Linke und FDP schrumpfen am schnellsten
Alle großen Parteien verlieren einer Studie zufolge Mitglieder. In politischen Diskussionen gehe es zu häufig um Abstraktes, so ein Forscher.
BERLIN Die Parteien in Deutschland sind sich zumindest in einem Punkt einig: Ihnen bröselt langsam, aber sicher der Nachschub an Mitgliedern weg. Das betrifft alle im Bundestag vertretenen Parteien und die FDP, wie eine Studie der Freien Universität Berlin ergeben hat. So sei die Zahl der Mitglieder in der Summe aller Parteien im Vergleich zum Jahr 1990 um 48,5 Prozent gesunken. „Daraus lässt sich schließen, dass die gesellschaftliche Veranke- rung des gesamten Parteiensystems sich deutlich verringert hat“, sagt Politikwissenschaftler und Studienautor Oskar Niedermayer.
Dabei hat es keine andere Partei zuletzt so hart getroffen wie die Linke. Allein im Jahr 2014 verlor sie fünf Prozent ihrer Mitglieder und schrumpfte auf 60547. Auch die FDP musste Federn lassen: Aktuell 54967 Mitglieder bedeuten einen Rückgang um vier Prozent. Unwesentlich besser sieht es bei den Volksparteien aus: 459902 Mitglieder Ende 2014 bedeuten für die SPD 2,9 Prozent weniger Genossen. Immerhin kann sie damit ihren Platz als mitgliederstärkste Partei vor der CDU knapp verteidigen. Die Christdemokraten zählten 2,1 Prozent weniger Mitglieder und landeten bei 457488. Ihre kleine Schwester CSU registrierte 1,2 Prozent weniger Mitglieder, nun sind es noch 146536. Ähnlich moderat sind die Verluste von 1,7 Prozent bei den Grünen ausgefallen: Sie kommen aktuell auf 60329 Mitglieder.
„Die Linke hat vor allem ein demografisches Problem“, resümiert Niedermayer. Sie habe mit einem Durchschnittsalter von 60 Jahren die ältesten Mitglieder; die Sterbequote werde durch Neuzugänge nicht aufgewogen. Der FDP hingegen habe vor allem das Ausscheiden aus dem Bundestag einiges an Verlusten eingebracht. Der Forscher betrachtet die FDP dennoch als kampagnenfähig für die Bundestagswahl 2017.
Auch die Gewerkschaften verzeichnen einen Rückgang ihrer Mitgliederzahlen, Vereine beklagen mangelndes Interesse in der Bevölkerung, und Kirchen kämpfen seit Langem gegen eine schrumpfende Zahl der Gläubigen. „Wer sich heute für etwas engagiert, will dabei Spaß haben, will schnell Erfolge spüren und dabei am besten die Welt retten“, sagt Niedermayer. Der persönliche Einsatz in Parteien stehe all diesen Wünschen häufig diametral entgegen. Politische Diskussionen könnten kräftezehrend sein und drehten sich häufig eher um Dinge wie die Abwasserverordnung, so der Professor. Um mehr Mitglieder zu gewinnen, rät Niedermayer den Parteien zu einer gezielten Ansprache junger Leute, vor allem im Internet.