Rethelstraße: Rotkohl hier, Rotlicht da
Die Bordell-razzia war bei Anwohnern und in den Geschäften in Düsseltal gestern großes Gesprächsthema. Aber beunruhigt ist deswegen keiner. Die Rethelstraße war schon immer beides – Einkaufsstraße und Rotlichtmeile. Viele Anwohner finden das inzwischen so
Bei Frank Weller kaufen sie alle Rotkohl, Äpfel und Birnen. Die feinen Damen aus dem Zooviertel und die Studenten von der Brehmstraße, die alteingesessenen Düsseltaler und Ortsfremde auf der Durchreise. Und auch die nicht ganz so feinen Damen, die im unteren Teil der Straße arbeiten. Bordellbetreiber Berti Wollersheim (ein bekennender Hobby-Koch), der gestern festgenommen wurde, war ebenfalls Stammkunde. „Netter Mann“, meint der Gemüsehändler, der das Familiengeschäft in der vierten Generation führt. Überhaupt gebe es keine Probleme mit den RotlichtClubs. „Das gehört hier zusammen.“
Wenn man irgendwo in Deutschland von der Rethelstraße spricht, meint man die über Düsseldorfs Stadtgrenzen hinaus bekannten Etablissements von Wollersheim und Co. Durch die Fernsehserie „Die Wollersheims“sind sie berühmter geworden, durch den Polizeieinsatz von gestern wurden sie wieder ein Stück berüchtigt.
Für die Düsseltaler ist die Rethelstraße vor allem das Zentrum ihres Stadtteils – und zwar eines, das sich sehen lassen kann. Es gibt Cafés und Supermärkte, Friseure und Apotheken, Feinkost oder Bilderrahmen. Junge Mütter treffen sich bei „Sugarbird Cupcakes“neuerdings zum Törtchen.
„Die Rethelstraße ist Schwatzund Einkaufsmeile“, meint Brigitte Göbels, 67. Die Rentnerin – und Seniorenvertreterin des Stadtbezirks 2 – machte gestern mit Freundin Carin Tücks, 70, Einkäufe. Von der Razzia hatte sie gehört, beunruhigt ist sie nicht. Göbels erinnert sich, dass die Straße schon immer die beiden verschiedenen Seiten hatte. Früher sei die Rotlichtmeile deutlich größer gewesen. Schon ihre Großmutter, die eine Zahnarztpraxis an der Moltkestraße hatte, habe davon erzählt. „Sie hat immer gesagt, dass die Prostituierten die besten Kundinnen sind, weil sie sofort zahlten“, erinnert sie sich. Gemüsehändler Weller, dessen Geschäft seit 1902 besteht, entsinnt sich, dass sein Großvater die Zutaten fürs Mittagessen in die Etablissements lieferte. Die verschiedenen Seiten der Straße sind voneinander ge- Obst-, Gemüse- und Blumenhändler Frank Weller leitet das Familiengeschäft in der vierten Generation. Er meint, man findet niemand auf der Rethelstraße, der wegen der Razzia Angst hat. trennt: Die Einkaufsmeile befindet sich am vorderen Teil zur Brehmstraße. Hinter der Moltkestraße beginnt der andere. Dass man sich kaum in die Quere kommt, liegt auch an den Zeiten. Wenn in den Etablissements die Champagnerkorken knallen, sind in den Geschäften längst die Lichter ausgegangen. Auch Wollersheim selbst hat dazu beigetragen, dass die Stimmung gut ist. Die Nachbarn erinnern sich, dass er zum Tag der offenen Tür in seine Clubs einlud. Auf der Fassade eines der Häuser, in dem seine Etablissements sind, hat er den Schriftzug „Fürchtet Euch nicht“anbringen lassen – ein Hinweis an die bürgerlichen Nachbarn, dass er nichts zu verbergen hat. Und dann die Fernsehserie. Alle haben sie gesehen.
Das zeigt Wirkung. Auch Beate Fitz, 57, vom Geschäft „Top-Foto“kann sich nicht erinnern, dass es mal Probleme gab. Sie fand es eher unterhaltsam, wenn wieder eine Stretch-Limousine vom anderen Teil der Straße vorbeifuhr. „Das ist immer wieder ein Hingucker.“ „Für Filmaufnahmen blockiert“: Dieses
hing gestern an einem der Clubs.