NRW: Razzia im Rotlicht-milieu
Zwei Bordell-besitzer sollen systematisch Kunden betäubt, ausgeraubt und erpresst haben. Die Polizei spricht von organisiertem Verbrechen. Jetzt wird sogar ein alter Todesfall in einem Düsseldorfer Edel-etablissement neu untersucht.
DÜSSELDORF Zehn Monate lang hat das Kommissariat für organisierte Kriminalität (OK) im Düsseldorfer Milieu nach Beweisen für ein ebenso ausgeklügeltes wie gefährliches Diebstahlsystem gesucht. Ein Netzwerk aus Prostituierten, Barkeepern und Bordellbetreibern soll Gäste mit Drogen außer Gefecht gesetzt und dann per Kreditkarte ausgeplündert haben.
An der Spitze der 80 Beschuldigten stehen die Düsseldorfer EdelBordellchefs Thomas M. (47) und der TV-bekannte Bert Wollersheim (61). Ihre Firma betreibt vier Etablissements in der Landeshauptstadt, dazu diverse Tabledance-Lokale und Clubs. M. besitzt die Anteilsmehrheit und soll auch im Verbrechernetz der Kopf gewesen sein. Geschäftsführerin Inka S. (40) sowie die Wirtschafter Oguz G. (31) und Monder B. T. (28) gehören für die Ermittler ebenfalls zu den Haupttätern; sie sollen sich besonders beim Abräumen der fremden Konten hervorgetan haben. Die Polizei vollstreckte gestern Haftbefehle gegen diese und weitere sechs Personen. Sie durchsuchte neben den Nachtlokalen die Wohnungen von Verdächtigen in Düsseldorf, Bonn, Wuppertal, Sprockhövel, Voerde, Monheim, Meerbusch und Boppard. Nach sechs weiteren Beschuldigten wird gefahndet.
Es grenze an ein Wunder, sagte Einsatzleiter Roland Wolff gestern, dass die jetzt zerschlagene Bande niemanden zu Tode gebracht habe. Denn längst hätten sich die Täter nicht damit zufrieden gegeben, die Kreditkarten volltrunkener Kunden an sich zu bringen und damit Geld abzuheben: Sie sollen mit Kokain, K.o.-Tropfen und Medikamenten nachgeholfen haben, ihre Gäste zu betäuben. Einen bewusstlosen Freier fand die Polizei in einem der Räume. Er wurde sofort in ein Krankenhaus eingeliefert. Andere hätte die Bande bis zu 20 Stunden lang in diesem Zustand belassen, um fünfstellige Summen von den Konten abzubuchen. Der Gewinn wurde geteilt, ging stets an die Chefs und die jeweiligen Helfer.
Noch geht Wolff von einer sechsstelligen Beutesumme aus, vermu-
Hausdurchsuchungen tet aber weit höhere Beträge: „Viele Opfer haben vermutlich nie Anzeige erstattet.“Für Geschädigte haben die Ermittler eine Hotline eingerichtet: Unter 0211 8705701 könne man das weitere Vorgehen vertraulich besprechen, sagte Wolff und appellierte an die Opfer, sich zu melden. Viele hätten das wohl auch deshalb nicht getan, weil sie bereits versucht hätten, über ihre überhöhte Bordellrechnung mit den Wirten zu verhandeln. Dann habe man den Opfern Fotos präsentiert, die sie in Partylaune mit knapp bekleideten Prostituierten zeigten, und sie erpresst, lautet der Vorwurf.
Bislang gibt es in 17 Fällen dringenden Tatverdacht. Doch unklar ist, seit wann die Bande sich der Methoden bedient. Entsprechende Gerüchte kursierten in Düsseldorf schon vor zehn Jahren. Noch länger zurück liegt der bis heute ungeklärte Tod eines schwedischen Touristen, der 1999 im Poolbereich eines Wollersheim-Bordells unter mysteriösen Umständen gefunden worden war. Der Fall solle im Licht der neuen Erkenntnisse über verdeckte Medikamenten- und Drogengaben neu aufgerollt werden, kündigte ein Sprecher der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft an.
Klarheit sollen auch die Daten aus gestern sichergestellten Computern und Geschäftsunterlagen bringen. Auch Bankschließfächer und die Büros mehrerer Steuerberater wurden durchsucht, Dokumente und 150 000 Euro Bargeld beschlagnahmt. In den Clubs fand die Polizei, die von Rauschgiftspe- zialisten des Landeskriminalamts und mehreren Drogenspürhunden unterstützt wurde, Amphetamine, Kokain, Anabolika und Medikamente wie das Potenzmittel Viagra und Viagra-Imitate. Sie stellte zudem diverse Waffen wie Schlagstöcke und -ringe sicher. Die Staatsanwaltschaft will noch weiter ermitteln. Bislang lauten die Vorwürfe auf schweren Raub, räuberische Erpressung, schweren Bandendiebstahl, Computerbetrug. Auch die Steuerfahndung ermittelt gegen die Rotlichtbande. Auf deren Spur war die Kripo nach Anzeigen geschädigter Gäste und durch die Aussage eines Ex-Mitarbeiters der Etablissements gekommen.
Überschattet wurde die Aktion, die die Ermittler als erfolgreichen Schlag gegen das organisierte Verbrechen werten, durch einen schweren Unfall: Bei der Durchsuchung eines Bordells brach eine Zwischendecke ein, ein LKA-Mitarbeiter stürzte mehrere Meter tief auf einen Betonboden und verletzte sich schwer.