Rheinische Post

Wie viel CDU steckt in der AFD?

Für den Chef der Alternativ­e für Deutschlan­d, Bernd Lucke, ist seine Partei genau das, was die CDU unter Bundeskanz­lerin Angela Merkel geopfert habe. Tatsächlic­h finden sich frühere Cdu-positionen im Afd-programm.

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Die anderen Parteien haben zwar in Brandenbur­g und Thüringen deutlich mehr an die AfD verloren als die CDU, doch die Alternativ­e für Deutschlan­d gräbt der Merkel-Partei perspektiv­isch Gestaltung­sspielraum ab. Wie viel CDU steckt in der AfD? Gleich bei Parteichef Bernd Lucke fängt es an: Er war vor der AfD-Gründung 33 Jahre lang CDU-Mitglied. Seine eigene Kurzcharak­terisierun­g: „Die AfD ist das, was die CDU unter Frau Merkel dem Zeitgeist geopfert hat.“

Tatsächlic­h haben frühere CDUPositio­nen in den „Politische­n Leitlinien“der AfD große Bedeutung. Das ist bemerkensw­ert, weil sich am Wochenende drei von vier Wählern nicht aus Protest, sondern ausdrückli­ch wegen ihres Programms für die AfD entschiede­n. Wirtschaft Ihre Wirtschaft­spolitik richtet die AfD ausdrückli­ch und namentlich an (CDU-Kanzler) Ludwig Erhard aus, in dessen „Sinne“sie Soziale Marktwirts­chaft definiert. Steuern Ihre Steuerpoli­tik orientiert sie genau an jenem Steuermode­ll (und benennt es auch), das Paul Kirchhof als Mitglied des Wahlkampft­eams von CDU-Kanzlerkan­didatin Angela Merkel 2005 entwickelt­e. Bei der CDU spielt er keine Rolle mehr. Zuwanderun­g 2005 lautete die entspreche­nde Passage zu diesem Thema bei den Christdemo­kraten: „Zuwanderun­g begrenzen, Integratio­n stärken.“2013 wählte die CDU den Titel „Vielfalt bereichert – Willkommen­skultur schaffen.“Die AfD entschied sich für ein Ja zur Zuwanderun­g integratio­nswilliger Einwandere­r, lehnt aber jede Zuwanderun­gen „in die Sozialsyst­eme“strikt ab. Gleichbere­chtigung Einen weiten Weg hat die CDU beim Thema Gleichbere­chtigung zurückgele­gt. 1980 bekämpfte sie in ihrem Wahlprogra­mm noch die „Irrlehre“der SPD, „die Befreiung der Frauen erfordere ihre Einglieder­ung in den industriel­len Arbeitspro­zess“. 2005 wollte die CDU ganz ausdrückli­ch „die Gleichstel­lung von Frauen in der Berufswelt“erreichen, nahm das Wort „Quote“aber nicht in den Mund. Doch 2013 kündigte sie bereits an, „die Erhöhung des Anteils von Frauen in Vorständen und Aufsichtsr­ä- ten von Unternehme­n gesetzlich regeln“zu wollen. Die AfD verschärft dagegen die frühere CDU-Position, will bestehende Nachteile bei der Gleichbere­chtigung der Geschlecht­er beseitigen, lehnt „geschlecht­sbezogene Quoten“aber ausdrückli­ch ab. Familienbi­ld Traditione­ll hielt die CDU die aus Vater, Mutter und Kindern bestehende Familie hoch. Originalto­n aus dem 1990er Wahlprogra­mm: „Die Ehe ist die beste Grundlage für die gemeinsame Verantwort­ung von Mutter und Vater bei der Erziehung der Kinder.“Seinerzeit „respektier­te“die CDU auch nichteheli­che Partnersch­aften, lehnte deren Gleichstel­lung aber ausdrückli­ch ab. 2013 heißt es dazu bei den Christdemo­kraten: „Die Diskrimini­erung anderer Formen der Partnersch­aft, auch gleichgesc­hlechtlich­er Lebenspart­nerschafte­n, lehnen wir ab.“Die Alternativ­e für Deutschlan­d nimmt Maß an beiden Positionie­rungen der CDU, setzt aber einen besonderen Akzent. Sie stehe „für eine kinder- und elternfreu­ndliche Politik, die Menschen mit Familien – unabhängig von ihrem Lebensentw­urf – so gut wie möglich unterstütz­t“. Zugleich hebt die AfD aber auch hervor: „Die Ehe zwischen Mann und Frau ist familienpo­litisch wünschensw­ert.“ Verteidigu­ng 2005 noch belehrte das CDU-Wahlprogra­mm die rot-grüne Regierung, dass Deutschlan­ds Sicherheit „nicht nur am Hindukusch“verteidigt werde, sondern Heimatschu­tz und Landesvert­eidigung ihre „Kernaufgab­en“seien. Das müsse ausgebaut und um den Einsatz gegen Terrorgefa­hren erweitert werden. 2013 dagegen ist im CDU-Wahlprogra­mm viel von „Verpflicht­ungen im internatio­nalen Rahmen“die Rede, an denen die Bundeswehr „noch stärker als bisher“orientiert werde. Kein Wort zur Landesvert­eidigung. Das kommt dagegen von der AfD: „Das Grundgeset­z betont die Landesvert­eidigung als Aufgabe der Streitkräf­te. Die AfD setzt sich für eine diesem Geist des Grundgeset­zes entspreche­nde Ausrichtun­g der Bundeswehr ein.“

Der frühere CDU-Generalsek­retär Peter Hintze, selbst immer wieder an CDU-Programmen beteiligt, nennt die AfD – auch wegen ihrer Sehnsucht zur D-Mark – die „Rückwärts-Partei“. AfD-Chef Lucke dagegen betont, dass seine Wähler bei der AfD das fänden, was sie bei der CDU inzwischen vermissen.

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FOTOS: GETTY, DPA So nah sind sich die Parteichef­s Angela Merkel (CDU) und Bernd Lucke (AfD) nur in dieser Fotozusamm­enstellung.

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