70 Jahre Volkspartei
Die CDU wird oft als „Kanzlerwahlverein“geschmäht. Heute feiert die Partei, die mehr innerparteiliche Demokratie wagen will, ihr Jubiläum.
BERLIN Um zu erklären, wie Parteien funktionieren, werden üblicherweise Soziologen, Politologen, Historiker und, wenn es sein muss, auch mal Psychologen herangezogen. Den Christdemokraten kann man sich aber auch mit dem Naturforscher Charles Darwin nähern. Er vertrat bekanntermaßen die Theorie, dass sich die besonders anpassungsfähigen Lebewesen auf Dauer durchsetzen. Und Anpassungsfähigkeit legt auch die CDU an den Tag. Im Zweifel siegt bei ihr die Fähigkeit zum Wandel über das Konservative. Genau diese Eigenschaft ist vielleicht der Grund, warum die CDU auch in Zeiten sich auflösender parteipolitischer Milieus eine Volkspartei geblieben ist.
Seit mehr als 15 Jahren wird die Partei von einer Frau geführt, die das naturwissenschaftliche Prinzip der Anpassungsfähigkeit in der Poli- zender der Bundespartei, zu dem Zeitpunkt ist er schon ein Jahr Kanzler. Er passt die junge Bundesrepublik an die sich neu formierende Weltordnung der Nachkriegszeit an. Adenauer setzt die Westintegration durch, knüpft neue Verbindungen nach Frankreich und zu den USA. Innenpolitisch profitiert er in den Anfangsjahren der jungen Bundesrepublik von seinem Wirtschaftsminister Ludwig Erhard, der die soziale Marktwirtschaft zu einem Erfolgskonzept werden lässt, dem heute andere Parteien nacheifern.
Adenauer gelingt zeitgleich die Einigung der vielen Kleinstparteien zu einer Union. Die CDU gilt damals als „Kanzlerwahlverein“. Es geht darum, dem charismatischen Adenauer die Macht zu sichern, inhaltlich gearbeitet wird in der Regierung. Ein Grundsatzprogramm gibt sich die CDU erst Anfang der 70er Jahre. Der Historiker Frank Bösch, Direktor des Zentrums für zeithistorische Forschung in Potsdam, erklärt: „Bis in die 60er Jahre kannte die CDU als Partei keine Programmatik und kein Parteileben. Alles lief über den Kanzler.“
Adenauer steigert die Gestaltungskraft der CDU und ihrer bayerischen Schwester CSU über umfassende Sozialreformen bis hin zur absoluten Mehrheit. 1949 landet die CDU mit 31 Prozent nur knapp vor den Sozialdemokraten (29,2 Prozent), 1957 erreichen die Christdemokraten 50,2 Prozent, nachdem Adenauer die dynamische Rente eingeführt hat.
Nach dem dreijährigen Intermezzo der Großen Koalition wendet sich die FDP 1969 auch im Bund von der CDU ab und begründet eine sozialliberale Ära, die bis 1982 währt und die CDU zwingt, sich in der Opposition zu regenerieren und zu modernisieren. Die gesellschaftlichen Debatten, von der Ostpolitik bis zur Abtreibung, vermag sie jedoch kaum zu bestimmen. Erst die nochmalige Wende der FDP bringt die CDU mit Helmut Kohl 1982 zurück ins Kanzleramt. Anders als SPD und Grüne erkennt die Kohl-CDU 1989, was die Stunde schlägt, und setzt konsequent auf eine schnelle Wiedervereinigung. Dies sichert ihr acht weitere Regierungsjahre. Nach dem Machtverlust an Rot-Grün kommt sie zur Jahrtausendwende durch Kohls gesetzeswidrigen Umgang mit Parteispenden in schwere Turbulenzen. Hier ist es die Generalsekretärin Merkel, die den Bruch zwischen Kohl und CDU vollzieht. Gleichwohl setzt ein Wiedererstarken über Wahlsiege in den Ländern erst mit Verzögerung ein. In der sieben Jahre währenden Oppositionszeit profiliert sich die CDU als Marktwirtschaftspartei, die Wachstumskräfte wecken und Deutschland fair ändern will.
Weil es nicht mit der FDP, sondern nur mit der SPD 2005 zur erneuten Regierungsübernahme reicht, bleibt der neue, als neoliberal kritisierte Reform-Entwurf beim