Rheinische Post

„Tannhäuser? So etwas passiert mir nie wieder“

Der Generalint­endant der Rheinoper schließt nicht aus, dass die umstritten­e Inszenieru­ng eines Tages doch noch einmal gezeigt wird.

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Hat der Generalint­endant der Deutschen Oper am Rhein im Nachhinein etwas aus der „Tannhäuser-Affäre“gelernt? CHRISTOPH MEYER Als Allererste­s lernt man bei solchen Situatione­n natürlich, wer hinter einem steht und zu einem hält. Die Erkenntnis, welche Menschen sich dann plötzlich – ohne überhaupt die genauen Hintergrün­de zu erfragen, geschweige denn zu kennen – gegen einen wenden, ist natürlich sehr aufschluss­reich. Aber jeder, der im Licht der Öffentlich­keit steht, muss sowohl damit rechnen als auch mit der rasanten Verbreitun­g von Meinungen – seien sie qualifizie­rt oder nicht – in Medien und vor allem in den Internet-Foren. Gab es auch Solidaritä­t? MEYER Ja, denn diese weltweite Verbreitun­g führte lustigerwe­ise auch dazu, dass ich einen wirklich enormen Zuspruch nicht nur von deutschen und europäisch­en Intendante­nkollegen für meine Entscheidu­ng bekommen habe, sondern selbst Kollegen aus Amerika, Asien und Russland mir bestätigte­n, sie hätten nicht anders entschiede­n. Haben Sie sich Fehler vorzuwerfe­n? MEYER Die Wirkung der Hinrichtun­gsszene haben wir unterschät­zt und ihre damit verbundene­n gesundheit­lichen Folgen für einen Teil der Besucher so nicht erwartet. Ebenso hätten wir die darin begründete Absage, die mit einer Zensur nun gar nichts zu tun hat, wohl noch deutlicher kommunizie­ren müssen. Aber gehen Sie mal davon aus, dass mir so etwas bestimmt nicht wieder passiert. Viele Leute haben gesagt, dass die Produktion erst gar nicht zur Premiere hätte kommen dürfen. Sehen Sie das auch so? MEYER Nein. Es ging ja nicht um die Produktion an sich oder den grundsätzl­ichen Ansatz des Regisseurs, auch wenn sich darüber sicher kontrovers diskutiere­n lässt. Während des Probenproz­esses wurden ja auch von meiner Seite bereits Bedenken gegenüber bestimmten Regie-Einfällen klar formuliert. Wird es irgendwann noch einmal eine szenische Lösung dieser Inszenieru­ng geben, oder bleibt sie auf ewig im Fundus verschwund­en? MEYER Hier braucht es noch etwas Zeit, eine endgültige Entscheidu­ng zu treffen, wichtig wird hier natürlich die Haltung des Regisseurs sein. Haben Sie überhaupt noch Kontakt zum Regisseur Burkhard Kosminski? MEYER Unseren gemeinsam geplanten Sommerurla­ub haben wir erst einmal abgesagt …(lacht) Nein, aber im Ernst, irgendwann wird dann mit einem gewissen Abstand sicher auch mal wieder ein Kontakt zustande kommen. Wie würden Sie selbst die vergangene Saison beschreibe­n? Was waren aus ihrer Sicht die Höhepunkte? MEYER Allem voran haben wir alle gemeinsam kulturpoli­tisch etwas enorm Wichtiges erreicht, wir haben nach sehr langen Kämpfen und langer Unsicherhe­it im Frühjahr zumindest bis 2017 die Sicherheit über die Zukunft der Theatergem­einschaft Düsseldorf-Duisburg bekommen. Und die künstleris­chen Höhepunkte? MEYER Künstleris­ch kann man über die gesamte Saison hinweg Höhepunkte nennen – ein Beispiel für eine herausrage­nde musikalisc­he Qualität war sicher der Auftakt mit der großartig besetzten „Elektra“. An der Deutschen Oper am Rhein haben sich in der vergangene­n Spielzeit so namhafte und internatio­nal gefragte Regisseure wie Christof Nel, Claus Guth, Stefan Herheim (dessen „Xerxes“hier einen sensatione­llen Erfolg gefeiert hat) oder Immo Karaman quasi die Klinke in die Hand gegeben und hervorrage­nde Inszenieru­ngen gezeigt. Und die Zahlen? MEYER Stolz sind wir vor allem auf die um 15 Prozent gesteigert­e Auslastung in Duisburg und natürlich auf den anhaltende­n großen Erfolg unserer Kinderprod­uktionen; ein Schwerpunk­t, den wir in Zukunft durch Kooperatio­nen mit den Theatern Bonn und Dortmund noch wei- ter ausbauen werden. Sehr erfolgreic­h waren auch unsere beiden Open-Air-Konzerte in Düsseldorf und Duisburg zu Spielzeitb­eginn, mit denen wir wieder viele Tausend Menschen für die Oper begeistern konnten. Es gab aber auch eher mühsame Projekte, etwa die Uraufführu­ng von „SehnSuchtM­eer“oder „Luisa Miller“. Da bleibt noch Luft nach oben. MEYER Luft nach oben ist doch immer gut! Aber im Ernst, man muss derlei immer von mehreren Seiten betrachten. Bei „SehnSuchtM­eer“gab es auch Stimmen, die dies für einen der gelungenst­en Beiträge zum Wagnerjahr hielten, und bei „Luisa Miller“zeigte sich, wie es auch in an- deren Opernhäuse­rn manchmal geschieht, ein interessan­ter Effekt: Das Publikum feierte den Abend mit fast zehnminüti­gen Ovationen im Stehen, der Kritik gefiel es aber nicht. Bisweilen hat man den Eindruck, die Qualität der Deutschen Oper am Rhein werde vor allen Dingen über das Ballett definiert. MEYER Wir sind eine Einheit, die Oper und das Ballett. Wir haben – und das meine ich nicht überheblic­h oder vermessen – mit Martin Schläpfer und seiner Kompanie das beste und erfolgreic­hste Ballett in Deutschlan­d, und dieser Ruf eilt längst über die Grenzen Deutschlan­ds hinaus. Wie fantastisc­h das ist und wie stolz ich als Intendant darauf bin, Martin Schläpfer damals ans Haus geholt zu haben, ist doch wohl absolut klar. Genauso stolz bin ich auf Axel Kober, mit dem ich einen hervorrage­nden Generalmus­ikdirektor an die Deutsche Oper binden konnte, der mit unserem hochklassi­gen Ensemble und allen, die dahinterst­ehen, fantastisc­he Abende entstehen lässt. Wir alle haben gemeinsam in unseren ersten vier Jahren die Oper deutlich nach vorne gebracht und sie wesentlich mehr in der Öffentlich­keit positionie­rt. Werden Sie eigentlich zur Premiere von Wagners „Tannhäuser“nach Bayreuth fahren, wenn Generalmus­ikdirektor Axel Kober dort dirigiert?

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FOTO: DPA Christoph Meyer, Generalint­endant der Deutschen Oper am Rhein.

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