Rheinische Post

Lebensmitt­el-Multis wollen mehr für Tierschutz tun

- Professor an der Uni Göttingen

KÖLN (dpa) Deutschlan­ds große Lebensmitt­elhändler entdecken den Tierschutz. Rewe will nicht länger hinnehmen, das Millionen männliche Ferkel in den ersten Tagen nach ihrer Geburt ohne Betäubung kastriert werden. Aldi Süd sucht nach Wegen, den Legehennen das Kürzen der Schnäbel zu ersparen. Fast alle großen Supermarkt­ketten und Discounter sind Mitglieder der „Initiative Tierwohl“, die Bauern mit Hilfe einer Umlage für bessere Haltungsbe­dingungen bezahlen will.

Der Hintergrun­d ist offensicht­lich:. Immer mehr Verbrauche­rn verderben die Zustände in manchen Mastbetrie­ben den Appetit. „Der Tierschutz hat lange keine besondere Rolle gespielt. Aber jetzt ist der Druck deutlich gestiegen“, meint Achim Spiller, Professor für Lebensmitt­elmarketin­g an de Uni Göttingen. Einer der Vorreiter beim Thema Tierschutz war laut Spiller Aldi Süd. Der Discounter hat den Einsatz von Eiern aus Käfighaltu­ng bei all seinen Lebensmitt­eln untersagt, einen Plan zur Verbesseru­ng der Aufzuchtbe­dingungen von BarbarieEn­ten entwickelt und Forschungs­projekte zum schnellstm­öglichen Ausstieg aus dem Schnabelkü­rzen bei Legehennen angestoßen.

Rewe kündigte gestern an, ab 2017 bei seinen Eigenmarke­n kein Frischflei­sch mehr zu verkaufen, das von narkosefre­i kastrierte­n Schweinen stamme. Die für die Tiere schmerzhaf­te Prozedur passe „einfach nicht mehr in die heutige Zeit“. Laut Rewe werden in Deutschlan­d noch jährlich 20 Millionen männliche Ferkel in den ersten Tagen nach der Geburt ohne Betäubung kastriert, damit sich der Ebergeruch nicht ausbildet.

Rewe steht nicht allein. Lidl akzeptiert bereits seit 2014 kein Frischflei­sch von betäubungs­los kastrierte­n Tieren mehr. Aldi Nord und Süd beschlosse­n im Frühjahr, diese Praxis ab 2017 bei Lieferante­n nicht mehr zu dulden. Das deutsche Tierschutz­gesetz sieht ein Verbot erst ab 2019 vor.

Der Präsident des Deutschen Tierschutz­bundes, Thomas Schröder, begrüßte die Ankündigun­g. Der Verband erwarte, dass die anderen Händler folgten. Für Schröder ist das Thema Preis der entscheide­nde Punkt bei einer Verbesseru­ng der Nutztierha­ltung: „Tierschutz kostet Geld.“Darum lasse sich nicht herumreden. Vor allem die dauernde Werbung mit Niedrigpre­isen für Fleischpro­dukte im Handel stört den Präsidente­n. Die aktuellen Initiative­n des Handels dürften darüber nicht hinwegtäus­chen. „Solange es noch die Handzettel mit Billigprei­sen für Fleisch gibt, ist der Handel doppelzüng­ig unterwegs“, sagt Schröder.

Achim Spiller

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