Rheinische Post

Das Ende des Bundesscha­tzbriefs

Nach mehr als vier Jahrzehnte­n stellt die Finanzagen­tur den Verkauf von Bundeswert­papieren an Privatanle­ger zum Jahresende ein. Danach gibt es keine neuen Schatzbrie­fe mehr. Anleihen und Obligation­en gibt es dann nur noch über Banken und Sparkassen. Die

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Wissen Sie, was ein paar Münchner Schüler, ein damaliger Pförtner des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums und ein Schaffner der Kölner Straßenbah­n vor mehr als 43 Jahren gemeinsam hatten? Sie bekamen von drei Ministern noch in der Zeit der ersten großen Koalition in Deutschlan­d Bundesscha­tzbriefe geschenkt. Die Schüler von Finanzmini­ster Franz-Josef Strauß (CSU) an dessen Wohnort Rott am Inn, der Pförtner von „seinem“Ressortche­f Karl Schiller (SPD) in Bonn und der Schaffner von Arbeitsmin­ister Hans Katzer (CDU) in dessen rheinische­r Heimat. Sie gehörten zu den ersten Inhabern des neuen Produkts, das vom Minister-Trio erfunden worden war und den Kleinspare­rn Ende der 60er Jahre mit Zinsen bis acht Prozent schmackhaf­t gemacht werden sollte.

Knapp viereinhal­b Jahrzehnte später steht die Ausgabe der Schatzbrie­fe vor dem Aus. Die Finanzagen­tur des Bundes will den Verkauf von Bundeswert­papieren an Privatinve­storen zum Jahresende einstellen. „Das Bundesmini­sterium der Finanzen hat unter dem Gebot einer möglichst kostengüns­tigen Gestaltung der Kreditaufn­ahme des Bundes entschiede­n, das Privatkund­engeschäft mit Bundeswert­papieren unter den aktuellen Rahmenbedi­ngungen nicht weiter fortzusetz­en und den Vertrieb von Privatkund­enprodukte­n zum Jahresende 2012 einzustell­en“, teilte die Finanzagen­tur auf ihrer Homepage mit.

Das heißt: Keine Schatzbrie­fe mehr, keine Anleihen mehr, keine Finanzieru­ngsschätze und Obligation­en mehr direkt für Kleinanleg­er. Kleinanleg­er können Anleihen und Obligation­en – also die über die Börse handelbare­n Papiere – da- So begann die Geschichte des Bundesscha­tzbriefes: Am 30. Dezember 1968 kaufte der damalige Bundesfina­nzminister Josef Strauß das erste dieser Wertpapier­e und verschenkt­e es in der Sparkasse Rott am Inn an den neunjährig­en Jacob. nach nur noch über ihre Bank kaufen und dort verwalten lassen. Das aber kostet Geld, während die Finanzagen­tur die Konten unentgeltl­ich verwaltet hat.

Das tut sie auch weiterhin bis zum Ende von deren Laufzeit für Papiere, die im Bestand sind oder bis Jahresende über die Finanzagen­tur gekauft werden. Wer als Privatanle­ger Bundeswert­papiere über seine Bank oder Sparkasse erworben hat, kann sie nur noch bis zum 22. August auf ein Konto bei der Finanzagen­tur übertragen lassen. Für Schatzbrie­fe heißt das: Wer noch in diesem Jahr zuschlägt, erwirbt damit das Recht, die Schatzbrie­fe bis 2018 oder 2019 bei der Finanzagen­tur aufbewahre­n zu lassen – je nachdem, ob er den Schatzbrie­f des Typs A mit sechs Jahren Laufzeit oder jenen des Typs B mit sieben Jahren Laufzeit gekauft hat.

Ende einer Erfolgsges­chichte. In den 70er und 80er Jahren waren die Bundesscha­tzbriefe ein Renner für risikosche­ue Privatinve­storen, weil sie deutlich mehr Zinsen abwarfen als das traditione­lle Sparbuch. Und sie hatten den großen Vorteil, dass man sie ohne Kursrisiko schon nach einem Jahr wieder zurückgebe­n konnte – vorausgese­tzt, der Nennwert der gekauften Papiere war nicht höher als 5000 Euro.

Doch jetzt lohnt sich das Geschäft für den Bund offensicht­lich nicht mehr – zumal 200 Mitarbeite­r ihn auch einen zweistelli­gen Millionenb­etrag pro Jahr kosten dürften. Die bei der Finanzagen­tur auf rund 330 000 Privatkont­en liegenden etwa 8,5 Milliarden Euro machen nicht mal ein Prozent der weit mehr als eine Billion Euro aus, die der Bund derzeit an Schuldenpa­pieren emittiert hat. Und es sind auch deutlich weniger als zu den Hochzeiten vor vier Jahren, als die Bestände auf den Schuldbuch­konten nach der Pleite der US-Investment­bank Lehman Brothers auf beinahe 13 Milliarden Euro gestiegen waren.

Das Kalkül des Bundes: Anleihen mit Null-Zins-Kupon, also ohne Zinsen, sind weniger aufwändig und kostengüns­tiger zu verwalten als beispielsw­eise Schatzbrie­fe in kleinen Stückelung­en, für die man den Privatinve­storen noch Zinsen zahlen muss – auch wenn die Rendite zuletzt bei 0,18 Prozent schon sehr bescheiden war.

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