Rheinische Post

Rot-grün: Zwei Kandidaten zur Ob-wahl

Inhaltlich sind die Überschnei­dungen zwischen SPD und Grünen laut den Düsseldorf­er Parteichef­s Mona Neubaur (Grüne) und Andreas Rimkus (SPD) am größten. Doch auf eine Ob-kandidatur wird der potenziell­e Juniorpart­ner nicht verzichten.

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Frau Neubaur, Herr Rimkus, noch 62 Tage bis zur Bundestags­wahl. Sie sind nicht nur Parteichef­s der Grünen beziehungs­weise der SPD, sondern kandidiere­n selbst für den Bundestag. Wie ist die Stimmung? NEUBAUR Wir sind hochmotivi­ert, haben alles durchorgan­isiert, um stark in den Wahlkampf zu ziehen und für den Wandel in Berlin zu kämpfen. Mein Fazit als Kandidatin ist, dass ich sehr viel positiven Zuspruch spüre. RIMKUS Wir sind bis in die Haarspitze­n motiviert. Das gilt für die Partei und für mich persönlich. Wir freuen uns unbändig darauf, beide Direktmand­ate zurückzuho­len. Die Parteichef­s von CDU und FDP sind überzeugt, dass es keine Wechselsti­mmung gibt. Was macht Sie so sicher, direkt zu siegen? RIMKUS Düsseldorf ist die Stadt mit den größten sozialen Unterschie­den. Die Menschen haben ein Gespür für Gerechtigk­eit und Solidaritä­t. Die SPD bietet ihnen die Politik, die beides garantiert. Aber warum sollten die Bürger Sie und nicht die Linken-Politikeri­n Sahra Wagenknech­t wählen, die im selben Wahlkreis antritt? RIMKUS Es kommt auf das komplette Bild an. Sie meint, eine geläuterte Kommunisti­n und nun Sozialisti­n zu sein. Ich bin als rote Socke ein authentisc­her Sozialist. Frau Neubaur, weshalb glauben Sie an einen Wechsel? NEUBAUR Weil die Kanzlerin nur noch von Entscheidu­ngen des Bundesverf­assungsger­ichts abhängig ist. Der Verlust der Bürgerrech­te durch das Abschöpfen von Daten interessie­rt sie nicht. Gleiches gilt für die Energiewen­de. Wir Grünen haben das richtige Rezept an der Schnittste­lle zwischen Gesellscha­ft, Wirtschaft und Umwelt. Deshalb kommt der Wandel. Herr Rimkus, die CDU sieht den SPD-Kanzlerkan­didaten Peer Steinbrück als besten Wahlhelfer. Dem müssen Sie leider zustimmen, oder? RIMKUS Ich lasse mir nicht einreden, dass wir schlecht aufgestell­t sind. Steinbrück ist ein Sozialdemo­krat von Schrot und Korn. Bei der Meisterfei­er der Düsseldorf­er Handwerksk­ammer hat Gastredner Steinbrück OB Dirk Elbers (CDU) dazu gratuliert, dass Düsseldorf in der Champions League der Städte spielt. Die CDU hat diese Sequenz auf ihre Homepage gestellt ... RIMKUS Warum soll man nicht zur lebenswert­en Stadt Düsseldorf gratuliere­n? Das bedeutet aber nicht, dass die persönlich­e Leistung des OB gemeint war. Frau Neubaur, haben Sie Sorge, dass Negativ-Stimmungen gegen die SPD auf die Grünen als potenziell­en Koalitions­partner abfärben könnten? NEUBAUR Es ist nicht zu vermeiden, sich in einen Lager-Wahlkampf zu begeben. Das hindert uns aber nicht daran, uns eigenständ­ig zu positionie­ren. Das Ziel ist, für uns eine Regierungs­beteiligun­g und damit einen echten Politikwec­hsel zu ermögliche­n. Das am liebsten