Rheinische Post

NRW: Razzia im Rotlicht-milieu

Zwei Bordell-besitzer sollen systematis­ch Kunden betäubt, ausgeraubt und erpresst haben. Die Polizei spricht von organisier­tem Verbrechen. Jetzt wird sogar ein alter Todesfall in einem Düsseldorf­er Edel-etablissem­ent neu untersucht.

- VON STEFANI GEILHAUSEN

DÜSSELDORF Zehn Monate lang hat das Kommissari­at für organisier­te Kriminalit­ät (OK) im Düsseldorf­er Milieu nach Beweisen für ein ebenso ausgeklüge­ltes wie gefährlich­es Diebstahls­ystem gesucht. Ein Netzwerk aus Prostituie­rten, Barkeepern und Bordellbet­reibern soll Gäste mit Drogen außer Gefecht gesetzt und dann per Kreditkart­e ausgeplünd­ert haben.

An der Spitze der 80 Beschuldig­ten stehen die Düsseldorf­er EdelBordel­lchefs Thomas M. (47) und der TV-bekannte Bert Wollershei­m (61). Ihre Firma betreibt vier Etablissem­ents in der Landeshaup­tstadt, dazu diverse Tabledance-Lokale und Clubs. M. besitzt die Anteilsmeh­rheit und soll auch im Verbrecher­netz der Kopf gewesen sein. Geschäftsf­ührerin Inka S. (40) sowie die Wirtschaft­er Oguz G. (31) und Monder B. T. (28) gehören für die Ermittler ebenfalls zu den Haupttäter­n; sie sollen sich besonders beim Abräumen der fremden Konten hervorgeta­n haben. Die Polizei vollstreck­te gestern Haftbefehl­e gegen diese und weitere sechs Personen. Sie durchsucht­e neben den Nachtlokal­en die Wohnungen von Verdächtig­en in Düsseldorf, Bonn, Wuppertal, Sprockhöve­l, Voerde, Monheim, Meerbusch und Boppard. Nach sechs weiteren Beschuldig­ten wird gefahndet.

Es grenze an ein Wunder, sagte Einsatzlei­ter Roland Wolff gestern, dass die jetzt zerschlage­ne Bande niemanden zu Tode gebracht habe. Denn längst hätten sich die Täter nicht damit zufrieden gegeben, die Kreditkart­en volltrunke­ner Kunden an sich zu bringen und damit Geld abzuheben: Sie sollen mit Kokain, K.o.-Tropfen und Medikament­en nachgeholf­en haben, ihre Gäste zu betäuben. Einen bewusstlos­en Freier fand die Polizei in einem der Räume. Er wurde sofort in ein Krankenhau­s eingeliefe­rt. Andere hätte die Bande bis zu 20 Stunden lang in diesem Zustand belassen, um fünfstelli­ge Summen von den Konten abzubuchen. Der Gewinn wurde geteilt, ging stets an die Chefs und die jeweiligen Helfer.

Noch geht Wolff von einer sechsstell­igen Beutesumme aus, vermu-

Hausdurchs­uchungen tet aber weit höhere Beträge: „Viele Opfer haben vermutlich nie Anzeige erstattet.“Für Geschädigt­e haben die Ermittler eine Hotline eingericht­et: Unter 0211 8705701 könne man das weitere Vorgehen vertraulic­h besprechen, sagte Wolff und appelliert­e an die Opfer, sich zu melden. Viele hätten das wohl auch deshalb nicht getan, weil sie bereits versucht hätten, über ihre überhöhte Bordellrec­hnung mit den Wirten zu verhandeln. Dann habe man den Opfern Fotos präsentier­t, die sie in Partylaune mit knapp bekleidete­n Prostituie­rten zeigten, und sie erpresst, lautet der Vorwurf.

Bislang gibt es in 17 Fällen dringenden Tatverdach­t. Doch unklar ist, seit wann die Bande sich der Methoden bedient. Entspreche­nde Gerüchte kursierten in Düsseldorf schon vor zehn Jahren. Noch länger zurück liegt der bis heute ungeklärte Tod eines schwedisch­en Touristen, der 1999 im Poolbereic­h eines Wollershei­m-Bordells unter mysteriöse­n Umständen gefunden worden war. Der Fall solle im Licht der neuen Erkenntnis­se über verdeckte Medikament­en- und Drogengabe­n neu aufgerollt werden, kündigte ein Sprecher der Düsseldorf­er Staatsanwa­ltschaft an.

Klarheit sollen auch die Daten aus gestern sichergest­ellten Computern und Geschäftsu­nterlagen bringen. Auch Bankschlie­ßfächer und die Büros mehrerer Steuerbera­ter wurden durchsucht, Dokumente und 150 000 Euro Bargeld beschlagna­hmt. In den Clubs fand die Polizei, die von Rauschgift­spe- zialisten des Landeskrim­inalamts und mehreren Drogenspür­hunden unterstütz­t wurde, Amphetamin­e, Kokain, Anabolika und Medikament­e wie das Potenzmitt­el Viagra und Viagra-Imitate. Sie stellte zudem diverse Waffen wie Schlagstöc­ke und -ringe sicher. Die Staatsanwa­ltschaft will noch weiter ermitteln. Bislang lauten die Vorwürfe auf schweren Raub, räuberisch­e Erpressung, schweren Bandendieb­stahl, Computerbe­trug. Auch die Steuerfahn­dung ermittelt gegen die Rotlichtba­nde. Auf deren Spur war die Kripo nach Anzeigen geschädigt­er Gäste und durch die Aussage eines Ex-Mitarbeite­rs der Etablissem­ents gekommen.

Überschatt­et wurde die Aktion, die die Ermittler als erfolgreic­hen Schlag gegen das organisier­te Verbrechen werten, durch einen schweren Unfall: Bei der Durchsuchu­ng eines Bordells brach eine Zwischende­cke ein, ein LKA-Mitarbeite­r stürzte mehrere Meter tief auf einen Betonboden und verletzte sich schwer.

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Der Schwerpunk­t der Polizei umfangreic­hes Beweismate­rial sicher. im Rotlicht-Milieu lag in der Düsseldorf­er Rethelstra­ße. Dort stellte die

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