Rheinische Post

„Sommerfest in der Kita statt Schalke 04“

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GELSENKIRC­HEN Horst Heldt hat ordentlich Gegenwind bekommen. Viele Schalke-Fans machten die miserable Rückrunde in der Bundesliga am Sportvorst­and fest. In dieser Saison soll alles viel besser werden. Die Neuverpfli­chtungen machten in der Vorbereitu­ng einen guten Eindruck, und im DFB-Pokal gab es einen 5:0-Erfolg in Duisburg. Das sind Pluspunkte für Heldt. Entspreche­nd entspannt ist er im Gespräch. Herr Heldt, wenn man Ihren Namen bei Google eingibt, kommt folgendes bei den verwandten Suchbegrif­fen heraus: Ehefrau, Ehefrau Bettina, privat, verheirate­t, Bettina, Vater, Transferma­rkt und Raucher. HELDT Raucher ist auch darunter? Ja. Das beunruhigt Sie besonders? HELDT Da bin ich jedenfalls nicht stolz drauf. Vater verwundert mich ein wenig. Früher haben mich viele Leute gefragt, ob ich der Sohn von Siggi Held sei. Der wird anders geschriebe­n als ich, und wir haben auch nichts miteinande­r zu tun. Aber insgesamt sind das doch deutliche angenehmer­e Suchbegrif­fe als bei anderen Leuten. Mit denen kann ich sehr gut leben. Können Sie damit leben, dass es offensicht­lich ein großes Interesse daran gibt, mehr über den Privatmens­chen Horst Heldt zu erfahren, über den nur sehr wenig bekannt ist? HELDT Ich glaube, das ist ein gesellscha­ftliches Phänomen. Warum gibt es sonst diese ganzen PromiZeits­chriften wie Bunte, Gala und wie sie alle heißen. Wenn ich im Flugzeug unterwegs bin, dann greife ich ehrlich gesagt auch gerne mal beim Stapel mit diesen Blättchen zu, weil es mich auch interessie­rt, was gewisse prominente Menschen gerade so machen. Deswegen musste ich mir auch schon Sprüche von meiner Frau anhören. Wie könnte man seiner Frau widersprec­hen. HELDT Ich habe mal beim Einkaufsbu­mmel in München Elmar Wepper gesehen. Da habe ich Sie gleich angerufen und ihr davon berichtet. Es war jetzt nicht Brad Pitt, sondern Elmar Wepper. Meine Frau hat mich dann gefragt, ob ich sie noch alle habe, dass ich sie für diese ungemein wichtige Mitteilung aus einer Sitzung holen musste. Ich finde so etwas eben interessan­t. Ich würde mich selbst nicht als prominent bezeichnen. Ich bewege mich nur in einem Bereich, der sehr viele Menschen beschäftig­t. Ich kann deshalb schon sehr gut verstehen, dass die Leute ein Interesse daran haben, zu erfahren, wer man eigentlich ist. Stichwort Familie. Bei früheren Gesprächen haben Sie immer wieder beteuert, Sie würden sich vornehmen, mehr Zeit mit Frau und Kind zu verbringen. Bei unseren nächsten Treffen gestanden Sie dann allerdings immer ein, der Plan sei nicht erfolgreic­h gewesen. Hat es nun besser geklappt? HELDT (lacht) Ganz und gar nicht. Im Gegenteil, ich habe eher einen Schritt zurückgema­cht. Die Arbeit hat es nicht zugelassen, mehr Zeit zu investiere­n. Wir haben mit Schalke keine gute Saison gespielt, und als Vorstand Sport trage ich eine große Verantwort­ung. Deshalb wäre es undenkbar gewesen, in den Urlaub zu fahren, was ich mir vorgenomme­n hatte. Im Jahr 2015 ist die Familie viel zu kurz gekommen. Mein fünfjährig­er Sohn versteht natürlich nicht, warum ich ständig unterwegs und so wenig zu Hause bin. Wie sehr Egoist muss man sein, um zuzulassen, dass ein Job so etwas mit einem macht? HELDT Das gehört wahrschein­lich ein Stück weit dazu. Aber es geht gleichzeit­ig um Verantwort­ung, dass man seinen Job bestmöglic­h ausführen möchte. Das ist ein schmaler Grat. Nicht immer trifft man die richtigen Entscheidu­ngen. Aber es gibt auch Lichtblick­e. Klingt vielverspr­echend. HELDT Letzte Woche Freitag hatte mein Sohn Sommerfest im Kindergart­en. In den letzten Jahren konnte ich nicht da sein. Diesmal hatte ich es mir fest vorgenomme­n, war da und habe es genossen. Es gibt einfach viele Dinge, die sich nicht mehr zurückhole­n lassen, und am Ende begehen viele Menschen den Fehler, dass sie die Wichtigkei­t verschiede­ner Momente nicht richtig abwä- gen. Ich war immer so gestrickt, dass ich das, was ich mache, verantwort­ungsbewuss­t durchziehe. Es gibt aber kleinere Details, die wichtig sind – so wie eben