Ministerin hoch zu Ross
Bei der EM in Aachen machen die Dressurreiter den Anfang. Rund 350 000 Zuschauer werden in den 13 Tagen erwartet.
AACHEN Totilas-Reiter Matthias Rath schob noch entspannt den Kinderwagen mit dem zehn Monate alten Söhnchen Constantin Victor Samuel über die Reitanlage in der Aachener Soers. Seine Mannschaftskameradin Kristina BröringSprehe im taupefarbenenen Spitzenkleid zog die Blicke beim Buffet im Champions’ Circle auf sich. Es herrschte eine entspannte Stimmung bei den deutschen Dressurreitern vor dem Start in die Europa- meisterschaft. Die deutsche Equipe gehört heute und morgen im ersten Wettbewerb zu den Favoriten. Eine Medaille, die Titelverteidigung nach dem Erfolg 2013 im dänischen Herning, das wäre schon ein wichtiger Fingerzeig in Richtung der Olympischen Spiele, die in genau einem Jahr in Rio de Janeiro (Brasilien) stattfinden.
Aachen erlebt eine EM der Superlative. Kontinentale Meisterschaften in fünf reitsportlichen Disziplinen an einem Ort hatte es nie zuvor gegeben. Schon die Eröffnungsfeier gestern Abend machte deutlich, dass in der Kaiserstadt der Höhepunkt des Reitsportjahrs stattfindet. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft eröffnete das 13-tägige Sportfest. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ritt in einer Quadrille der Landgestüte mit 68 Hengsten – sehr zur Freude ihres Mannes Heiko, der sie nur selten zu öffentlichen Auftritten begleitet. Eigens für den Ritt auf dem Hengst Montesqieu hatte sie einige Trainingseinheiten in Celle absolviert.
In der Mitte des großen Stadions, das erst in der nächsten Woche von den Springreitern beansprucht wird, liegt seit ein paar Tagen ein helles Rechteck. Dort präsentieren sich angeführt von der Britin Char- lotte Dujardin, in den vergangenen Jahren die Nummer eins in ihrem Fachbereich, die besten Dressurpaare des Kontinents. Für den Höhepunkt am Sonntag, die Entscheidung in der Kür zur Musik, erwarten die Organisatoren um Michael Mronz und Frank Kemperman 40 000 Zuschauer.
Das sind rund 10 000 mehr, als ins benachbarte Fußballstadion der Alemannia passen. Insgesamt rechnen die Gastgeber mit mehr als 350 000 Zuschauern. Nach der WM 2006 kann Aachen so seine Position als Welthauptstadt dieser Sportart wieder unterstreichen. Der Etat liegt bei 24 Millionen Euro, rund ein Drittel davon wird über Eintrittsgel- der erwirtschaftet. Der Rest kommt durch Sponsoren und durch die Einnahmen aus der Ladenstraße herein. Das Land Nordrhein-Westfalen beteiligt sich mit drei Millionen Euro. „So eine EM wird es so schnell nicht wieder geben“, sagt Mronz.
Für Rath und den mittlerweile 15 Jahre alten Totilas, die sich erst auf den letzten Drücker ins EM-Aufgebot schoben, wird Aachen zur Bewährungsprobe. „Die Erwartungshaltung ist natürlich hoch“, sagt der 31-Jährige. Das Paar wird immer noch gemessen an den Leistungen von Raths Vorgänger im Sattel, dem Niederländer Edward Gal, und der kolportierten Summe von zehn bis 15 Millionen Euro, die Paul Schockemöhle und Ann-Kathrin Linsenhoff gezahlt haben.
Verschiedene Verletzungen, die Diskussion um umstrittene Trainingsmethoden – Totilas lieferte Diskussionsstoff wie noch nie ein Hengst zuvor in Deutschland. Dass im Rummel um Totilas, der nun wieder losbricht, die anderen Paare in der Wahrnehmung etwas kurz kommen „kratzt uns nicht“, sagt Bundestrainerin Monica Theodurescu. Nachdem Helen Langehanenberg, bislang die Nummer eins im deutschen Dressursport, das Pferd Damon Hill nicht mehr zur Verfügung steht, braucht sie Rath und Totilas in guter Verfassung.