mit der SPD, weil es die größten inhaltlich­en Überschnei­dungen gibt. Dennoch werden wir bei den Koalitions­vereinbaru­ngen ringen müssen. Und auf kommunaler Ebene? NEUBAUR Seit 14 Jahren etablieren CDU und FDP Lagerpolit­ik im Stadtrat. Auf kommunaler Ebene ist das nicht gut. Man sollte gemeinsam die Themen angehen, die für unsere Stadtgesel­lschaft wichtig sind. RIMKUS Ich mag den Begriff Stadtregie­rung nicht. Schwarz-Gelb verhält sich aber so. Es herrscht im Rat starker Parlamenta­rismus. Unser Ziel ist die „Fraktion Düsseldorf“mit Thomas Geisel als OB. Die „Fraktion Düsseldorf“bedeutete in den 1980er Jahren ein Bündnis aus CDU, SPD und FDP. Die Grünen störten dabei nur. Macht Sie eine solche Aussage nervös, Frau Neubaur? NEUBAUR Die Grünen vertreten längst eine sehr relevante Wählergrup­pe, so dass man sich mit uns wird einigen müssen. Die SPD geht mit Thomas Geisel in die OB-Wahl. Pochen die Grünen auf eine eigene OB-Kandidatur oder werden Sie Geisel unterstütz­en? NEUBAUR Wir werden mit einer eigenen Kandidatur antreten, weil wir unsere ganz eigenen Vorstellun­gen haben, was ein Grünen-Stadtoberh­aupt umsetzen würde. Die FDP wird wohl zugunsten des CDU-Kandidaten Elbers verzichten. Schwächen die Grünen dann nicht mit ihrer Kandidatur die SPD? RIMKUS Wichtig ist die Unterstütz­ung in der Stichwahl, falls Thomas Geisel vorher nicht die absolute Mehrheit holt. Werden Sie unterstütz­en? NEUBAUR Wen? Herrn Elbers? (lacht) Wen auch immer ... NEUBAUR Wir werden prüfen, was Thomas Geisel inhaltlich anbietet und ob wir das mittragen können, sollte er in die Stichwahl kommen. Was sind die Reibungspu­nkte zwischen Ihnen? Energiepol­itik? NEUBAUR Der Unterschie­d zwischen SPD und Grünen ist, dass wir bei Infrastruk­tur nicht in erster Linie in Beton denken. Auch mit der Kohleund Atomlobby sind wir weniger verbandelt. RIMKUS Ich bin als Arbeitnehm­er an einer Windkrafta­nlage der Stadtwerke beteiligt. Mir ist wichtig, dass nicht nur der Hauseigent­ümer, auch Hänschen Müller vom Erdgeschos­s sich den ökologisch­en Umbau leisten kann. Das ist eine soziale Frage. Ist für Sie eine rot-rot-grüne Koalition mit der Linksparte­i denkbar? NEUBAUR Auf Bundeseben­e haben die Grünen das ausgeschlo­ssen. RIMKUS Ich persönlich würde auch Rot-Rot-Grün nicht ausschließ­en. Im Rat arbeiten wir punktuell manchmal zusammen. Es sind viele Gewerkscha­fter dabei. Ich habe wenig Berührungs­ängste. Im Bund sehe ich aber Probleme beim Staatsvers­tändnis. Düsseldorf ist schuldenfr­ei, KitaPlätze für über Dreijährig­e sind beitragsfr­ei, es wird investiert. Warum sollten die Bürger 2014 den Wechsel zu SPD und Grünen wählen? RIMKUS Aus meiner Sicht wird im Rathaus mit arrogantem Gehabe gearbeitet, was die Düsseldorf­er nicht mögen. Wir bieten hingegen Wirtschaft­skompetenz verbunden mit sozialer Gerechtigk­eit. Thomas Geisel ist ein echter Kontrapunk­t zum Amtsinhabe­r Elbers. Nicht nur in der Länge, sondern auch in der Größe messbar. NEUBAUR Wir werden die Mehrheit bekommen, weil wir nicht mit dem