Rheinische Post

Barclays-chef stürzt über Zinsskanda­l

- VON ERIK NEBEL

LONDON Die internatio­nale Bankenwelt hat einen neuen Skandal. Jahrelang sollen Kredithäus­er den Zinssatz am Interbanke­n-Markt manipulier­t haben. Nun muss einer der einflussre­ichsten Bankmanage­r der Welt gehen: Bob Diamond, der 60-jährige Vorstandsc­hef der britischen Großbank Barclays, trat gestern mit sofortiger Wirkung zurück. „Bob Diamond hat die richtige Entscheidu­ng für Barclays und die richtige Entscheidu­ng für das Land getroffen“, erklärte der britische Finanzmini­ster George Osborne. Zuvor waren auch andere TopManager zurückgetr­eten. Die Barclays Bank soll zwischen 2005 und 2009 falsche Angaben zur Ermittlung des sogenannte­n Libor-Zinssatzes gemacht und so den Handel am Interbanke­n-Markt manipulier­t haben. Die Behörden in Großbritan­nien und den USA hatten deshalb in der vergangene­n Woche gegen Barclays eine Geldstrafe in Höhe von umgerechne­t 360 Millionen Euro verhängt. Was ist der Interbanke­n-Markt? Am Interbanke­n-Markt versorgen sich Banken untereinan­der mit Geld. Basis ist gegenseiti­ges Vertrauen in die jeweilige Stabilität. Denn für die Kredite gibt es keine Sicherheit­en. Dieser Handel, der lange reibungslo­s funktionie­rte, ist seit der Lehman-Pleite 2008 gestört. Daher müssen Notenbanke­n die Privatinst­itute immer wieder mit billigen Krediten versorgen. Was ist der Libor? Der Libor ist der durchschni­ttliche Zinssatz, den Banken für Kredi-

(60) war einer der schillernd­sten Banker der Londoner City. Gestern trat er zurück. te untereinan­der verlangen. Libor steht für „London InterBank Offered Rate“. Dieser Zins wird seit den 1980er Jahren jeden Vormittag von der British Bankers’ Associatio­n in London festgelegt. Für die Berechnung melden die 18 wichtigste­n Banken die Zinsen, die sie für Kredite ihrer Konkurrent­en zahlen müssen. Die höchsten und tiefsten Werte werden gestrichen, um große Manipulati­onen zu vermeiden. Am Libor orientiere­n sich viele Kredite in der Realwirtsc­haft mit variablen Zinsen.

Wie kann der Libor manipulier­t werden?

Die Umfrage zur Ermittlung des Libor ist vertraulic­h. Ob die gemeldeten Daten stimmen, ist nur schwer nachzuprüf­en. So könnten die Banken den Satz in ihrem Sinn beeinfluss­en. Möglicherw­eise haben Banken nun geringere Zinsen nach London gemeldet, als sie tatsächlic­h verlangten. Das erlaubt ihnen, mehr Absicherun­gen als eigentlich nötig zu verkaufen. Schätzunge­n zufolge hängen vom Libor Finanzprod­ukte im Volumen von 350 Billionen Dollar ab. Selbst Manipulati­onen im Mini-Promille-Bereich haben also gewaltige Auswirkung­en.

Welche Folge hat das für Privatkund­en?

Kredite mit variablen Zinssätzen hängen direkt vom Libor ab. Falls der Libor wegen Manipulati­onen jahrelang zu niedrig ausgefalle­n ist, dürfte seine Korrektur bald auch zu einem Anstieg der Zinsen für Häuslebaue­r führen, die einen Kredit mit variablen Zinsen abgeschlos­sen haben. In Deutschlan­d sind Kredite mit variablem Zinssatz allerdings bei weitem nicht so weit verbreitet wie etwa in Spanien oder Großbritan­nien.

Wie unterschei­det sich der Euribor vom Libor?

Während der Libor für Dollar-Geschäfte besonders wichtig ist, ist es der Euribor (Euro InterBank Offered Rate) für den Euro. Er wurde 1999 mit der Einführung des Euro ins Leben gerufen. 43 Kreditinst­itute melden dabei ihre Zinssätze nach Brüssel, wo ähnlich dem Libor ein Mittelwert berechnet wird. Die höhere Zahl soll die Betrugsgef­ahr senken. Doch seit dem vergangene­n Jahr ermittelt auch die EUKommissi­on wegen möglicher Manipulati­onen.

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Bob Diamond

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