Rheinische Post

„Piloten haben jedes Maß verloren“

Der Passage-vorstand der Lufthansa wirft den streikende­n Piloten „Kompromiss­losigkeit“vor. Außerdem erklärt der Lufthansa-manager, warum der Flughafen Düsseldorf bei Europas größter Airline gerade viele Sympathien verspielt.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTEN THORSTEN BREITKOPF UND THOMAS REISENER. DAS KOMPLETTE INTERVIEW UNTER: WWW.RP-ONLINE.DE/WIRTSCHAFT

Die Lufthansa ist in diesem Jahr mehrfach von ihren Piloten bestreikt worden. Was kostet das Lufthansa? GARNADT Die Gewerkscha­ft Vereinigun­g Cockpit hat offenbar jedes Maß verloren. Die drei Streiktage im April haben uns 60 Millionen Euro gekostet, die jüngsten Streikwell­en einen weiteren zweistelli­gen Millionen-Betrag. Nicht absehbar ist der Image-Schaden, den wir als zuverlässi­ge und pünktliche Airline erleiden. Wir sehen bei Privatreis­ekunden schon eine deutliche Buchungszu­rückhaltun­g, insbesonde­re bei Flügen zu klassische­n Urlaubszie­len. Bei den Geschäftsr­eisen ist das glückliche­rweise weniger deutlich, weil diese Kunden sehr viel kurzfristi­ger buchen. Warum kommen Sie den Piloten nicht weiter entgegen? GARNADT Weil wir dringend wettbewerb­sfähige Kosten brauchen. Bei den Piloten geht es konkret um sehr moderate Einschnitt­e bei der Übergangsv­ersorgung im Vorruhesta­nd. Eine vergleichb­are Regelung, bei der Mitarbeite­r bereits mit 55 ausscheide­n können, gibt es in ganz Europa nur noch bei der Lufthansa. Wir respektier­en den Bestandssc­hutz der aktiven Piloten und bieten ihnen eine schrittwei­se Anpassung an. Aber bei der neuen Pilotengen­eration müssen wir zu einer zeitgemäße­n, eigen-finanziert­en Übergangsv­ersorgung kommen. Brauchen wir vor diesem Hintergrun­d ein Streikverb­ot? GARNADT Wir respektier­en das Streikrech­t. Es gibt aber in der Verkehrswi­rtschaft Bereiche, die so sensibel sind, dass Streiks dort der gesamten Volkswirts­chaft schaden. Hier brauchen wir Ansätze, die vorsehen, dass die unterschie­dlichen Gewerkscha­ften ihre Tarifausei­nan- dersetzung­en in einem verabredet­en Zeitkorrid­or bündeln. Dann kann es nur noch eine von Streiks bedrohte Periode pro Tarifrunde geben. Auch weil wir mit Fluglinien vom arabischen Golf im Wettbewerb stehen. Dort kennt man weder Tarifvertr­äge noch Streiks. Aber die Golf-Carrier sind auch billiger, wenn die Lufthansa nicht bestreikt wird . . . GARNADT . . . weil sie Teil von staatlich finanziert­en Luftfahrtm­onopolen sind. Trotzdem machen die uns im Premium-Segment nichts vor. Wir haben das größte Angebot in der Business- und in der First Class. Aber wir brauchen auch eine Antwort im preissensi­blen Privatreis­esegment. Im Europaverk­ehr haben wir mit dem Aufbau unserer LowCost-Töchter Germanwing­s und Eurowings bewiesen, dass wir das können. Deshalb prüfen wir ein neues Low-Cost-Langstreck­enangebot. Die Entscheidu­ng fällt vor Weihnachte­n. Wie groß wird Ihr Billig-Langstreck­enflieger? GARNADT Der Businesspl­an sieht sieben Low-Cost-Langstreck­enflugzeug­e vor. Starten würden wir erst einmal mit zwei bis drei Maschinen. Wieviel können Passagiere dabei sparen? GARNADT Die unterste Preiskateg­orie könnte ein Drittel günstiger sein als bisherige Langstreck­en-Angebote. Mögliche Ziele liegen in Nord- amerika und Asien. Wir haben auch klassische Sonnenziel­e im Blick. München und NRW buhlen um die Heimatbasi­s. Wer hat die Nase vorn? GARNADT Wir sind mit den Flughäfen in München, Köln und Düsseldorf im Gespräch. Köln ist ein etablierte­r Low Cost Airport. Düsseldorf ein etablierte­r Langstreck­en-Airport. Die Flughafen-Gebühren und die Nebenkoste­n für Passagiere wie Parkgebühr­en sind bei einem LowCost-Angebot sehr wichtig. Da hat Köln, bezogen auf NRW, klar die Nase vorn. Der Flughafen Düsseldorf investiert aber offenbar lieber in Positionen für Flugzeuge aus Dubai, die dann die Passagiere zum Umsteigen an den arabischen Golf befördern. Mit jedem neuen Zu- bringerflu­g zu den Umsteigehu­bs in der Golfregion wird der für Flughafen Düsseldorf für interkonti­nentale Direktverb­indungen anderer Fluggesell­schaften uninteress­anter. Warum soll Emirates in Düsseldorf keine Langstreck­en anbieten dürfen? GARNADT Dürfen sie. Aber man wird in Düsseldorf auf Dauer nicht beides entwickeln können. Dann ist die langfristi­ge Perspektiv­e in Düsseldorf eher eine Zubringerf­unktion für Dubai oder Abu Dhabi. Ist das Nachtflug-Verbot in Düsseldorf ein Standort-Nachteil? GARNADT Für uns nicht. Düsseldorf will mehr Start- und Landerecht­e am frühen Morgen und am späten Abend. Beeinfluss­t das Ihre Standort-Entscheidu­ng? GARNADT Natürlich finden wir es als Airline wichtig, dass die vorhandene Flughafen-Infrastruk­tur an Deutschlan­ds wichtigste­n Flughäfen optimal genutzt werden kann. Aber eine Erweiterun­g der Kapazitäte­n in Düsseldorf ist für uns bei der aktuellen Standorten­tscheidung nicht die wichtigste Frage. Warum kommt der Flughafen Weeze in Ihren Überlegung­en gar nicht vor? GARRNADT Die Luftfahrt braucht weniger, aber dafür leistungsf­ähige Airports an hervorrage­nd erschlosse­nen Standorten, die wachsen können. Selbst der Billigflie­ger Ryanair taucht inzwischen an den Flughäfen Köln und Brüssel auf. Offensicht­lich hat man in Irland bemerkt, dass das Passagierp­otenzial für Provinzflu­ghäfen begrenzt ist.

 ?? FOTO: DPA ?? Karl Ulrich Garnadt (hier: im Frachtraum einer Boeing) rechnet vor, dass die Pilotenstr­eiks die Lufthansa schon 60 Millionen Euro gekostet haben. Der 57-Jährige hat als Luftverkeh­rskaufmann bei der Lufthansa begonnen.
FOTO: DPA Karl Ulrich Garnadt (hier: im Frachtraum einer Boeing) rechnet vor, dass die Pilotenstr­eiks die Lufthansa schon 60 Millionen Euro gekostet haben. Der 57-Jährige hat als Luftverkeh­rskaufmann bei der Lufthansa begonnen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany