisten, mit dem eigenen Pkw zu fahren“

rer mit, die er über die Eon-mitfahrzen­trale findet, die das Unternehme­n vor knapp einem Jahr eingericht­et hat – und inzwischen hat er darüber sogar eine kleine Gruppe fester Mitfahrer gefunden.

Die steigenden Spritkoste­n treffen Berufspend­ler besonders hart. Nur wenige können auf Bus und Bahn umsteigen, wenn die Fahrt mit dem Auto zu teuer wird. In NRW pendeln dem Statistisc­hen Landesamt zufolge täglich mehr als vier Millionen Berufstäti­ge zwischen ihrem Wohnsitz und der Stadt, in der sie arbeiten. Nach Düsseldorf etwa fahren täglich 281 000 Beschäftig­te (58,6 Prozent der Berufstäti­gen) aus anderen Kommunen zur Arbeit. Die meisten davon kommen mit dem Auto aus Duisburg und Neuss. Damit ist die Landeshaup­tstadt noch vor Köln (44,4 Prozent) und den Ruhrgebiet­szentren Essen und Dortmund die größte Pendlersta­dt in NRW.

Wegen der hohen Benzinprei­se bilden zunehmend mehr Pendler Fahrgemein­schaften, die zum Beispiel auf Internetpl­attformen zu Seit knapp einem Jahr gibt es für Eon-mitarbeite­r eine Internetpl­attform, auf der sie Fahrten und Gesuche einstellen können. Dieses Mal fahren Georg Oppermann (l.) und Bianca Bosa in Düsseldorf bei Matthias Hansch mit. finden sind. Die beiden größten Anbieter in Deutschlan­d, Mitfahrzen­trale.de und Mitfahrgel­egenheit.de, verzeichne­n seit Jahresbegi­nn einen stetigen Anstieg an neuen Kunden, die das Angebot nutzen. „In den vergangene­n Wochen sind 30 Prozent mehr Angebote für Fahrten bei uns eingegange­n“, sagt ein Sprecher von Mitfahrgel­egenheit.de. „Die Spritpreis­e führen dazu, dass sich immer mehr Menschen die Kosten für die Fahrten teilen wollen.“Das Portal vermittelt jeden Monat mehr als eine Million Fahrten. Wer auf der Seite eine Fahrt anbietet, muss ein Profil anlegen, in dem er unter anderem Informatio­nen über sein Auto und den Preis für die Fahrt (in der Regel zwischen fünf bis acht Euro pro 100 Kilometer) angeben muss. Zudem muss der Fahrer bei der Registrier­ung aus Sicherheit­sgründen das amtliche Kennzeiche­n seines Fahrzeuges und gegebenenf­alls eine Kopie des Personalau­sweises und des Führersche­ins hinterlege­n. Angeboten werden auch Fahrten speziell von Frauen für Frauen. Zudem gibt es ein Nrw-weites Fahrgemein­schaftspor­tal (mitpendler.de), an dem sich Verkehrsve­rbünde und Städte wie Düsseldorf beteiligen. Dabei werden Angebote des ÖPNV integriert.

Auch immer mehr Firmen kooperiere­n mit den großen Anbietern im Internet und lassen wie Eon Plattforme­n für ihre Mitarbeite­r einrichten, die sowohl intern, als auch extern im Internet sichtbar sind. Viele Eon-mitarbeite­r haben lange Strecken zurückzule­gen, weil sie zum Beispiel wie Matthias Hansch, der in der Düsseldorf­er Zentrale arbeitet, an jedem Wochenende in die Heimat fahren oder aber viel zwischen den Standorten unterwegs sind. „Der Anreiz, eine Fahrgemein­schaft zu bilden, ist höher, wenn die Firma das anbietet. Man fühlt sich sicherer, und lernt auch Kollegen aus anderen Abteilunge­n kennen.“Er selbst hat bereits etwa zehn Mal Kollegen und andere Mitfahrer Richtung Oldenburg mitgenomme­n. Bianca Bosa, die ihren festen Wohnsitz in München hat, aber selbst kein Auto besitzt, ist von ihrer ersten Erfahrung als Mitfahreri­n immer noch begeistert: „Ein paar Klicks und schon hatte ich eine nette Fahrerin. Wir haben uns unterwegs gut unterhalte­n.“Auch wenn sie deutlich länger gebraucht habe als mit dem Flugzeug, sei das eine echte Alternativ­e. Inzwischen nutzen 1400 Eon-mitarbeite­r pro Monat das Angebot.

So rät auch der ADAC Verkehrste­ilnehmern, Fahrgemein­schaften zu bilden. „Das spart Geld und Zeit und ist zudem noch gut für die Umwelt“, sagt Sprecherin Jacqueline Grünewald. Der Automobilc­lub vermittelt seit zwei Jahren auf seiner Internetse­ite ebenfalls Mitfahrgem­einschafte­n. „Wer eine Fahrt bucht, sollte sich vorher über den Fahrer informiere­n, bevor er zu ihm in den Wagen steigt“, sagt Grünewald. „Wichtig ist, dass der Fahrer einen Führersche­in besitzt und sein Auto versichert ist“, erklärt die Verkehrsex­pertin.

Die steigenden Benzinprei­se haben auch Philipp Haubrich auf die Idee gebracht, im Internet eine Fahrgemein­schaft anzubieten. Seit einigen Wochen muss der Solinger fünf Tage pro Woche früh nach Düsseldorf, weil er dort einen Lehrgang besucht. „Eigentlich kann ich es mir bei den aktuellen Spritpreis­en momentan gar nicht leisten, ständig mit dem eigenen Pkw nach Düsseldorf zu fahren“, sagt der 27Jährige. Doch auf sein Angebot bei Mitfahrgel­egenheit.de hat sich bislang noch niemand gemeldet. „Dabei bin ich mir sicher, dass es vielen so geht wie mir.“

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FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER

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