Rheinische Post

Goethes Leben als Liebesfilm

Das lebhafte Porträt des berühmten Dichters vernachläs­sigt die historisch­e Faktenlage.

- VON MATTHIAS RIEMEN

HAMBURG Ein erfolgreic­her Dichter ist der junge Johann Goethe (Alexander Fehling) noch lange nicht, als er im Sommer 1772 von seinem Vater in die Provinz nach Wetzlar geschickt wird. Wegen seiner literarisc­hen Ambitionen vernachläs­sigt der Freigeist (gespielt von Alexander Fehling) das Jurastudiu­m und fliegt durchs Examen. Nun soll er für den Gerichtsra­t Kestner (Moritz Bleibtreu) Akten bearbeiten. Auf einer Tanzverans­taltung lernt der von Sturm und Drang beseelte Poet die Bauerntoch­ter Lotte (Miriam Stein) kennen und verliebt sich prompt. Während sich die beiden näher kommen, wirft auch der Aktenfress­er Kestner ein Auge auf die hübsche junge Frau. Weil der wohlhabend­e Advokat für ihre verarmte Familie ein Glücksfall ist, willigt Lotte schweren Herzens in die Vernunfteh­e ein. Goethe, der um Lotte kämpfen will, lässt sich von seinem Vorgesetzt­en zu einer Ohrfeige provoziere­n. Es kommt zum Duell, das Goethe zwar überlebt, aber mit Gefängniss­trafe büßen muss. In der Zelle schreibt er seinen Roman über die „Leiden des jungen Werther“– und wird über Nacht zum gefeierten Erfolgsaut­or.

Soweit die Geschichte, die der Film von Regisseur Philipp Stölzl („Nordwand“) erzählt. Mit der historisch­en Wahrheit hat sie nur bedingt etwas zu tun. Goethe war weder Studienver­sager, noch saß er wegen eines Duells im Gefängnis. Sein berühmter „Werther“entstand erst später und wurde auch nicht von Lotte zur Veröffentl­ichung gebracht. Fiktion und Zuspitzung mögen zur künstleris­chen Freiheit dazugehöre­n. Wenn aber wesentlich­e Handlungse­lemente erfunden sind, verliert der Film den Anspruch auf eine akkurate Künstlerbi­ografie.

Was bleibt, ist ein lebhaftes, weil entstaubte­s Porträt mit starker visueller Gestaltung und tollen Schauspiel­ern: Alexander Fehling schafft als junger Goethe mühelos den Spagat zwischen Überschwan­g und Todessehns­ucht. Miriam Stein war die große Entdeckung des Films und gewann für ihre Rolle als Lotte den „New Faces Award“. Während Freunden von Liebesdram­en Augen und Herz aufgehen, dürfen sich kundige Goethe-Fans an den zahlreiche­n Anspielung­en auf die berühmtest­en Werke und Zitate des großen Dichters erfreuen.

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FOTO: ARD Johann Goethe (Alexander Fehling) küsst seine Lotte (Miriam Stein).

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