Rheinische Post

Mehr Kopfverlet­zungen bei Sportlern

Ob Fun-sportarten, Radfahren oder Fußball – Hobby- und Profisport­ler unterschät­zen die Risiken einer Kopfverlet­zung. Auch Fußballer leben ungesund, wenn sie zu häufig den Ball köpfen. Neurologen raten zur Helmpflich­t im Profi-fußball.

- VON JÖRG ZITTLAU

DÜSSELDORF Die Bundesbürg­er gehen nicht gerade fürsorglic­h mit ihren Köpfen um. Unfallfors­cher schätzen hierzuland­e die Zahl der Schädel-Hirn-Traumata – dazu zählt jede Schädelver­letzung mit Beteiligun­g des Gehirns – auf knapp 300 000 pro Jahr, mit Trend nach oben. Hauptveran­twortlich dafür ist neben der zunehmende­n Vorliebe für schnelle Sportarten vor allem der Leichtsinn.

Radfahrer, männlich, 45 bis 55 Jahre alt – wenn im Krankenhau­s ein Patient mit SchädelHir­n-Trauma liegt, ist er laut einer Studie des Automobilc­lubs Europa (ACE) mit hoher Wahrschein­lichkeit dieser Personengr­uppe zuzuordnen.

Nicht nur, dass ihre Mitglieder mehr Unfälle bauen als radelnde Schulkinde­r. Es trifft sie auch besonders oft am Kopf. „Gerade mal sechs Prozent tragen einen Schutzhelm“, so der ACE. Und das, obwohl sich durch diesen Schutz das Risiko einer schweren Schädelver­letzung um 80 Prozent senken würde.

Möglich, dass Männer in den Wechseljah­ren besonders eitel sind und sich daher keinen Helm überziehen. Anderersei­ts bilden sie auch nur die Spitze einer altersüber­greifenden Entwicklun­g, die sich mit voller Wucht gegen den Kopf und seinen Inhalt richtet.

So haben schnelle Trendsport­arten wie Biken, Inline-Skating, Kiten und Skateboard­en in den letzten Jahren die Quote der schweren Kopfverlet­zungen explodiere­n lassen. Snowboarde­n hat gegenüber dem ohnehin schon riskanten Skifahren ein 1,4-fach höheres Risiko für eine schwere Kopfverlet­zung, und japanische Forscher ermittelte­n, dass es dabei kaum eine Rolle spielt, wie gut der betreffend­e Sportler ist.

Ungeübte Fahrer fallen allerdings eher auf den Hinterkopf, so dass sich dort ein Spalt zwischen Hirngewebe und Schädeldec­ke mit anschließe­nder Einblutung ausbildet, während die fortgeschr­ittenen Sportler eher in vollem Tempo kollidiere­n und aus großen Höhen stürzen, was dann Schädelbrü­che und Gehirnersc­hütterunge­n nach sich zieht. Gefährlich ist sowohl das eine wie das andere. Was aber Studienlei­ter Shinya Koyama am meisten zu denken gibt: „In unserer Untersuchu­ng trugen die meisten Snowboarde­r lediglich Strickmütz­en – gerade mal neun Prozent der Fortgeschr­ittenen und zwei Prozent der Anfänger trugen einen Helm.“

Boxer und Eishockeys­pieler tragen seit jeher ein hohes Risiko für schwere Kopfverlet­zungen. Einige Mediziner sehen dies auch auf den profession­ellen Fußballspo­rt zukommen. „Die Spiele werden schneller und härter“, warnt der Chirurg Rainer Schmelzeis­en vom Universitä­tsklinikum Freiburg. Es gebe mehr Zusammenst­öße sowie Schläge und Tritte durch den Gegner. Die Züricher Neurologin Nina Feddermann betont jedoch, dass im Profi-Fußball deutlich seltener schwere Kopfverlet­zungen passieren, seitdem absichtlic­he Schläge mit dem Ellbogen mit einem Platzverwe­is geahndet werden: „Hier- durch konnte bei Turnieren des Weltverban­des Fifa eine Halbierung erreicht werden, mit durchschni­ttlich einer Gehirnersc­hütterung pro Turnier.“

Es muss aber auch nicht der Ellbogen sein, der das Gehirn des Fußballers malträtier­t. Eine Studie des Albert Einstein College of Medicine zeigt, dass häufige Kopfbälle mehr Schaden anrichten können, als bis-

 ?? FOTO: MIGUEL VIDAL ?? Chelsea-Torhüter Petr Czech erlitt beim Zusammenst­oß mit einem Gegenspiel­er 2006 einen Schädelbas­isbruch. Seitdem spielt er nie ohne Helm.
FOTO: MIGUEL VIDAL Chelsea-Torhüter Petr Czech erlitt beim Zusammenst­oß mit einem Gegenspiel­er 2006 einen Schädelbas­isbruch. Seitdem spielt er nie ohne Helm.

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