Thiago setzt erstes Ausrufezeichen
Der 22-Jährige war beim ersten Einsatz die zentrale Figur bei den Münchnern.
MÖNCHENGLADBACH Wenn der Laufstil Rückschlüsse erlaubt, dann ist Thiago Alcantara längst bei den ganz Großen angekommen. Der Rücken ist durchgestreckt, der Kopf stolz nach oben gereckt, den Ball muss er gar nicht sehen, er fühlt ihn am Fuß. So schwebte einst Franz Beckenbauer über die Fußballplätze, so ähnlich tritt Barcelonas Stilikone Xavi auf.
Ihn sollte Thiago (22) einst beerben, jetzt spielt er beim FC Bayern München. Und er setzte beim ersten öffentlichen Arbeitstag, beim 4:0 über den Hamburger SV im Halbfinale des Telekom-Cups in Mönchengladbach ein erstes Ausrufezeichen. Seit drei Tagen erst trainiert der Spanier mit den neuen Kollegen, aber schon war er die zentrale Figur im Bayern-Spiel. Ein extrem ballsicherer Regisseur aus dem hinteren Mittelfeld, den Gegenspieler selbst im eigenen Strafraum überhaupt nicht irritieren, der immer die nächste Lösung auch in Bedrängnis im Kopf hat und der in der Offensive die Art von Pässen spielt, die eine ganze Abwehr aus den Angeln hebt.
Gegen die Hamburger führte ein solches Zuspiel in den freien Raumzum 2:0, als Franck Ribéry die Vorarbeit Thiagos mit dem Rücken zum Tor durch einen Querpass auf Mario Mandzukic veredelte. Der Stürmer musste anschließend nur noch den Fuß hinhalten. In diesem Moment war Thiago endgültig als Führungsfigur im Münchner Team angekommen. Und er hatte dem Publikum bewiesen, was sein Trainer Pep Guardiola ihm nachher bescheinigte: „Er ist eine große Persönlichkeit, und er hat keine Angst.“
Sein Selbstvertrauen verdankt er einer überragenden Technik und seinem vorausschauenden Spiel. Deshalb fiel bei seinem ersten Auftritt überhaupt nicht auf, dass er noch lange nicht im körperlichen Bestzustand sein kann. Schließlich hatte er nach der U-21-Europameisterschaft noch einen verlängerten Urlaub. Doch auch mit halber Lunge trat er derart beeindruckend auf, dass Guardiolas Begeisterung für seinen langjährigen Musterschüler ganz gut zu begreifen war. „Ich bin dem FC Bayern sehr dankbar, dass sie ihn verpflichtet haben“, sagte der Trainer. 25 Millionen Euro zahlte der Triple-Gewinner für den Mittelfeldspieler. Und nicht nur deshalb darf vorausgesetzt werden, dass Thiago in Guardiolas System eine wesentliche Größe sein wird. Das wiederum macht den Konkurrenzkampf im luxuriös besetzten Mittelfeld des Meisters noch härter. Guardiola wies so ganz nebenbei darauf hin, als er feststellte: „Thiago kann auf verschiedenen Positionen spielen.“
Auf der vielgenannten „Sechs“unterstrich er bereits sein außerordentliches Potenzial. Und wenn sein Coach weiter davon ausgeht, dass auf dieser Dienststelle nur ein Mann benötigt wird, dann sind Thiagos Kollegen Javi Martínez, Bastian Schweinsteiger und Luiz Gustavo fortan zu noch größeren Anstrengungen aufgerufen – oder zum Wechsel (Gustavo nach Wolfsburg). Dass Guardiola auch mal Kapitän Philipp Lahm auf der Sechs vorspielen ließ, wird auch niemanden beruhigen.
Luxus kann also sehr wohl ein Problem sein Rudi Völler, Sportchef von Bayer Leverkusen im Interview mit der „Bild am Sonntag“. Völler über die berufliche Perspektive von André Schürrle beim FC Chelsea. Völler über das Image des sogenannten Werksklubs.