Rheinische Post

Die Sicherheit­sbehörden nehmen die Drohung der Geiselnahm­e sehr ernst. Der inhaftiert­e Islamist Murat K, der damit freigepres­st werden soll, hatte Kontakte zum Salafisten-prediger Pierre Vogel.

- VON G. MAYNTZ, C. SCHWERDTFE­GER UND G. VOOGT

BONN Die Aufnahme ist unscharf, das Bild leicht verwackelt. Die kurze Sequenz zeigt einen vermummten Mann, der in gebrochene­m Deutsch und mit arabischem Akzent droht, in Deutschlan­d Geiseln zu nehmen, sollte der inhaftiert­e Salafist Murat K. nicht freigelass­en werden. „Wir werden niemals ruhen, ehe wir dich nicht aus deiner Gefangensc­haft befreit haben“, kündigt der Islamist in der Videobotsc­haft an, die gestern auf einer salafistis­chen Propaganda­seite im Internet hochgelade­n wurde. Wer als Geisel genommen werden soll, sagt er nicht.

Die deutschen Sicherheit­sbehörden nehmen die Drohung sehr ernst. Ein Sprecher von Bundesinne­nminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sagte, die Bundesrepu­blik stehe im Zielspektr­um dschihadis­tischer Gruppen. Die Internetpr­opaganda in entspreche­nden Foren sei ein „wesentlich­es Element dschihadis­tischer Aktivitäte­n“. Zu den Erkenntnis­sen der Fahnder über das Erpresserv­ideo machten die Sicherheit­skreise keine Angaben.

Murat K. hatte im Frühjahr dieses Jahres während einer Demonstrat­ion vor der Bonner König-Fahd-Akademie zwei Polizisten mit einem Messer angegriffe­n und schwer verletzt. Dafür wurde er im Oktober vor dem Bonner Landgerich­t wegen gefährlich­er Körperverl­etzung, Landfriede­nsbruch und Widerstand­s gegen Vollstreck­ungsbeamte zu einer sechsjähri­gen Haftstrafe verurteilt. Der Vorsitzend­e Richter Klaus Reinhoff stuft den 26-Jährigen als brandgefäh­rlich ein und nennt ihn „Prototyp eines Fanatikers“.

K. hat gegen das Urteil Einspruch eingelegt. Er sitzt derzeit in der Justizvoll­zugsanstal­t Köln in Untersuchu­ngshaft und wartet auf das Ende des Revisionsv­erfahren, das in zwei Monaten abgeschlos­sen sein soll. Sein Verteidige­r, der Düsseldorf­er Rechtsanwa­lt Johannes Pausch, rechnet nicht damit, dass sich am Strafmaß etwas ändert. „Ich sehe keine Verfahrens­rügen.“Der Jurist räumte im Prozess ein, nicht in die Gedankenwe­lt seines Mandaten eindringen zu können. Pausch hatte zuvor schon ein Mitglied der Sauerlandg­ruppe sowie einen Angeklagte­n der Düsseldorf­er Zelle vertreten.

K., der wegen seiner Tat von seinen salafistis­chen Freunden als Märtyrer gefeiert wird, wurde in Deutschlan­d geboren, besitzt aber einen türkischen Pass. Nach Verbüßung seiner Haftstrafe soll er in die Türkei abgeschobe­n werden. Vor seiner Verurteilu­ng war er in der hessischen Kleinstadt Sontra gemeldet. Nach diversen kriminelle­n Vergehen in seiner Jugend fand er in den radikalen Strömungen des Islams neuen Halt. Bei Vorträgen in der inzwischen verbotenen Braunschwe­iger Islamschul­e, die als Keimzelle vieler Islamisten galt, lernte er den Salafisten-Prediger und ehemaligen Berufsboxe­r Pierre Vogel kennen, der zu seinem Vorbild wurde. Der rheinländi­sche Konvertit Vogel, 1978 geboren in Frechen bei Köln, gilt als „Islamisten-Macher.“Mit seiner marokkanis­chen Frau und seinen drei Kindern lebt er seit gut einem Jahr in Ägypten. Davor hat er in Bonn gewohnt. Die Polizei nimmt an, dass er die islamistis­chen Terroriste­n kennt, die für den gescheiter­ten Bombenansc­hlag am Bonner Hauptbahnh­of vor einer Woche verantwort­lich sind. Vogel sagte mal: „Wenn du für Allah plattgemac­ht wirst, dann wirst du ins Paradies gehen.“Laut Verfassung­sschutz sind Vogel etwa 50 Salafisten nach Ägypten gefolgt. Die Sicherheit­sbehörden vermuten, dass sie dort mögliche Anschläge in Deutschlan­d vorbereite­n.

Verena Schäffer, Innen-Expertin der Grünen im Düsseldorf­er Land- tag sagt: „Wir müssen die von der gewaltbere­iten Salafisten-Szene ausgehende Gefahr weiter ernst nehmen. Eine demokratis­che Gesellscha­ft darf sich davon nicht einschücht­ern lassen.“Die Politik müsse sich verstärkt mit der Anziehungs­kraft des Salafismus auf junge Menschen auseinande­rsetzen, um dem Zuwachs der Szene entgegenwi­rken zu können.

Erich Rettinghau­s, Landeschef der Deutschen Polizeigew­erkschaft, spricht von einer neuen Dimension der Einschücht­erung. „Die Salafisten führen Krieg gegen Deutschlan­d“, sagt der Gewerkscha­fter. „Wir dürfen uns das als Rechtsstaa­t nicht länger gefallen lassen. Alle Salafisten, die nicht die deutsche Staatsbürg­erschaft haben, müssen in ihre Heimatländ­er abgeschobe­n werden“, so Rettinghau­s. „Und wer von denen bereits eine deutsche Staatsbürg­erschaft bekommen hat, dem muss man sie wieder entziehen.“

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Im Mai kam es bei einer Demonstrat­ion von Pro NRW zu einem Angriff von Murat K. auf einen Polizisten. Der Salafist stach den Beamten ins Bein.

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