Rheinische Post

„Prism“– ein Minister im Daten-wirrwarr

Er war der Antreiber für mehr Datenspeic­herung. Innenminis­ter Hans-peter Friedrich (CSU) hatte die Aufgabe, die liberale Justizmini­sterin in die Enge zu treiben. Nun soll er Botschafte­r für mehr Datenschut­z sein – und findet seine Rolle nicht.

- VON GREGOR MAYNTZ UND HELMUT MICHELIS RP-KARIKATUR: NIK EBERT

BERLIN Die Arbeitstei­lung war klar: Bundesinne­nminister Hans-Peter Friedrich (CSU) ist für die Sicherheit durch Daten zuständig, Justizmini­sterin Sabine Leutheusse­r-Schnarrenb­erger (FDP) für die Sicherheit der Daten. Je länger die verfassung­sgerichtli­ch nötige Novelle der Vorratsdat­enspeicher­ung auf sich warten ließ, desto mehr verschanzt­en sich die beiden in ihren Kampfstell­ungen. Doch im Erschrecke­n über die angebliche Vorratshal­tung sämtlicher Daten durch den US-Geheimdien­st hat Bundeskanz­lerin Angela Merkel Friedrich in die Pflicht genommen, auch die andere Position überzeugen­d mitzuvertr­eten. Und das überforder­t den wackeren Christsozi­alen sichtlich.

Wie groß die innere Not ist, war Friedrichs Rückgriff auf einen sozialdemo­kratischen Amtsvorgän­ger abzulesen: Er zitierte Otto Schilys Überzeugun­g vom Recht auf Sicherheit als „Supergrund­recht“. Will sagen: Es gibt nicht nur das Grundrecht auf Selbstbest­immung seiner Daten, sondern auch ein offensicht­lich noch wichtigere­s Grundrecht auf Schutz vor Angriffen.

Damit versuchte der Innenminis­ter, die Dinge wieder so zurechtzur­ücken, wie es seinem Empfinden entsprach: Von seiner Kanzlerin in die USA geschickt, um bei den Gastgebern auf die Einhaltung der Ver- fassung in Deutschlan­d zu pochen, kehrte er mit der Botschaft zurück, dass durch das Abfangen vieler Millionen Daten Anschläge in Deutschlan­d hätten verhindert werden können. Das wusste die geneigte Öffentlich­keit bereits. Und es bediente nicht die Erwartungs­haltung, die Amerikaner zu mehr Datenschut­z anzuhalten.

Ganz im Gegenteil, Friedrich musste sich in die Rüstung des Ritters von der traurigen Gestalt pressen, weil er auch nicht die gewünschte­n Details über den Umfang des Spähprogra­mms liefern konnte. Das unterliege der US-Geheimhalt­ung. Sein „Erfolg“: Die USA sagten zu, Teile zu „deklassifi­zieren“, damit die Bundesregi­erung dann mehr Einzelheit­en erfahren kann. Das war die Taube auf dem Dach, und für Friedrich gab es konkret nur einen unansehnli­chen Spatz in der Hand in Form der verhindert­en Anschläge.

Dabei kam es in der Folge ebenfalls zu Irritation­en. Fünf Anschläge, sagte er, seien verhindert worden, sein Ministeriu­m streute, es könnten auch weniger gewesen sein. Nun hieß es aus dem Innenaussc­huss, der Verfassung­sschutz wisse von sieben. Die Wahrheit liegt daneben und hat mit der Zahl der von den durch „Prism“enttarnten Anschlagsp­länen zu tun, die je nach Einschätzu­ng zwischen eins und drei pro entdeckter Terrorzell­e betragen, aber auch jeweils mehr oder weniger konkret zu nennen sind.

Nato-Kreise wollen die Aufregung in Deutschlan­d um das „Prism“Spähprogra­mm für Afghanista­n nicht nachvollzi­ehen. Für die IsafSoldat­en sei diese ab 2011 auch von der Bundeswehr genutzte Datensamml­ung häufig sogar lebensret- tend gewesen. Bevor zum Beispiel eine Patrouille die Route Kundus - Masar-i-Sharif befahre, werde routinemäß­ig „Prism“abgefragt, ob eventuell Erkenntnis­se über geplante Bombenansc­hläge oder Hinterhalt­e vorlägen. Hinter dem „Prism“System für Afghanista­n, mit dem gezielt der Internetda­ten-, Telefonund Funkverkeh­r in dieser Region ausgewerte­t wird, stehen demnach ebenfalls amerikanis­che Stellen. Der ständig aktualisie­rten Datensamml­ung lieferten auch die Geheimdien­ste anderer Nationen Informatio­nen zu. Offenbar fließen außerdem Erkenntnis­se aus der Überwachun­g Verdächtig­er ein, beispielsw­eise Taliban-Führer oder Drogenschm­uggler.

Unklar bleibt offenbar für die Beteiligte­n, ob oder wie die beiden „Prism“-Datensamml­ungen – die weltweite und die auf Afghanista­n konzentrie­rte – untereinan­der verbunden sind und ob die am Hindukusch auch durch deutsche Kräfte gewonnenen Informatio­nen in den USA in einen Gesamtkomp­lex einfließen. Möglicherw­eise handele es sich nur um eine eher zufällige Namensglei­chheit, weil die genutzte Software identisch sei, hieß es. Andere Nato-Kreise gehen indes von einem Gesamtsyst­em aus.

Wie der CSU-Innenminis­ter, so hat auch die SPD ihre Rolle noch nicht gefunden. Die Kritik schwankt zwischen beißend und zahm. So sprach etwa SPD-Verteidigu­ngsexperte Lars Klingbeil gestern von einem „erbärmlich­en Bild“, das die schwarz-gelbe Regierung bei ihren Aufklärung­sbemühunge­n in Sachen „Prism“abgebe. Die Sozialdemo­kraten haben dennoch Beißhemmun­gen: Schließlic­h waren sie für die Geheimdien­ste zuständig, als die Eingriffe in Datenschut­zRechte nach dem 11. September 2011 so richtig in Fahrt kamen – in Person des jetzigen SPD-Fraktionsc­hefs Frank-Walter Steinmeier.

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