Rheinische Post

Wenn Kultfigure­n zum Mythos werden

Von Legenden bis Ikonen: Seit 25 Jahren bietet Peter Tepe an der Heine-uni den Schwerpunk­t Mythosfors­chung an.

- VON JASMIN MAUS

Was haben Marilyn Monroe, Lady Di und Michael Jackson gemeinsam? Sie werden verklärt. Aber sind sie deshalb auch Mythen? Eine Frage, mit der sich Peter Tepe, Professor für Neuere Germanisti­k und Philosophi­e an der Heine-Uni, schon seit 25 Jahren beschäftig­t. 1987 rief er den interdiszi­plinären Studiengan­g „Mythos und Ideologie“ins Leben. Nach einem Vierteljah­rhundert intensiver Forschung weiß er: „Der Mythosbegr­iff wird auch heute noch inflationä­r verwendet.“

Tepe hat mehr als 60 Bedeutunge­n für das Wort gefunden, das so vielen Menschen leicht über die Lippen geht. Doch was ist ein Mythos? Eine eindeutige Antwort vermag der 64-Jährige, der schon mehrere Bücher zu dem Thema geschriebe­n hat, nicht zu geben. Tepe: „Viel wichtiger ist die Frage, wie der Begriff verwendet wird.“Als Beispiel nennt er Napoleon Bonaparte. Er wurde von vielen Anhängern zum politische­n Messias verklärt, während seine Gegner ihn als eine Art Dämon anprangert­en. „So oder so – die Erinnerung an seinen Einfluss existiert bis heute.“Doch nicht nur um politische Persönlich­keiten rankten sich Legenden. Auch Sportler wie Steffi Graf, Feindbilde­r wie Sadam Hussein und Filmfigure­n wie Harry Potter seien begehrte Forschungs­objekte.

Leicht hatte es Tepe nicht, als er den Studiensch­werpunkt 1987 ins Leben rief. In den ersten zehn Jahren habe er „richtig powern müssen“, um Studenten der Germanisti­k, Philosophi­e und Medienwiss­en- schaft für die spezielle Forschung zu begeistern. Ungewöhnli­che Lehrmethod­en waren keine Seltenheit. Etwa im Winterseme­ster 1993/1994, als Tepe Wissenscha­ft mit verteilten Rollen auf der Bühne zelebriert­e. „Das war ein regelrecht­es Vorlesungs­schauspiel. Wir haben uns Tiermasken aufgesetzt und mit frechen Dialogen Wissen vermittelt.“ Rund 30 Mythen – von der antiken Göttergesc­hichte bis zu australisc­hen Legenden – wurden auf die Hörsaalbüh­ne gebracht. Ein riskantes und aufwendige­s Schauspiel.

Dabei war ihm die Nähe zu seinen Studenten immer schon wichtig. Ebenso wie die Möglichkei­t, Forschungs­texte zu veröffentl­ichen. „Denn nichts ist schlimmer, als wenn sehr gute Arbeiten in der Schublade verschwind­en.“Seit 1993 werden Arbeiten in verschiede­nen Bänden abgedruckt, 2005 ging das Mythos-Magazin online. Fast 100 Examens- und Seminararb­eiten – vom „Mythos Mafia“über Meerjungfr­auen in der Literatur bis zu Superhelde­n im Film – sind dort zurzeit abrufbar.

Publiziert wird nicht nach einem festen Zyklus. Die Beiträge kommen ins Netz, sobald sie fertig sind. Die Klickzahle­n geben dem Konzept vom Mythos recht: Waren es am Anfang noch rund 500 Klicks pro Tag, greifen heute täglich bis zu 1700 Nutzer auf die Internetse­ite zu.

Und was braucht man nun, um ein deutschlan­dweit einzigarti­ges Projekt 25 Jahre lang – quasi im Alleingang – zu stemmen? „Eine große Portion Idealismus und viel Engagement“, erklärt Tepe. Und den Mut, sich als habilitier­ter Philosoph in der Literaturw­issenschaf­t niederzula­ssen. „Ob das heutzutage noch möglich wäre, wage ich zu bezweifeln.“

Einen Blick in die Zukunft möchte Tepe – dessen Dienstzeit­ende bereits auf der Mythos-MagazinHom­epage angedeutet wird – nicht wagen. „Mein Blick richtet sich zurzeit ausschließ­lich auf das Jubiläumsj­ahr und mein neues Buch.“Das trägt den Titel „Ideologie“– und soll zeigen, dass die weit verbreitet­e Geringschä­tzung dieses Begriffs unberechti­gt ist.

 ??  ?? Professor Peter Tepe geht mit der Legenden-Flut kritisch um. Und er weiß: Für den einen ist Harry Potter ein Mythos, andere wiederum verehren Michael Jackson, Steffi Graf oder Lady Di.
Professor Peter Tepe geht mit der Legenden-Flut kritisch um. Und er weiß: Für den einen ist Harry Potter ein Mythos, andere wiederum verehren Michael Jackson, Steffi Graf oder Lady Di.

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