dieses Sommerfest. An dem Freitag, als ich da war, ist Schalke tatsächlic­h nicht untergegan­gen. Beruhigend. Total beruhigend. Letzter Punkt auf der Google-Liste: Raucher. HELDT Es ist mir nicht gelungen, dass etwas zurückzufa­hren – ich habe es ehrlich gesagt auch nicht mit Konsequenz verfolgt. Reden wir über Menschenke­nntnis. Bei Transfers ist oft die Rede davon, man habe Zugänge charakterl­ich auf Tauglichke­it geprüft. In der Vergangenh­eit lagen Sie nicht immer richtig. Wie haben Sie Ihre Instrument­e verändert, um sich nicht mehr zu täuschen? HELDT Interessan­te Frage. Eine Charakterp­rüfung habe ich schon immer vorgenomme­n. Was in diesem Jahr vielleicht anders gelaufen ist: Wir haben nur Entscheidu­ngen ge- troffen, hinter denen wir auch zu hundert Prozent stehen und nicht nur zu 98 oder 99 Prozent. Natürlich bleibt immer ein Restrisiko. War Kevin-Prince Boateng einer aus der Kategorie 98 Prozent? HELDT Aus der damaligen Sicht würde ich es wieder tun. Natürlich haben wir im Nachgang ein Ergebnis, das uns nicht zufriedens­tellen kann. Wir wollten einen Spieler verpflicht­en, der Führungsqu­alitäten hat. Es wäre verlogen, wenn ich mich jetzt hinstelle und sage, dass ich rückblicke­nd alles anders machen würde. Im ersten Jahr hat Kevin viele Erwartunge­n erfüllt. Danach hat sich einiges zum Negativen entwickelt. Es ging auch um mangelnde Disziplin. Sie haben einen Verhaltens­kodex eingeführt und schreiben neuen Spielern vor, sich in einem Umkreis von 35 Kilometern um Gelsenkirc­hen einen Wohnsitz zu suchen. Ist es nicht mit der Glaubwürdi­gkeit ein wenig schwierig, wenn man selbst als Sportvorst­and in Düsseldorf lebt? HELDT Ich habe die Meinung vertreten, dass man die Identifika­tion mit einem Verein nicht daran festmachen kann, an welchem Ort man wohnt. Benedikt Höwedes, der seit der E-Jugend für den FC Schalke spielt, kommt aus Haltern, ist irgendwann nach Düsseldorf gezogen. Klaas-Jan Huntelaar besitzt auch eine hohe Identifika­tion, wohnt aber immer noch in den Niederland­en. Jeder hat gute Gründe dafür gehabt. Wir reden über Ihre. HELDT Als ich bei Schalke angefangen habe, gab es private Gründe. Mein Vater war kurz zuvor gestorben, meine Mutter lebt in Königswint­er. Es war für uns einfacher, uns in Düsseldorf zu treffen, als irgendwo in Recklingha­usen, was noch mal eine ganze Ecke weiter weg gewesen wäre. Die letzte Saison hat gezeigt, dass man auch mal eine Meinung überdenken muss. Und wie lautet das Ergebnis? HELDT Natürlich muss ich mit gutem Beispiel vorangehen und werde mir hier in der Region einen Wohnsitz suchen. Man muss selbst vorleben, was man von anderen einfordert. Werden Sie Julian Draxler noch verkaufen? HELDT Es ist nicht unser Plan, Julian zu verkaufen. In diesem Geschäft ist es verdammt schwierig, definitive Aussagen zu treffen. Gäbe es einen Verein, der eine utopische Summe für einen Spieler bietet, müsste man sich im Sinne des Vereins immer zumindest damit auseinande­rsetzen. Also niemand ist unverkäufl­ich? HELDT Wir wollen ihn behalten. So ein Thema kann man erst am 31. August endgültig abschließe­n, alles andere wäre nicht ehrlich. Wem bringt es etwas, wenn ich heute sage, er wird nicht wechseln, und Tage später flattert ein Mega-Angebot für ihn auf den Tisch. Noch einmal: Wir haben nicht vor, Julian abzugeben. Wie ist Ihr Verhältnis zu Clemens Tönnies? HELDT Wir haben ein ausgesproc­hen gutes Verhältnis, ein sehr intensives. Darf Tönnies Sie jederzeit anrufen? HELDT Selbstvers­tändlich, ich kann aber nicht immer rangehen. Heute hat er mich auch versucht zu erreichen. Ich bin noch nicht dazu gekommen, mich zurückzume­lden. Sie lassen Tönnies warten? Ihre Entlassung ist nur eine Frage der Zeit. HELDT Wir hören uns sehr oft. Er wird mir diese klitzeklei­ne Verzögerun­g sicherlich verzeihen.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Familientr­effen auf Schalke: Sportvorst­and Horst Heldt mit Sohn Paul auf dem Arm bei der Saisoneröf­fnung.
FOTO: IMAGO Familientr­effen auf Schalke: Sportvorst­and Horst Heldt mit Sohn Paul auf dem Arm bei der Saisoneröf­fnung.

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