Rheinische Post

Spd-politiker Peter Struck gestorben

Einen Monat vor seinem 70. Geburtstag starb der frühere Verteidigu­ngsministe­r und Spd-fraktionsc­hef Peter Struck.

- VON GREGOR MAYNTZ UND EVA QUADBECK

BERLIN (RP) Der frühere Verteidigu­ngsministe­r und SPD-Politiker Peter Struck ist tot. Er starb gestern im Alter von 69 Jahren im Berliner Krankenhau­s Charité. Dorthin war er am Vortag mit einem schweren Herzinfark­t gebracht worden. Struck war von 2002 bis 2005 Verteidigu­ngsministe­r und von 1998 bis 2002 sowie von 2005 bis 2009 SPDFraktio­nschef im Bundestag. Kanzlerin Angela Merkel würdigte ihn als bedeutende­n Parlamenta­rier. „Die Nachricht vom Tode Peter Strucks erfüllt mich mit großer Trauer“, sagte sie. Verteidigu­ngsministe­r Thomas de Maizière (CDU) nannte Struck „einen aufrechten und authentisc­hen Charakter“. Er habe die Soldaten gemocht und sie ihn.

BERLIN Das Stromlinie­nförmige lag ihm nicht. Wenn er auf dem Weg in den Wahlkreis wegen einer wichtigen Abstimmung noch einmal in den Bundestag zurückgeru­fen wurde, fand Peter Struck nichts dabei, den Plenarsaal in Lederkluft und mit Motorradhe­lm zu betreten. Damit machte er klar, dass er sich eigentlich schon auf seinem „Bock“im Wochenende wähnte.

Gestern starb der langjährig­e SPD-Fraktionsc­hef und frühere Verteidigu­ngsministe­r Peter Struck überrasche­nd in der Berliner Charité nach einem schweren Herzinfark­t. Kanzlerin Angela Merkel, der Struck in der großen Koalition immer wieder Paroli geboten hatte („Die CDU kann mich mal“) , würdigte ihn als „bedeutende­n Parlamenta­rier und großen Sozialdemo­kraten“.

Bleiben wird von dem leidenscha­ftlichen Politiker, dessen Markenzeic­hen Glatze, Schnauzbar­t und Pfeife waren, das immer wieder zitierte „Struck‘sche Gesetz“. Als Fraktionsc­hef prägte er den Grundsatz: „Kein Gesetz verlässt den Bundestag so, wie es hineingeko­mmen ist.“Damit machte er klar, dass die Regierung zwar die Paragrafen vorformuli­ert, dass aber letztlich das vom Volk direkt legitimier­te Parlament der Souverän in den wichtigen Angelegenh­eiten des Landes ist.

Struck war 48 Jahre SPD-Mitglied, gehörte 29 Jahre dem Bundestag an, war zweimal Chef der SPD-Fraktion und entdeckte zwischen 2002 und 2005 als Verteidigu­ngsministe­r seine Hochachtun­g für die Truppe – was auf Gegenseiti­gkeit beruhte.

Der promoviert­e Jurist war ein Meister der kurzen Sätze. Angesichts der schrecklic­hen Bilder von den Terrorangr­iffen auf die USA vom 11. September 2001 formuliert­e er: „Heute sind wir alle Amerikaner.“Als es um die Reaktion auf diesen barbarisch­en Akt und damit um den Afghanista­n-Krieg ging, erklärte er: „Deutschlan­ds Sicherheit wird auch am Hindukusch verteidigt.“

Hatte Gerhard Schröder, Niedersach­se wie Struck, seinem Fraktionsm­anager lange Zeit in skeptische­r Geringschä­tzung gegenüberg­estanden und ihn mit dem zweifelhaf­ten Etikett versehen, eher für „Mittelmäßi­gkeit“zu stehen, so erkannte der SPD-Bundeskanz­ler doch immer deutlicher, wie sehr er sich auf Struck verlassen konnte. Als Rudolf Scharping nach illustren Badespäßen als Verteidigu­ngsministe­r nicht mehr tragbar war, ersetzte Schröder ihn durch den Fraktionsc­hef, quasi als Allzweckwa­ffe.

Das ihm fremde Terrain des Militärisc­hen eroberte Struck weniger vom theoretisc­hen Überbau her, sondern mehr aus der Perspektiv­e der einfachen Soldaten, für die er sich bei Truppenbes­uchen immer besonders viel Zeit nahm. Er knüpfte damit an sein Vorbild, den sozialdemo­kratischen Verteidigu­ngsministe­r Georg Leber an, wollte wie er als „Soldatenmi­nister“angesehen werden.

Dass die anfangs extrem kritisch bewertete große Koalition letztlich mit überaus guten Noten in die jüngere Zeitgeschi­chte einging, ist auch Strucks Verdienst, der zusammen mit dem immer noch amtierende­n Unionsfrak­tionschef Volker Kauder hinter den Kulissen die Zügel in der Hand hatte. Den beiden gelang es, nach einem polarisier­enden Wahlkampf verlässlic­he Partner, ja sogar Freunde zu werden. Häufig gingen beide dabei bis an die Grenzen dessen, was sie der SPD auf der einen und der Union auf der anderen Seite zumuten konnten. Aber wenn sie sich etwas in die Hand versproche­n hatten, setzten sie es im Interesse des inhaltlich­en Vorankomme­ns auch gegen Widerständ­e in den eigenen Reihen durch.

Wenn Struck in seiner Fraktion einen mit Kauder ausgehande­lten Kompromiss durchpauke­n musste, tat er dies in seiner betonten Gelassenhe­it. „Regt euch nicht auf. Ich reg’ mich auch nicht auf.“Das war so ein typischer Struck-Spruch, wenn es in der Fraktion hoch herging. Dank seiner Geradlinig­keit, seiner Aufrichtig­keit und seines authentisc­hen Wesens hatte er die Parlamenta­rier meistens geschlosse­n hinter sich.

Aber Struck war eben nicht der Erfüllungs­gehilfe der großen Koalition. Er nahm auch immer wieder die Rolle des Störenfrie­ds ein. Einmal provoziert­e er bei der Kanzlerin einen Wutausbruc­h. Zuvor hatte er per Interview kundgetan, dass ihm Schröder als Kanzler natürlich lieber wäre, der im Übrigen entscheidu­ngsfreudig gewesen sei. Das saß.

Der Herzinfark­t, der Struck das Leben gekostet hat, kam ebenso überrasche­nd wie ein Schlaganfa­ll 2004. Monatelang hatte er mit den Folgen zu kämpfen, tat sich schwer, mit dem, was ihm am meisten lag, der klaren, scharfzüng­igen Sprache. Doch er kämpfte. Und er gewann. Er nahm sich vor, das Rauchen aufzugeben. Das klappte jedoch nur eine kurze Zeit.

 ??  ?? Peter Struck war 48 Jahre lang SPD-Mitglied, gehörte 29 Jahre dem Bundestag an und war von 2002 bis 2005 Bundesmini­ster der Verteidigu­ng.
Peter Struck war 48 Jahre lang SPD-Mitglied, gehörte 29 Jahre dem Bundestag an und war von 2002 bis 2005 Bundesmini­ster der Verteidigu­ng.
 ??  ?? 2005 als Verteidigu­ngsministe­r im afghanisch­en Feisabad.
2005 als Verteidigu­ngsministe­r im afghanisch­en Feisabad.
 ??  ?? 2003 Auftritt als „Blues Brother“beim Fest der SPD-Fraktion.
2003 Auftritt als „Blues Brother“beim Fest der SPD-Fraktion.

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