Der Fall Eumann und die Folgen
DÜSSELDORF Marc Jan Eumann geht nicht an sein Handy. „Bitte schicken Sie mir eine SMS. Diese Mailbox wird nicht abgehört“, teilt die Ansage dem Anrufer mit. Auf die Bitte um Rückruf reagiert Eumann zwar prompt, aber er will sich nicht zu den am vergangenen Wochenende bekanntgewordenen heiklen Vorwürfen wegen seiner Doktorarbeit äußern. In dem Verfahren an der Technischen Universität (TU) Dortmund sei Vertraulichkeit vereinbart worden. Daran werde er sich auch weiterhin halten und keine Fragen beantworten, sagt der 47-jährige SPD-Politiker. „Sobald das Verfahren der TU Dortmund beendet ist, werde ich dies nachholen.“
Die Vertraulichkeit ist aber nur noch Fiktion, nachdem das Rektorat der Universität mitgeteilt hat, dass ein Verfahren zur Aberkennung des Doktortitels eingeleitet werden soll. Eumann, der 2011 in Dortmund promoviert wurde, wird „erhebliches wissenschaftliches Fehlverhalten“vorgeworfen.
Der Hintergrund: 1991 hatte der gebürtige Hamburger an der Uni Köln den Magisterabschluss mit einer 132-seitigen Arbeit erworben. Der Titel lautete: „Der Deutsche Presse-Dienst. Nachrichtenagentur in der britischen Zone 1945-1949. Ein Beitrag zum Aufbau der Presse in Westdeutschland unter Berücksichtigung des Chefredakteurs Fritz Sänger.“Magister Marc Jan Eumann, der seit über 40 Jahren in Köln lebt, wurde 1995 in den Landtag gewählt und avancierte zum Fachmann für Medienfragen. 2010 berief ihn Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) zum Staatssekretär für Medienfragen. Ein Jahr später erhielt er von der TU Dortmund die Bestnote für seine Dissertation. Thema: „Der Deutsche Presse-Dienst. Nachrichtenagentur in der britischen Zone 1945-1949. Die Geschichte einer Mediensituation im Nachkriegsdeutschland.“
Warum Eumann die Promotion in Dortmund anstrebte und nicht in Köln, wo er studiert hatte, gehört zu den derzeit häufig gestellten Fragen. Eumann könnte sie beantworten, doch im Moment hüllt er sich in Schweigen.
Fakt ist, dass einem Medienexperten Ende 2011 auffiel, dass sich Magisterund Doktorarbeit doch stark ähneln. Sein vernichtendes Fazit in einer Fachrezension: Bei der Dissertation handle es sich nicht um eine „inhaltlich-substanzielle“Erweiterung. Anders ausgedrückt: Eumann hat seine Magisterarbeit aufgehübscht, um einen weitgehend ähnlichen Inhalt ein zweites Mal nutzbringend zu „verkaufen“– diesmal als Doktorarbeit. Für ein solches Vorgehen ist „Trickserei“wohl noch der mildeste Ausdruck. Auch der Vorwurf des „Selbstplagiats“– er zitiert sich selbst, ohne dies zu vermerken – trifft nicht genau. Muss man nicht eher von einem dreisten Täuschungsversuch sprechen, der an die pseudowissenschaftlichen Machenschaften eines Herrn zu Guttenberg erinnert? Eumann weist die Vorwürfe energisch zurück. „Ich habe weiterhin keine Zweifel, dass meine Dissertation eine inhaltlich substanzielle Erweiterung meiner Magisterarbeit darstellt.“Die Prüfkommission der TU Dortmund, die auch ein externes Gutachten eingeholt hat, ist zu einem völlig anderen Ergebnis gekommen. Der zuständige Fakultätsrat will dem Staatssekretär aber noch die Möglichkeit zu einer Stellungnahme einräumen, bevor das förmliche Aberkennungsverfahren in Gang kommt.
Das Ganze wirft wieder einmal – wie im Fall von Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und der früheren Bundeswissenschaftsministerin Annette Schavan (CDU) – kein gutes Licht auf die beteiligten Professoren. Eumanns Doktorvater, Professor Horst Pöttker, hat nach Bekanntwerden der Vorwürfe eingeräumt, nichts von Eumanns Magisterarbeit gewusst zu haben. Er sei von seinem Doktoranden enttäuscht, hat er gesagt. Ulrich Pätzold, der zweite Doktorvater des Politikers, sagt dagegen, er habe die Magisterarbeit gekannt und Eumann ermuntert, sich mit diesem Thema im Rahmen einer Dissertation zu beschäftigen.
Die Geschichte in der Geschichte: Professor Pöttker erhielt wenige Monate nach Eumanns Promotion vom Land rund 200 000 Euro Fördermittel für das Medien-Institut. Die Opposition witterte eine „Dankeschön“-Aktion, doch Rot-Grün betonte, dass sich Eumann wegen Befangenheit gegenüber seinem Doktorvater aus dieser Angelegenheit herausgehalten habe. Laut „Frankfurter Allgemeine Zeitung“war es zudem Pöttker, der Ende 2012 die TU Dortmund alarmierte, als er auf die verheerende Fachrezension stieß. Ob Eumann seinen Doktortitel behalten darf, ist seit dem Wochenende fraglich geworden. Es fällt auf, dass Eumann in seinem Internet-Lebenslauf zwar seinen Magisterabschluss von 1991, nicht jedoch die Promotion erwähnt. „Wenn Herr Eumann seinen Doktortitel nicht rechtmäßig erworben hat, kann er nicht länger Staatssekretär bleiben“, sagt CDUPolitiker Lutz Lienenkämper. Und das zu Recht. Doch solange das Verfahren in der Schwebe ist, mag von rot-grüner Seite niemand den Stab über den bescheiden auftretenden Staatssekretär brechen. Man warte ab, lässt die Landesregierung lediglich verlauten. Allerdings wabert bereits das Gerücht durch die politischen Korridore, dass Hannelore Kraft ihn „entsorgen“könnte. Die Rede ist von einem Job in Brüssel.
Vielleicht muss sich Kraft bald noch um eine andere „Baustelle“kümmern: Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Duisburg gegen Zülfiye Kaykin scheinen kurz vor dem Abschluss zu stehen. Die türkischstämmige Staatssekretärin ist im NRW-Sozialministerium für Migrationsfragen zuständig. Ihr wird Sozialbetrug vorgeworfen: Als frühere Geschäftsführerin der Begegnungsstätte an der Moschee in Duisburg-Marxloh soll sie Personal „schwarz“beschäftigt haben. Immerhin wurden inzwischen Sozialabgaben in Höhe von 3700 Euro nachgezahlt.