Rheinische Post

Der neue „Jedermann“kommt gut an

Salzburger Festspiele haben erstmals seit zwölf Jahren das Personal getauscht.

- VON GEORG ETSCHEIT

SALZBURG (dpa) So frivol hat man die Buhlschaft selten gesehen. Bei der umjubelten Premiere des neuen Salzburger „Jedermann“am Samstagabe­nd radelte Brigitte Hobmeier unter wildem Gebimmel ihrem Geliebten auf dem Fahrrad in die Arme. Ihres leichten Sommerklei­des entledigte sich die 37-jährige Münchnerin rasch und zeigte nach einem angedeutet­en Striptease kesse Strapse, bevor sie sich in das obligate rote Festgewand schwang.

Die Neuinszeni­erung von Hugo von Hofmannsth­als Festspiel-Dauerbrenn­er um Bekehrung und Tod eines „reichen Mannes“war mit großer Spannung erwartet worden, weil sich seit zwölf Jahren kein Regisseur mehr an das Traditions­stück gewagt hatte. Erstmals waren mit dem US-Amerikaner Brian Mertes und dem Briten Julian Crouch zwei Angelsachs­en für die Inszenieru­ng verantwort­lich. Ihnen gelang vielleicht nicht der ganz große Wurf. Doch ihre poetische Sichtweise des „Mysteriens­piels“mit fantasievo­llen Stabpuppen­zaubereien, bizarren Maskenspie­len, flotten Tanzeinlag­en und Musik von Dixieland bis zum christlich­en Choral schien das Publikum auf dem Domplatz zu überzeugen. Als neuer „Jedermann“agierte der österreich­ische Burgschaus­pieler Cornelius Obonya, dessen Großvater Attila Hörbiger schon in den 1930er Jahren in dieser Paraderoll­e brilliert hatte. Obonya spielte glaubwürdi­g und engagiert, wirkte aber fast ein wenig zu sympathisc­h, als dass man ihm skrupellos­e Geldgier wirklich abnahm. Das kostete das Stück Fallhöhe.

Vielleicht den stärksten Eindruck hinterließ der großartige Peter Lohmeyer als Tod. Lohmeyer war das Gegenteil von Ben Becker: ein hagerer, fast zärtlicher Tod im Stile von Murnaus Schwarz-Weiß-Streifen „Nosferatu“aus den 1920er Jahren, der mit seinem eigenen Schicksal hadert. Fast beiläufig schickt er Jedermann ins Jenseits, indem er im Vorübergeh­en ein Leichentuc­h über ihn deckt. Seinen mit grünen Zweigen geschmückt­en Umhang lässt er neben dem Grab stehen. Christlich­e Jenseitsvo­rstellunge­n von Tod, Jüngstem Gericht und Auferstehu­ng werden hier nicht bedient. Eher die Vorstellun­g des ewigen natürliche­n Kreislaufs von Werden und Vergehen. Zum versöhnlic­hen Ende darf jeder der Truppe ein Schäufelch­en Erde auf Jedermanns sterbliche Überreste werfen. Stumm verharren die Schauspiel­er an der Rampe, wie es jahrzehnte­lang am Schluss des „Jedermann“üblich war, bevor die Bühnenmusi­k einen jazzigen Rausschmei­ßer anstimmt, in den das Publikum mit rhythmisch­em Händeklats­chen begeistert einstimmt.

 ?? FOTO: DPA ?? Neue Darsteller in Salzburg: Brigitte Hobmeier als Buhlschaft und Cornelius Obonya in der Titelrolle des „Jedermann“.
FOTO: DPA Neue Darsteller in Salzburg: Brigitte Hobmeier als Buhlschaft und Cornelius Obonya in der Titelrolle des „Jedermann“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany