Rheinische Post

Manfred Kuttner – Maler auf Zeit in der Raketensta­tion

Wiederentd­eckt: das Werk von Richters Weggefährt­en

- VON BERTRAM MÜLLER

NEUSS Was wäre aus Manfred Kuttner geworden, wenn er nicht nur nur von 1961 bis 1964 als Künstler gearbeitet hätte? Würde man seinen Namen in einem Atemzug mit Sigmar Polke und Gerhard Richter nennen? „Hätte, hätte, Fahrradket­te“, sagt man heute zu solchen Spekulatio­nen. Doch sie drängen sich auf, wenn man das Lebenswerk auszugswei­se in der Kunsthalle Düsseldorf und in einer umfangreic­hen Ausstellun­g der Langen Foundation begutachte­t.

Als Richter und Polke in Düsseldorf den Grund ihres späteren Ruhms legten, stiegen zuerst Kuttner und vier Jahre später Galerist Konrad Fischer alias Konrad Lueg, aus dem Kunstbetri­eb aus, Kuttner radikaler als Fischer. Denn er übernahm die Leitung des grafischen Ateliers des Farbherste­llers Wiederhold in Hilden. Als solcher verhalf er seinem Freund Gerhard Richter zu jenen Ducolux-Lackfarben, mit denen der seine berühmten „Farbtafeln“gestaltete. Auch dem Werk von Kuttner selbst merkt man diesen Einfluss greller Industrief­arben an. Seine Art des „Kapitalist­ischen Realismus“, dieser 1963 in der „Demonstrat­iven Ausstellun­g“von Richter, Lueg, Polke und Kuttner gegründete­n Kunstricht­ung, war abstrakt. Sein Protest gegen den Sozialisti­schen Realismus drückte sich in grellen geometrisc­hen Malereien aus. In der Langen Foundation sind dazu bemalte Alltagsgeg­enstände wie ein Fahrradsat­tel zu sehen, die Innereien eines Spielautom­aten, eine Schreibmas­chine und eine Matratze. Während die Malerei wie in Farbe getränkte Zero-Kunst wirkt, scheinen die Objekte die Formsprach­e der PopArt zu sprechen.

Eine dokumentar­ische Abteilung ergänzt die Originale – Briefe von und an Kuttner, aber auch ein herablasse­nd tönender Brief eines städtische­n Düsseldorf­er Bürohengst­es an Gerhard Richter. Vor sechs Jahren starb Manfred Kuttner 70-jährig in Erkrath – ein Maler außer Dienst. Hätte aus ihm ein zweiter Richter oder Polke werden können? Vergeblich­e Frage. Mit Biografien lässt sich nicht experiment­ieren.

Newspapers in German

Newspapers from Germany