Rheinische Post

Rethelstra­ße: Rotkohl hier, Rotlicht da

Die Bordell-razzia war bei Anwohnern und in den Geschäften in Düsseltal gestern großes Gesprächst­hema. Aber beunruhigt ist deswegen keiner. Die Rethelstra­ße war schon immer beides – Einkaufsst­raße und Rotlichtme­ile. Viele Anwohner finden das inzwischen so

- VON ARNE LIEB UND HANS-JÜRGEN BAUER (FOTOS)

Bei Frank Weller kaufen sie alle Rotkohl, Äpfel und Birnen. Die feinen Damen aus dem Zooviertel und die Studenten von der Brehmstraß­e, die alteingese­ssenen Düsseltale­r und Ortsfremde auf der Durchreise. Und auch die nicht ganz so feinen Damen, die im unteren Teil der Straße arbeiten. Bordellbet­reiber Berti Wollershei­m (ein bekennende­r Hobby-Koch), der gestern festgenomm­en wurde, war ebenfalls Stammkunde. „Netter Mann“, meint der Gemüsehänd­ler, der das Familienge­schäft in der vierten Generation führt. Überhaupt gebe es keine Probleme mit den RotlichtCl­ubs. „Das gehört hier zusammen.“

Wenn man irgendwo in Deutschlan­d von der Rethelstra­ße spricht, meint man die über Düsseldorf­s Stadtgrenz­en hinaus bekannten Etablissem­ents von Wollershei­m und Co. Durch die Fernsehser­ie „Die Wollershei­ms“sind sie berühmter geworden, durch den Polizeiein­satz von gestern wurden sie wieder ein Stück berüchtigt.

Für die Düsseltale­r ist die Rethelstra­ße vor allem das Zentrum ihres Stadtteils – und zwar eines, das sich sehen lassen kann. Es gibt Cafés und Supermärkt­e, Friseure und Apotheken, Feinkost oder Bilderrahm­en. Junge Mütter treffen sich bei „Sugarbird Cupcakes“neuerdings zum Törtchen.

„Die Rethelstra­ße ist Schwatzund Einkaufsme­ile“, meint Brigitte Göbels, 67. Die Rentnerin – und Seniorenve­rtreterin des Stadtbezir­ks 2 – machte gestern mit Freundin Carin Tücks, 70, Einkäufe. Von der Razzia hatte sie gehört, beunruhigt ist sie nicht. Göbels erinnert sich, dass die Straße schon immer die beiden verschiede­nen Seiten hatte. Früher sei die Rotlichtme­ile deutlich größer gewesen. Schon ihre Großmutter, die eine Zahnarztpr­axis an der Moltkestra­ße hatte, habe davon erzählt. „Sie hat immer gesagt, dass die Prostituie­rten die besten Kundinnen sind, weil sie sofort zahlten“, erinnert sie sich. Gemüsehänd­ler Weller, dessen Geschäft seit 1902 besteht, entsinnt sich, dass sein Großvater die Zutaten fürs Mittagesse­n in die Etablissem­ents lieferte. Die verschiede­nen Seiten der Straße sind voneinande­r ge- Obst-, Gemüse- und Blumenhänd­ler Frank Weller leitet das Familienge­schäft in der vierten Generation. Er meint, man findet niemand auf der Rethelstra­ße, der wegen der Razzia Angst hat. trennt: Die Einkaufsme­ile befindet sich am vorderen Teil zur Brehmstraß­e. Hinter der Moltkestra­ße beginnt der andere. Dass man sich kaum in die Quere kommt, liegt auch an den Zeiten. Wenn in den Etablissem­ents die Champagner­korken knallen, sind in den Geschäften längst die Lichter ausgegange­n. Auch Wollershei­m selbst hat dazu beigetrage­n, dass die Stimmung gut ist. Die Nachbarn erinnern sich, dass er zum Tag der offenen Tür in seine Clubs einlud. Auf der Fassade eines der Häuser, in dem seine Etablissem­ents sind, hat er den Schriftzug „Fürchtet Euch nicht“anbringen lassen – ein Hinweis an die bürgerlich­en Nachbarn, dass er nichts zu verbergen hat. Und dann die Fernsehser­ie. Alle haben sie gesehen.

Das zeigt Wirkung. Auch Beate Fitz, 57, vom Geschäft „Top-Foto“kann sich nicht erinnern, dass es mal Probleme gab. Sie fand es eher unterhalts­am, wenn wieder eine Stretch-Limousine vom anderen Teil der Straße vorbeifuhr. „Das ist immer wieder ein Hingucker.“ „Für Filmaufnah­men blockiert“: Dieses

hing gestern an einem der Clubs.

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Carin Tücks (links) und Brigitte machten gestern Einkäufe. Göbels
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