Abenteuerweg durch die Völklinger Hütte
Nichts hat das Saarland und seine Menschen so sehr geprägt wie der Bergbau mit seiner 250-jährigen Geschichte. Viele Hinterlassenschaften aus der Kohle- und Stahl-Ära werden mittlerweile als touristische Anziehungspunkte gepflegt.
SAARBRÜCKEN Es war einmal. Bräunlicher Staub brannte sich noch in den 1970er Jahren in die zum Trocknen aufgehängte Wäsche. Damals blies das Völklinger Eisenwerk täglich 32 Tonnen Staub in die Luft. Das Donnern der Stampfmaschinen und das Quietschen der Erz-Loren komponierten den Sound der Innenstadt. Lief im Fernsehen ein Beitrag über das Saarland, überwogen Betroffenheitsmienen ob der schaurig qualmenden Dreckschleuder. Tatsächlich wurde seit Gründung der Hütte im Jahr 1873 kaum etwas abgerissen, sondern man hatte stetig erweitert, an- und umgebaut. Aus diesem Grund besticht die gesamte Anlage noch heute durch eine außergewöhnliche Authentizität.
Und deshalb adelt seit über 20 Jahren der strahlkräftige UnescoWeltkulturerbe-Titel die Anlage. Was ist sie heute? Für Touristen der Anlaufpunkt Nummer eins, denn das besucherfreundlich erschlossene Denkmal-Areal braucht keinen internationalen Vergleich zu scheuen. Zugleich lebt die alte Hütte mit den Bürgern vor Ort, ist ein vitaler Veranstaltungsort geworden für Jazz und Klassik, Autokino und Lesungen, vor allem aber der Ausstellungs-Hotspot der Großregion. Das gelingt durch massenwirksame Präsentationen, die Bildungsinhalte mit Unterhaltungselementen verbinden. Vom Playboy bis zu den Kelten, von Asterix bis Ägypten spannt sich diese Themenpalette, die mancher Industriekultur-Fan als zu wenig Hütten-bezogen kritisiert. Doch das beste Ausstellungsstück bleibt sowieso die Hütte selbst.
Sieben Kilometer lang ist der Besucherrundweg, der in Höhen und Tiefen führt. Etwa ins Dunkel der Möllerhalle, wo das Erz mit anderen, zur Verhüttung nötigen Rohstoffen gemixt wurde. Oder auf das Dach der Erzhalle. Rund 240 Meter lang ist allein die sogenannte Gichtbühne, von der aus die Rohstoffe in die Hochöfen gefüllt wurden. Aus 27 Metern Höhe vermittelt sich ein für Unkundige zunächst schwer entzifferbares Panorama. Der Besucher sieht den Schrägaufzug für Eisenerz und Koks, die Trockengasanlage und die Benzolhäuser, die Sinterhalle, in der Abfallstoffe und Gichtstaub recycelt wurden, den Wasserturm, die Handwerkergasse. Und natürlich die PostkartenSchönheit, das Prunkstück Gebläsehalle, in der mit riesigen Schwungrädern Wind für die sechs Hochöfen erzeugt wurde. Die Funktionsbezüge, die Produktions- und Arbeitsabläufe, werden im spektakulären Unesco-Besucherzentrum durch Simulationen nachvollziehbar.
Auch das Science-Center (Ferrodrom) zum Thema Eisen bringt viel Wissensstoff. Als das Eisenwerk noch brummte, war dies alles eine verbotene Stadt hinter Werkstoren. Heute stehen sie weit offen. Am besten nimmt man sich einen ganzen Tag für einen Besuch, legt Pausen ein. Etwa im ruppig-urigen Café Umwalzer mit seinem IndustrieCharme oder im Alten Bahnhof Völklingen, einem stilvoll renovierten Lokal mit viel Atmosphäre. Samt Attraktion: Die Außentische stehen direkt an den Gleisen mit Blick auf das Weltkulturerbe. Die Gläser klirren, die Stimmen ersticken im Lärm der vorbeifahrenden Züge. Phantasiebegabte brauchen kaum mehr, um sich zurückzubeamen in diese vibrierende Epoche, als zu Schichtwechsel-Zeiten der Bahnsteig und die Völklinger Innenstadt schwarz waren vor Menschen.
Ähnliche Momente der „Rückführung“ermöglicht auch ein spezielles Happening-Projekt der Volkshochschule. Die „Mythenjäger“spielen an Originalorten historische Szenen nach, beispielsweise ein Firmenjubiläum von 1894, als die Hütte noch der Gründerfamilie Röchling gehörte. Die gute alte Zeit? Dass das Geschichtskitsch ist, darüber wird man im Weltkulturerbe nicht dröge belehrt, man erlebt es als Abenteuer.