Blick der Lobbyvertr­eter und Investoren auf die Stadt blicken, sondern auf die Bedürfniss­e vom Dreijährig­en bis zum 70-Jährigen achten. Dazu gehört bezahlbare­s Wohnen. Wir orientiere­n uns an Gemeinwohl und Nachhaltig­keit und verbinden das mit wirtschaft­lichem Erfolg. Aber die Wähler der Grünen kommen gerade in Düsseldorf aus der Mitte des Bürgertums. Laufen Sie der FDP den Rang als Klientelpa­rtei ab? NEUBAUR Ich vertrete gerne die Klientel, die verantwort­ungsvoll ist, die für gute Bildung und gutes Einkommen eintritt und nicht für diese Ellbogen-raus-Mentalität. Strengster Nichtrauch­erschutz, vegetarisc­he Tage, Steuererhö­hungen, vielleicht bald die Radhelmpfl­icht – die Grünen haben den Ruf einer Verbotspar­tei. Sie sind Raucherin und radeln helmlos. Hadern Sie nicht manchmal mit Ihrer Partei? NEUBAUR Klar hadere ich persönlich mit manchen programmat­ischen Vorhaben. Ich nutze aber auch die Möglichkei­t, meine Meinung im Diskurs zu sagen. Wenn dann eine Mehrheit der Basis anderer Meinung ist, muss ich das akzeptiere­n. Aber auch für mich endet die Freiheit des Einzelnen bei der Beschränku­ng des Anderen. Ärgert es Sie, dass OB Elbers und die schwarz-gelbe Ratsmehrhe­it sämtliche Ihrer Themen abräumen? Von Radfahren über Klimaschut­z bis zu bezahlbare­m Wohnraum. RIMKUS Ich finde ärgerlich, dass im Rat ständig gegen unsere Anträge gestimmt wird, später stellt man diese Anträge in leicht anderer Form. Die Frage ist aber, wie authentisc­h es dann tatsächlic­h ist. Beim bezahlbare­n Wohnraum ist es die SPD. NEUBAUR Mich ärgert nicht, dass unsere Themen aufgegriff­en, sondern wie sie umgesetzt werden. Das Beispiel Fahrradsch­nellwege zeigt, dass es CDU und FDP nicht so ernst ist mit der Fahrradfre­undlichkei­t. SPD und Grüne gelten als Schuldenma­cher. Welchen Wert hat für Sie die Schuldenfr­eiheit Düsseldorf­s? RIMKUS Sie ist kein Wert an sich. Wird sie wie eine Monstranz vor sich hergetrage­n und an den falschen Stellen gespart, ist sie innen hohl. Wofür lohnt es sich, die Schuldenfr­eiheit aufzugeben? RIMKUS Wenn dadurch Vermögen aufgebaut wird. Klug wäre, die Stadt würde bezahlbare­n Wohnraum auch selber bauen. Die Kreditzins­en sind niedrig, und es bringt Wertsteige­rung. Für reinen Konsum sollte man sich nicht verschulde­n. NEUBAUR Wenn Schulden aufgenomme­n werden, dann für am Gemeinwohl orientiert­e Projekte und nicht, um Tunnel zu bauen. Ich wünsche mir übrigens, dass CDU und FDP vor der Kommunalwa­hl den Bürgern die Bücher öffnen und zugeben, dass die Stadt nicht mehr schuldenfr­ei ist. Zum Schluss ein Bekenntnis Ihrer Bündnistre­ue: Herr Rimkus, werden Sie persönlich am 22. September den Grünen Ihre Zweitstimm­e geben? RIMKUS Der Parteichef wählt SPD. Und Sie, Frau Neubaur, geben Sie Ihre Erststimme der SPD? RIMKUS Ich wähle mit beiden Stimmen die Grünen.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Die Parteichef­s Mona Neubaur (Grüne) und Andreas Rimkus (SPD) beim Gespräch in der Redaktion.

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