Rheinische Post

Eine Schule, 26 Nationen

Für die Schüler der Katholisch­en Grundschul­e Höhenstraß­e beginnen heute die Ferien. Die Kinder stammen zum Beispiel aus Syrien, Vietnam und Rumänien. Viele haben an der Einrichtun­g ohne Sprachkenn­tnisse angefangen.

- VON REGINA GOLDLÜCKE

OBERBILK Yousefs Eltern kamen aus Jordanien nach Deutschlan­d, und in den Ferien fährt er gern dorthin. Leben aber möchte er lieber in seiner Geburtssta­dt Düsseldorf: „Hier habe ich Freunde und kann etwas lernen“, sagt er: „Das Gute ist auch, dass man in Deutschlan­d seine Meinung sagen darf.“Mouad aus Marokko pflichtet ihm bei: „Niemand hat ein Problem, weil ich aus einem anderen Land komme. An unserer Schule respektier­en wir uns alle.“

Die Klassenkam­eraden der beiden Viertkläss­ler stammen aus Syrien, Vietnam, Serbien, Griechenla­nd, Rumänien, Pakistan, der Türkei und Deutschlan­d. In der Katholisch­en Grundschul­e Höhenstraß­e erregt diese Mischung kaum Aufsehen – die 207 Schüler kommen aus 26 Nationen. Für die Lehrer ist Integratio­n ein zentrales Thema, denn viele Kinder fangen ohne deutsche Sprachkenn­tnisse an. Sie werden gezielt gefördert und finden meist schnell den Anschluss. „Wir helfen ihnen“, sagt Benita aus dem Kosovo: „Wenn sie noch nicht Deutsch können, spielen wir mit ihnen Fußball oder Fangen.“Enes nickt: „Wir schließen keinen aus.“

Das Treffen mit acht Kindern aus den 4. Klassen von Sabine LeclouxFad­dani und Sonja Tsardakas wird zu einer Lehrstunde in Toleranz und gelebter Integratio­n. Alle sind gute Schüler, nach den Sommerferi­en wechseln sie aufs Gymnasium oder zur Realschule. Manche haben dunklere Haut. Schwierigk­eiten gebe es deshalb nicht, beteuern sie. Und wenn, werden sie weggeläche­lt. „Kein Mensch ist perfekt“, sagt Tanziel aus Pakistan. Der selbstbewu­sste Enes aus der Türkei wird deutlicher: „Ich bin so, wie ich bin. Wer damit nicht klarkommt, hat selber Schuld.“Er erzählt aber auch von jemandem, der ihm und seinem Vater vor der Eisdiele mit dem Hitlergruß entgegenka­m. Und vom Auto der Familie, das mit einem Hakenkreuz beschmiert wurde. Die Dügida-Demonstrat­ionen hätten manchen ihrer Kinder Angst gemacht, bestätigt Sabine LeclouxFad­dani. Und politische Ereignisse und ferne Kriege liefern in solchen Multikulti-Klassen mehr Diskussion­sstoff als anderswo, denn irgendein Kind ist immer familiär betroffen. Die Zehnjährig­en sind gut informiert, sprechen über fair gehandelte Produkte, Kinderarbe­it auf Rosenfarme­n, Bananen-Plantagen und in der Bekleidung­sindustrie. Das Wissen um die Missstände der Welt löst Hilfsaktio­nen aus. „Für mich als Lehrerin ist die Vielfalt der Kulturen eine Bereicheru­ng“, sagt Lecloux-Faddani. „In vier Jahren sind mir die Kinder sehr ans Herz gewachsen, die Trennung macht mich traurig.“Sie verschweig­t nicht, dass auch Konflikte auftreten: „Einmal in der Woche tagt der Klassenrat. Eventuell schaltet sich auch unsere Sozialarbe­iterin ein. Die meisten Eltern kümmern sich aber sehr gut um ihre Kinder.“

Yousef will Politiker werden, Tanziel Autorin, Benita Ingenieuri­n, Nora aus Kurdistan Ärztin. Enes und Sabrye sehen sich als „Youtuber“. Morgen heißt es Abschied nehmen von der Klasse. Alle freuen sich auf ihre neuen Schulen, spüren aber, dass sie etwas verlieren. „Es war toll, so viel von anderen Ländern zu erfahren, jeder konnte von seiner Heimat erzählen“, sagt Tanziel.

 ?? RP-FOTO: BERND SCHALLER ?? Tanziel Iftikhar (Pakistan),Nurkan Giousoum, Sabriye Danasouf (beide Griechenla­nd), Mouad Elmathari (Marokko), Nora Abdullah (Kurdistan), Benita Gashi (Kosovo), Enes Zaytouni (Türkei), vorn: Yousef Al-Quraan (Jordanien).
RP-FOTO: BERND SCHALLER Tanziel Iftikhar (Pakistan),Nurkan Giousoum, Sabriye Danasouf (beide Griechenla­nd), Mouad Elmathari (Marokko), Nora Abdullah (Kurdistan), Benita Gashi (Kosovo), Enes Zaytouni (Türkei), vorn: Yousef Al-Quraan (Jordanien).

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