Hochzeit provoziert Istanbuler Polizei
Mit Wasserwerfern und Tränengas wurden die Gäste auseinandergetrieben.
ISTANBUL Die Braut trug weiß – und zwar nicht nur ein weißes Kleid und einen weißen Schleier, sondern auch einen weißen Bauhelm. Die Hochzeit der 32-jährigen Istanbulerin Nuray Cokol mit dem zwei Jahre älteren Özgür Kaya am Wochenende war eine ungewöhnliche Vermählungsfeier. Die beiden hatten sich während der Anti-Regierungs-Proteste im Istanbuler Gezi-Park im Juni kennengelernt und gestalteten ihre Hochzeit als Protestkundgebung. Dazu gehörte Cokols Bauhelm, der zum Symbol der Gezi-Bewegung geworden ist, eine blumengeschmückte Gasmaske für die Braut – und ein Wasserwerfereinsatz der Polizei.
Eine Trauung des Paares im inzwischen wieder geöffneten Gezi-Park hatte die Polizei abgelehnt. Cokol, Kaya, ihre per Internet eingeladenen Gäste sowie mehrere Fernsehteams wichen deshalb in das Rathaus des benachbarten Stadtbezirkes Sisli aus. Die Polizei erlaubte aber anschließend einen kurzen Besuch der Hochzeitsgesellschaft im Gezi-Park. Während sich das Brautpaar im An- schluss zurückzog, kam es zu Zusammenstößen mit „Hochzeitsgästen“und der Polizei: Sicherheitskräfte drängten einige Demonstranten vom Taksim-Platz neben dem GeziPark ab und setzten Wasserwerfer, Tränengas und Farbpatronen ein.
Nicht zuletzt die unflexible Taktik der türkischen Polizei, die nur selten auf Deeskalation und fast immer auf Wasserwerfer setzt, machte die GeziHochzeit zur regierungskritischen Schauveranstaltung. Bemühungen um eine Verständigung zwischen Protestbewegung und Regierung gibt es derzeit nicht; der konkrete Anlass für die Spannungen – die Zukunft des Gezi-Parks – ist spätestens seit einem gerichtlichen Stopp für die Baupläne der Regierung in den Hintergrund gerückt. Dennoch beharken sich beide Seiten weiter mit Vorwürfen und Provokationen.
Auch Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan mischt dabei kräftig mit. In einer Rede lobte er am Wochenende all jene religiös-konservativen Türken, die sich nicht an den Protesten beteiligten. Der Premier empfahl seinen Anhängern, gegen Demonstranten vor Gericht zu gehen, die als Zeichen des Protests gegen die Regierung lautstark Töpfe und Pfannen gegeneinander schlagen. Schließlich sei Ruhestörung strafbar.
Laut einer Umfrage hat Erdogans harte Haltung im Gezi-Streit der Regierung erheblich geschadet. Das Institut Sonar ermittelte für die Erdogan-Partei AKP einen Wert von 44 Prozent. Damit liegt sie zwar immer noch weit vor der stärksten Oppositionspartei, die auf 28 Prozent kommt, aber immerhin rund sechs Prozentpunkte unter ihrem Wahlergebnis von 2011.