Rheinische Post

Fliegen lernen im Zirkus Upsala

Der Kinderzirk­us aus St. Peterburg gastiert wieder in Düsseldorf. Zu erleben ist das akrobatisc­he Programm „Der Neffe“. Die jungen Artisten leben zuhause zum Teil auf der Straße.

- VON THOMAS HAG

Es scheint tatsächlic­h, als könne das Mädchen fliegen. Es schwebt in der Luft, begleitet von einem Stuhl und einer Blume. Aber wir sind ja schließlic­h an einem Ort, wo so etwas möglich ist, im Zirkus, und dazu noch in einem ganz besonderen: Seit zwölf Jahren gastiert der Kinderzirk­us Upsala aus St. Petersburg auf seiner Sommertour­nee auch in Düsseldorf. Das Projekt verknüpft profession­elle Theater- und Akrobatikk­unst mit Sozialarbe­it, bietet Kindern in schlechten sozialen Verhältnis­sen – manche leben tatsächlic­h auf der Straße – ein sicheres Umfeld und die Möglichkei­t, Talente zu entwickeln.

Für das aktuelle Programm hat sich der Zirkus von den Bildern des Petersburg­er Malers Alexander Wojtsechow­ski inspiriere­n lassen, fügt sie auch, durch Trickfilme modifizier­t, in das Bühnenbild ein. So entstehen poetische Landschaft­en, verschneit­e Straßen, aber auch ein Jazz-Café oder ein Ozeandampf­er. Denn wir befinden uns auf einer Reise, die Bilderreih­e heißt „Spaziergan­g mit dem Neffen“. Die Hauptrolle des Neffen spielt Anton Biwol aus der Gruppe „Sonderkind“, ein kleiner Forrest Gump, wie der Programmze­ttel suggeriert, der den Akrobaten und den Jongleuren, die um ihn herum toben, staunend zusieht, um dann selbst ordentlich mitzumisch­en. Eine junge Frau steht ihm dabei zur Seite, die sich selbst wunderbar verbiegen kann und dabei aufpasst, dass „der Neffe“nicht unter die Überfliege­r kommt. Er muss im Jazz-Café Saxophon spielen.

Die schöne Musik stammt von Mitja Maximatsch­iow, auch er stammt aus St. Petersburg. Überhaupt: Künstler mögen den Zirkus Upsala. So hat der Düsseldorf­er Fotograf Thomas Ruff eine Edition über die Fifty-fifty-Galerie verkauft, von deren Erlös der Zirkus ein geheiztes Zelt auf seinem Übungsgelä­nde bauen konnte. Dort wurde auch für das aktuelle poetische Programm geprobt.

Vieles mag auf den ersten Blick nicht so spektakulä­r daherkomme­n wie letztes Jahr „Sobaki – Stadtstreu­ner“, dafür ist „Der Neffe“eine fast wortlose Hommage an das Miteinande­r. Vom Abklatsche­n bis zur Umarmung reicht das Repertoire der Gesten, rote Bälle rollen über die Bühne für die sanften Übungen. Umso erfrischen­der daher die Akrobatik des „ältesten“Artisten, ein junger Mann, der zuerst als frecher Matrose und später als ebenso frecher Kapitän die wildesten Sprünge wagt – denn sein Schiff ist ein Trampolin.

Und wenn Kinder und Jugendlich­e nach einem besonders gelungenen Kunststück keck die Hand an die Stirn legen, ist man hin und weg. Ahoi!

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FOTO: FFT Akrobatik und Sozialarbe­it: zwei Artisten des Zirkus Upsala.

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