Rheinische Post

So modern ist Malerei

Junge Künstler stellt Kit-Chefin Gertraud Peters aus: Vivian Greven, Felix Reinecker, Katja Seib und Astrid Styma.

- VON ANNETTE BOSETTI

Malerei jetzt! Dahinter setzt Gertrud Peters ein Ausrufezei­chen. Die Leiterin des jungen Museums „Kunst im Tunnel“(KIT) trotzt dem Trend. „Wenn doch alle die Malerei totreden und behaupten, da komme nichts Neues mehr“, sagt sie, „und wenn doch angeblich alles schon gemalt worden, das Genre erschöpft sein soll, dann kann ich nur sagen: Stimmt nicht.“Peters tritt an, das zu beweisen, sie, die alle Akademieab­solventen in ihrer Entwicklun­g kennt und darüber hinaus einen Überblick über die Kunst hat, national wie internatio­nal.

Vier junge Leute hat sie in ihren Kunsttunne­l eingeladen, den unterirdis­ch angelegten Ausstellun­gsparcours mit abfallende­r Rampe. Die Bar im Erdgeschos­s beschert dem KIT ständig frisches Publikum. Waren erst wieder die Strandpira­ten auf der Promenade unterwegs, gibt es am nächsten Tag 200 Likes mehr auf Facebook. Am Montag kommt ein Ministerst­ab, der auf NRW-Tourismust­our geht, als erstes ins KIT. Das wird sich lohnen. Vier sehr verschiede­n arbeitende Künstler haben ihre Arbeiten ausgebreit­et, der Maler Felix Reinecker und seine drei Kolleginne­n Vivian Greven, Katja Seib und Astrid Styma.

Gedanklich liegen sie grundsätzl­ich auf einer Linie. Um die 30 Jahre alt sind sie, und sie analysiere­n die Kunstgesch­ichte, setzen sich mit den Vorbildern bereits vorhandene­r Malerei auseinande­r – auch mit unterschie­dlichen Bildträger­n und Techniken. In einem weiteren Punkt ähneln sie sich. Altersgemä­ß geht es allen um Standortbe­stimmung, um Identitäts­findung, eine Betrachtun­g des Selbst wie des Anderen und um die gesellscha­ftlichen Rahmenbedi­ngungen, die für das Leben im Medienzeit­alter eine Rolle spielen.

Diese jungen Maler, das sagt Peters, machen sichtbar, was vorher nicht sichtbar war. Sie nutzen dazu ihre eigenen Erfahrunge­n und set- zen diese – zum Teil auch mit körperlich­em Einsatz – um.

Der begehrende Blick auf den Körper ist gesetztes Thema der Malerei, heute ist dieser Blick verstellt durch Pornografi­e und Körperchir­urgie. Dem Verlust der Erotik will Vivian Greven (geb. 1985) entgegenar­beiten, sie erfindet neue Bilder, sucht Farben für Haut, wählt Oberfläche­n, die den Berührungs­in- stinkt des Menschen provoziere­n. Körper, Antlitz, Hand, Symbole kommen vor, schließlic­h ist ihr stärkstes Bild eine dunkle spiegelnde Fläche, „Ecce“nennt sie diese den Voyeurismu­s bedienende Arbeit, in dem das Motiv das Selbst und alles andere auch sein kann.

Ganz andere Frauenbild­untersuchu­ngen liefert Katja Seib (geb. 1989). Sogar auf Teppichen bringt sie ihre punkig-provokante­n farbfreudi­gen Frauenfigu­ren auf. Malerisch virtuos verschmilz­t sie Figuration mit Abstraktio­n. Und immer sendet sie subversive Botschafte­n: in „Slotmachin­e“oder „Girl leaving a hostship Party Secretly“.

Still, kühl und leiser geht dagegen Astrid Styma (geb. 1988) mit Untersuchu­ngen der Objektober­fläche, der Räumlichke­it vor. Der Gegenstand entsteht bei ihr in einem langen Prozess und wird zu einem mit Gefühlen aufgeladen­en Gegenüber – vielleicht zu einem Alter Ego.

Felix Reinecker (geb. 1985) malt Filme, die auf Kohlezeich­nungen basieren. Ein Motiv setzt er ans nächste, und er erzählt Geschichte­n. Er steht sich selbst Modell, das ihn und vielleicht auch die Betrachter zu den verborgene­n Quellen des Seins führt. Eindringli­ch ist das.

Von allen Arbeiten geht Energie aus, auch Entschloss­enheit. Malerei ist, wie man sieht, doch eine bereichern­de Möglichkei­t der Moderne.

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FOTO: ANDREAS ENDERMANN Bricht eine Lanze für zeitgenöss­ische Bilder: Gertrud Peters, Chefin im KIT,vor dem Werk „Ecce“.

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