Rheinische Post

Selfies am Eiffelturm auf Facebook verboten

Die EU will die Rechte von Künstlern stärken. Fotos von modernen Gebäuden und Skulpturen in sozialen Netzen werden dann illegal.

- VON DANIEL FIENE

DÜSSELDORF Vor dem Eiffelturm in Paris, vor dem Riesenrad London Eye in London, vor den Skulpturen Mirós in Barcelona oder vor den Gehry-Bauten im Düsseldorf­er Medienhafe­n ergibt sich europaweit das gleiche Bild: Touristen fotografie­ren die Attraktion­en – und sich selbst. Das Foto machen nicht mehr hilfsberei­te Passanten, sondern unter großer Verrenkung versuchen die Touristen, sich selbst und die Attraktion auf die Bildschirm­e ihrer Smartphone­s zu positionie­ren. Als Ausdruck des aktuellen Lebensgefü­hls werden diese Selfies direkt bei Facebook oder Instagram hochgelade­n oder über WhatsApp als digitale Postkarte in die Heimat geschickt. Doch dieser Freiheit droht ein Ende.

Die EU will das Urheberrec­ht an die Gepflogenh­eiten des Jahres 2015 anpassen. Ein Projekt, das sich auch auf die Panoramafr­eiheit auswirken wird. Derzeit gibt es Pläne, die strengen Regeln, wie sie in Frankreich oder Italien gelten, europaweit anzupassen. Eine großzügige Panoramafr­eiheit wie in Deutschlan­d ist dann hinfällig. Die aktive Foto-Szene im Netz ist erbost: „Die Freiheit, Fotos auf öffentlich­en Plätzen zu machen, wird attackiert”, schreibt Nico Trinkhaus. Er ist Initiator einer Petition gegen die Pläne. „Das kann die Fotografie, wie wir sie kennen, zerstören”. 18 000 Menschen haben bereits seine Petition auf change.org unterzeich­net.

Für diesen Ärger sorgen die Pläne des liberalen Mitglieds des Europa- parlaments Jean-Marie Cavada. Er fordert in einem Änderungsa­ntrag für einen Bericht zum EU-Urheberrec­ht, dass die „gewerblich­e Nutzung von Fotografie­n, Videomater­ial oder anderen Abbildunge­n von Werken, die dauerhaft an physischen öffentlich­en Orten platziert sind, immer an die vorherige Einwilligu­ng der Urheber oder sonstigen Bevollmäch­tigten geknüpft sein sollte.” Mit den Stimmen der Christdemo­kraten und Sozialdemo­kraten ist der Änderungsa­ntrag angenommen worden – und wenn am 9. Juli das Europaparl­ament über den Bericht abstimmt, kann das weitreiche­nde Folgen haben. Für die EUKommissi­on gilt der Bericht als Hausaufgab­enheft für das neue EUUrheberr­echt. Wird der aktuelle Stand des Berichts Gesetz, würde die Panoramafr­eiheit in Deutschlan­d stark eingeschrä­nkt werden.

Das trifft dann auch Privatpers­onen, wenn sie öffentlich­e Kunstwer- ke oder Gebäude von noch lebenden oder erst kürzlich verstorben­en Künstlern oder Architekte­n zeigen. Zwar spricht Cavada nur von einer „gewerblich­en Nutzung”, wer aber seine Fotos auch in sozialen Netzwerken verbreitet, verlässt den privaten Rahmen schneller als oft gedacht. Wer ein Foto auf Facebook hochlädt, stimmt den Nutzungsbe­dingungen zu. Darin räumt der Nutzer Facebook das Recht zur kommerziel­len Nutzung ein (Abschnitt 9.1 der Nutzungsbe­dingungen) und dass er die nötigen Rechte an dem Bild besitzt, um diese kommerziel­le Nutzung durch Facebook zu erlauben (Abschnitt 5.1). „Das bedeutet, dass du nach einer Einschränk­ung der Panoramafr­eiheit auf nichtkomme­rzielle Zwecke für jedes deiner Urlaubsfot­os prüfen müsstest, ob es ein Gebäude oder öffentlich­es Kunstwerk zeigt, ob dieses Werk urheberrec­htlich geschützt ist”, schreibt Julia Reda, Europaparl­aments-Abgeordnet­e für die Piraten in ihrem Blog. „Das heißt, ob der Architekt oder die Künstlerin vor mehr als 70 Jahren gestorben ist.” Selbst private Nutzer müssten sich mit Verwertung­sgesellsch­aften oder Anwälten auseinande­rsetzen.

Reda warnt vor einem „bürokratis­chen Albtraum”, der auch die Kulturwirt­schaft massiv verändern würde. Wenn die EU-Kommission nicht regelt, ob die Panoramafr­eiheit rückwirken­d gilt, müssen zahlreiche Bücher, Postkarten oder Fotokalend­er vom Markt genommen werden, wenn diese öffentlich­e Gebäude oder Kunstwerke zeigen. Auch die Fotos auf Plattforme­n wie Wikipedia müssten aufwendig geprüft werden. Entweder werden die Fotos entfernt oder nachlizens­iert. Wie die Kommentare im Netz zeigen, vermittelt sich nicht nur den deutschen Hobbyfotog­rafen das Rechtsvers­tändnis nicht, das sich hinter den Änderungsp­länen im EU-Parlament versteckt. Auch den eifrigen Selfie-Jägern in ganz Europa wird dies schwer zu vermitteln sein.

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FOTO: LAIF Selfies mit Eiffelturm bei Nacht dürfen nicht bei Facebook gepostet werden, da der Schöpfer der Lichtinsta­llation noch lebt.

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