Schäuble mahnt in Athen Reformen an
Bei seiner Stippvisite in Griechenland rät der Bundesfinanzminister von der Debatte über einen Schuldenschnitt ab. Dadurch erlahme die Reformbereitschaft, die Zweifel der Investoren an der Zukunft des Landes würden wieder größer.
BERLIN/ATHEN Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat gestern in Athen die Spar- und Reformfortschritte Griechenlands gelobt, aber weitere Schritte angemahnt. Die Krise sei noch nicht überwunden. Vor allem müsse Griechenland Privatisierungen von Staatsunternehmen vorantreiben, den oft noch versperrten Zugang zu vielen Berufen öffnen und die Steuerverwaltung effektiver organisieren, sagte Schäuble nach seinem ersten Besuch in Griechenland seit Ausbruch der Krise Anfang 2010.
Griechische Medien nahmen den Besuch zum Anlass, Schäuble für die Probleme des Landes verantwortlich zu machen. Auf dem Titelblatt des Parteiblattes der stärksten Oppositionspartei „Avgi“prangte in Anspielung auf die hohe Arbeitslosigkeit ein Foto des deutschen Finanzministers mit dem Titel: „Heil dir, Caesar, die Todgeweihten grüßen Dich.“Sein Besuch wurde von starken Sicherheitsvorkehrungen begleitet. In Athen wurde die gesamte Innenstadt abgeriegelt.
Die in Griechenland und Deutschland aufgeflammte Diskussion über einen weiteren Schuldenschnitt versuchte Schäuble zu beenden. Er rief dazu auf, „dieses Gespräch nicht fortzusetzen“. Es sei nicht zum Vorteil Griechenlands und der Euro-Zone insgesamt. In der Erwartung eines weiteren Schuldenschnitts dürften die ohnehin nur schleppenden Reformbemühungen in Athen zum Erliegen kommen. Private Gläubiger, vor allem Banken und Versicherungen, hatten bei einem ersten Schuldenerlass 2011 auf die Rückzahlung von etwa 100 Milliarden Euro verzichtet.
Seitdem hat sich die Gläubigerstruktur stark verändert. Zu 90 Pro- zent steht Griechenland heute bei öffentlichen Gläubigern in der Kreide, allen voran der Bundesrepublik Deutschland, die für Auszahlungen an Griechenland von bislang gut 70 Milliarden Euro haftet. Davon entfällt ein Teil auf die deutschen Anteile an möglichen Verlusten des Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank. Bei einem 50-prozentigen Schul- denerlass wäre ein Verlust von 30 Milliarden Euro auf deutscher Seite „plausibel“, sagte Finanzexperte Nils Boysen-Hogrefe vom Kieler Institut für Weltwirtschaft.
Auch der Chef der Wirtschaftsweisen, Christoph Schmidt, warnte vor einer Fortsetzung der Debatte über einen Schuldenschnitt. „Wir sollten die Griechen jetzt erst einmal möglichst viele der zweifellos schmerzhaften Reformen umsetzen lassen, unter den bisher vereinbarten Bedingungen, statt ihnen schon vorab einen Teil des Drucks zu nehmen“, sagte Schmidt. „Denn diese Erleichterung hätte zwangsläufig zur Folge, und das ist nur allzu menschlich, dass die Reformanstrengungen wieder etwas zurückgefahren würden. Und damit wäre niemandem geholfen.“
Bis zur Auszahlung einer weiteren Hilfskredittranche von 2,5 Milliarden Euro kommende Woche müsse Griechenland noch einiges umsetzen sowie weitere Sparbeschlüsse fällen, sagte ein Sprecher der EUKommission in Brüssel. Am Mittwochabend hatte das Parlament den Abbau von 15 000 weiteren Stellen im überdimensionierten Staatsdienst beschlossen. Es erfüllte damit eine Forderung der Geldgeber.