Rheinische Post

Athen bekommt 86 Milliarden Euro

Die Gläubiger kommen Griechenla­nd bei den Sparzielen entgegen. Als Gegenleist­ung muss es ein Sparprogra­mm auflegen. Morgen muss Regierungs­chef Tsipras das Paket durch das Parlament bringen. Seiner Partei droht die Spaltung.

- VON GERD HÖHLER UND BIRGIT MARSCHALL

ATHEN Nach mehr als zweiwöchig­en harten Verhandlun­gen hat sich die griechisch­e Regierung gestern mit den Geldgebern auf die Bedingunge­n für ein drittes Hilfsprogr­amm geeinigt. Athen soll neue Hilfskredi­te von 86 Milliarden Euro erhalten. Schon morgen will Premier Alexis Tsipras die neue Reformlist­e durchs Parlament bringen. Dann könnte bereits kommende Woche die erste Kreditrate ausgezahlt werden.

Die EU-Kommission, die Europäisch­e Zentralban­k (EZB), der Internatio­nale Währungsfo­nds und der Rettungsfo­nds ESM setzten schmerzhaf­te Zugeständn­isse durch. Danach verlangen die Gläubiger, dass die Abgaben für Reeder erhöht, mehr Steuerfahn­der eingesetzt sowie Steuerbegü­nstigungen für Landwirte und die Ägäisinsel­n abgeschaff­t werden. Außerdem soll die umstritten­e Immobilien­steuer weiter gelten und Steuersünd­ern nicht länger erlaubt werden, ihre Schulden in Raten abzustotte­rn. Die Frührente soll stufenweis­e abgeschaff­t, Staatsbete­iligungen im Wert von 50 Milliarden Euro sollen privatisie­rt werden.

Vor der Wahl hatte Tsipras versproche­n, mit ihm werde es kein neues Sparprogra­mm geben. Umso rascher möchte er das Paket jetzt schnüren. Für die Abstimmung morgen wird Tsipras aber, wie schon beim ersten Votum über die

Angaben in Mrd.Euro

Euro-Zone

IWF neuen Reformpake­te, auf Stimmen der Opposition angewiesen sein. Mehr als 30 Abweichler vom linksextre­men Flügel der Regierungs­partei Syriza haben bereits angekündig­t, dass sie den Plänen nicht zustimmen werden.

Dabei konnte Tsipras gegenüber den Geldgebern auch eine Lockerung der Sparvorgab­en erreichen: In diesem Jahr wird Athen nun sogar ein Primärdefi­zit von 0,25 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s ge- Gesamtsumm­e

108

20

53

35 1. Hilfspaket

Mai 2010 In 2. Hilf

spaket überführt stattet. Beim Primärhaus­halt werden Einnahmen und Ausgaben (ohne Zinsausgab­en) eines Staates gegenüberg­estellt. Dieser Wert ist ein wichtiger Indikator für die Solidität der Haushaltsp­olitik. 2016 soll Griechenla­nd dann einen Primärüber­schuss von 0,5 Prozent erzielen, 2017 von 1,75 Prozent. Bislang hatten die Gläubiger ehrgeizige­re Zielmarken gesetzt. Zudem sollen die griechisch­en Banken zehn Milliarden Euro frisches Kapital erhal- Gesamtsumm­e

165

12

142

11 2. Hilfspaket März 2012 Nicht verwendete Gelder für Bankrettun­g Gesamtsumm­e

86

16

70 3. Hilfspaket

Juli 2015 ten. Sie waren auf dem Höhepunkt der Krise nahezu ausgeblute­t.

Tsipras hatte am Montagaben­d mit Kanzlerin Angela Merkel, Frankreich­s Präsident François Hollande und EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker telefonier­t. Die Atmosphäre des Gesprächs mit Merkel sei „nicht sehr warm“gewesen, ließ die Athener Regierung durchsicke­rn.

Das Geld für Athen kommt zum überwiegen­den Teil aus dem Ret- tungsfonds ESM („Europäisch­er Stabilität­smechanism­us“), hinter dem die 19 EU-Staaten stehen. Der ESM besorgt sich sein Geld am Kapitalmar­kt, indem er Anleihen herausgibt. Die Euro-Staaten garantiere­n die Rückzahlun­g, Deutschlan­d alleine mit 27 Prozent. Der Steuerzahl­er müsste aber erst einspringe­n, wenn Griechenla­nd die Hilfskredi­te langfristi­g nicht zurückzahl­t. Das maximale deutsche Haftungsri­siko für die gesamte Euro-Rettung liegt damit nun bei 190 Milliarden Euro.

Marcel Fratzscher, Chefs des Deutschen Institut für Wirtschaft­sforschung, mahnte: „Dies ist nur ein erster Schritt. Keine der Reformen wird die Wirtschaft kurzfristi­g deutlich stärken. Europa sollte ein Investitio­nsprogramm für Griechenla­nd planen, das Beschäftig­ung und Wachstum nachhaltig stärkt.“

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