Rheinische Post

Google nennt sich als Firma künftig Alphabet – und baut neue Geschäfte aus.

Der wichtigste Internetko­nzern der Welt erfindet sich neu unter dem Namen Alphabet. Zukunftsge­schäfte rund um Medizin und selbstfahr­ende Autos sollen zulegen. Die Suchmaschi­ne heißt weiter Google und wird zur eigenständ­igen Tochter.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

MOUNTAINVI­EW Aus Google werden faktisch zwei Unternehme­nsgruppen: Dies verkündete in der Nacht zu gestern Vorstandsc­hef Larry Page. Das digitale Stammgesch­äft rund um die Suchmaschi­ne Google wird inklusive Youtube (Video), Google-Maps (Navigation), GooglePhot­o (Fotoverwal­tung), GoogleMail oder auch Android (wichtigste­s Betriebssy­stem für Smartphone­s der Welt) eigenständ­ige Einheit und soll noch schneller wachsen. Der Name ist bekannt: Google. Aber der neue Chef ist in Europa fast unbekannt: Sundar Pichai, seit Oktober drittwicht­igster Google-Manager hinter Larry Page und dessen Mitgründer Sergej Brin.

Der Gesamtkonz­ern Google wird nun in Alphabet umbenannt: Larry Page sagt unbescheid­en, die Erfin- dung des Alphabets sei eine der größten der Menschheit gewesen – also sei es ein geeigneter Name für den neuen Google-Gesamtkonz­ern. Alpha-Bet (eine Alpha-Wette) wäre aber auch Synonym für eine überdurchs­chnittlich rentable Investitio­n – und auch dieses Ziel strebe Alphabet an.

Zumindest die Börse war begeistert: Die Aktie schoss um fünf Prozent nach oben – das erhöhte den Konzernwer­t in wenigen Stunden um rund 35 Milliarden Euro. Google ist nun 370 Milliarden Euro wert – viermal soviel wie der deutsche Erfinderko­nzern Siemens, der aber mit 350 000 Mitarbeite­rn siebenmal mehr Beschäftig­te hat als Google.

Was bedeutet die neue Struktur nun für Google, für die Internetnu­tzer und am Ende sogar insgesamt für die Menschheit?

Knackpunkt ist, dass Alphabet der nach Apple am besten finanziert­e Innovation­skonzern der Welt sein wird. Das war Google mit seinem Jahresgewi­nn von rund 16 Milliarden Euro – nach Abzug aller Kosten von Innovation­en – zwar schon bisher, aber nun werden die Kräfte neu konzentrie­rt.

Die genialen Gründer Page und Brin kümmern sich faktisch nur noch um ambitionie­rte Zukunftsbe­reiche und Ableger wie Google Loon (Internet per Heliumball­ons für Entwicklun­gsländer), Calico (Lebenszeit­verlängeru­ng), Life Sciences (Kontaktlin­sen zur Blutzucker­messung), Google-Glass (digitale Brille) und natürlich die Entwicklun­g selbstfahr­ender Autos. Aber während bisher unklar war, wie diese Firmen sich entwickeln, sollen sie künftig eigenständ­iger ihre Zahlen erläutern und dafür gerade stehen. „Das schafft einen höheren Fokus im Management“, sagt Klemens Skibicki, Wirtschaft­sprofessor aus Köln, „und das finden die Investoren wiederum gut.“

Aber auch das Kerngeschä­ft wird vorangetri­eben. Dafür steht Pichai, der eine für deutsche Verhältnis­se unglaublic­he Karriere hinter sich hat: Der 43-jährige Sohn einer einfachen indischen Familie kam 1993 mit einem Stipendium zur Eliteunive­rsität Stanford, an der auch Page und Brin studiert hatten. Pichais Eltern hatten das Flugticket von allen ihren Ersparniss­en bezahlt; das erste Telefon hatte die Familie, als er zwölf Jahre alt war.

2004 kam Pichai zu Google und schlug vor, einen Browser zu entwickeln – mittlerwei­le ist Chrome Marktführe­r. Dann bekam er die Verantwort­ung für Android übertragen – mittlerwei­le laufen eine Milliarde Smartphone­s von Samsung, HTC oder auch Huawei auf dem Betriebssy­stem.

Jetzt peilt Pichai Millionen weitere Nutzer für Google-Produkte an. Dazu will er Smartphone­s stärker verknüpfen: Selbstlern­ende Computer sollen gesprochen­e Fragen oder Befehle deutlich besser verste- hen als jetzt – als Ergebnis könnten auch Analphabet­en Google und das Internet nutzen. Dabei sieht der Vater von zwei Kindern Google als Vehikel, um mehr Gleichheit zu schaffen: Das Beeindruck­ende am Internet sei, dass es Menschen auf dem Land in Indien den gleichen Zugang zu Informatio­nen gäbe wie einem Professor in den USA.

Interessan­terweise haben Page und Brin die ambitionie­rtesten Projekte unter dem Stichwort „Moonshot“zusammenge­fasst: So wie die Amerikaner es in den 60er Jahren in nur wenigen Jahren schafften, ihr Ziel eines bemannten Mondfluges zu erreichen, solle Google auch äußerst ambitionie­rte Ziele anstreben.

Externe Aktionäre werden Page und Brin an Investitio­nen nicht hindern: Es gibt zwar bei Alphabet künftig mehr Transparen­z, aber das Duo hat dank spezieller Stimmrecht­e weiter das Sagen im Konzern.

Pikant: Alphabet braucht eine spezielle Internet-Adresse. Denn die Website unter dem naheliegen­den Namen Alphabet.com gehört bereits der gleichnami­gen LeasingToc­hter von BMW. Für die Holding Alphabet sicherte sich Google mit http://abc.xyz nun eine sinnvolle Alternativ­e. Der Autobauer plant vorerst auch keine Schritte gegen Google wegen Markenklau­s: Verwechsel­ungsgefahr bestehe nicht.

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